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KW 39 - die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche

Musik
26.09.2020 06:00

Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei.

(Bild: kmm)

A Certain Ratio - ACR Loco
Leicht hat man es nicht, wenn man Ende der 70er-Jahre in Manchester eine innovative Band gründet, aber im großen Teich Post-Punk aber zuerst an Joy Division und später an New Order zerschellt bzw. förmlich zerschellen muss. A Certain Ratio haben in der Vergangenheit stets für famose Alben gesorgt, wurden aber zeit ihres Lebens und ihrem Wert geschlagen. Zwölf Jahre nach dem letzten Studioalbum probieren es Jaz Kerr, Donald Johnson und Co. aber noch einmal und schicken mit „ACR Loco“ eine zeitlose Perle aus spacigem Funk, Disco-Zitaten und alten „Madchester-Tagen“ an die Front. Besonders in Songs wie „Get A Grip“, „Bouncy Bouncy“ oder „Supafreak“, wenn man sich allen Regeln widersetzt und einfach mit spaßigem Jam-Charakter drauflos spielt, fühlt man sich hier ungemein wohl. Diese Band hätte schon immer mehr Erfolg verdient gehabt. 8/10 Kronen

Action Bronson - Only For Dolphins
Schon vor zwei Jahren hat der beliebte Gelegenheitsschauspieler (zuletzt „The King Of Staten Island“) sein neues Album angekündigt - etwas später als von vielen erwartet wuchtet er „Only For Dolphins“ nun auch in die Läden. Der Albumtitel ist dabei keinesfalls als ironisch oder sarkastisch zu verstehen, denn der MC hat eine untrügliche Liebe für das Meeressäugetier, das vor allem mit seiner Intelligenz und Gemeinschaftlichkeit zu glänzen weiß, das dem Homo Sapiens bekanntermaßen oft sehr schwer fällt. Lyrisch geht es natürlich vielseitiger ab. „Golden Eye“ spielt auf den kultigen „James Bond“-Shooter für den N64 an, „Ozersky“ ist einem verstorbenen Freund Bronsons gewidmet und „Vega“ übt sehr subtil Polizeikritik. Das alles verpackt in psychedelisch-sanften Beats, denen die übliche dicke Hose des Genres glücklicherweise sehr fern ist. 7,5/10 Kronen

Ant Antic - Good Vids, Vile Times
Hinter dem Pseudonym Ant Antic steckt der Wiener Tobias Koett, dem die musikalischen Grenzen Österreichs zu eng gefasst waren und der sich deshalb schon vor längerer Zeit ins große Berlin aufmachte, um sich seinen Traum von einer Karriere als Musiker und Produzent zu erfüllen. Auf dem neuen Album „Good Vids, Vile Times“ befasst er sich gedankenvoll mit Wohl und Wehe des Informationszeitalters und stellt sich wesensentscheidende Fragen wie etwa wie wir mit der Flut an Informationen umgehen, was wir mit Fake News machen und wohin die Informationstechnologie noch hinführen soll. Musikalisch zeigt sich Ant Antic dabei wärmer und zugänglicher als auf dem Debüt „Wealth“, vor allem die R&B-Einflüsse wurden noch stärker in den elektronischen Indie-Pop eingewoben. Vor allem „Modest Love“ und „Strong“ bleiben nachhaltig im Gedächtnis. 7/10 Kronen

Will Butler (Arcade Fire) - Generations
Für manche Menschen ist Zeit nichts weiter als ein notwendiges Übel, das man bestenfalls ignorieren muss. Will Butler, der weniger glänzende Bruder der berühmten Butler-Brüder von Arcade Fire, hat in den letzten paar Jahren mit der Band sein erstes Nummer-eins-Album gefertigt, drei Kinder großgezogen, seinen Master-Abschluss in „Public Policy“ in Harvard gemacht, tourte mit Band und solo und fertigte währenddessen auch noch seinen zweiten Solo-Output „Generations“. Butler geht an die Musik eben intelligent heran und überlegt sich, welche Rolle er als reicher weißer Mormone in Zeiten wie diesen in der amerikanischen Gesellschaft spielt. Im Gegensatz zu Arcade Fire traut sich Butler solo mehr Sprünge gen Mainstream zu. „Betlehem“ klingt nach Stadion, der Garage Rock von „Outta Here“ steht im krassen Gegensatz zum atmosphärischen Indie-Pop auf „Promised“. Auf „Generations“ erfüllt sich Butler den Traum vom Ausbruch - und das sehr gelungen. 7,5/10 Kronen

Cadû - Steelstreet
Die wichtigste Frage sei gleich eingangs erklärt - das Wiener Stilverweigerungs-Konglomerat wird „Tschaduu“ ausgesprochen. Gern geschehen! Musikalisch braucht man jedenfalls einen elendslangen Geduldsfaden oder aber extrem viel Toleranz, um das hier Dargebotene wirklich fassen zu können. Die aus unterschiedlichsten Underground-Truppen zusammengewürfelte Combo versucht nicht einmal im Ansatz, einen stringenten Faden zu spinnen, sondern suhlt sich freudig in der bewussten Unentschlossenheit. Textlich treffen Traumwelten auf die angebliche Realität im 21. Jahrhundert. Wenn man die Konzeptionierung mit der zwischen Alternative Rock, Trip-Hop oder Prog mäandernden Musik in Zusammenhang setzt, dann ist eine gewisse Altklugheit samt Insiderscherzen im Bandkosmos nicht abzustreiten. Aber bitte, wenn’s Spaß macht… 5/10 Kronen

Marie Davidson - Renegade Breakdown
Bei Presseschreiben muss man immer vorsichtig sein. Etwa auch hier, wenn die Plattenfirma vollmundig ankündigt, dass die Franko-Kanadierin Marie Davidson samt neuer Band den Dancefloor verlässt, um wieder zu ihren Rockwurzeln zurückzukehren. Ein erster Albumdurchlauf bei Tracks wie „Renegade Breakdown“, „Worst Comes To Worst“ oder „C’est parce que j’m’en fous“ zeigt auf auditivem Wege eindeutig: das stimmt so halt auch nicht. Wahr ist aber, dass sich Pop, Rock, Jazz und Loungesounds sehr gut mit dem Disco-Korpus zusammenmischen lassen. Dass sie den Club-Lifestyle gegen die Abendgarderobe ausgetauscht hat, kann eben nicht über diverse Traditionen hinwegtäuschen. Schaden tut das dem Album natürlich nicht, nur muss man bei „Renegade Breakdown“ stets auf eine neue Stilwanderung vorbereitet sein. Das richtige Album zum Erwachsenwerden. 7,5/10 Kronen

Dorian Concept - The Jitters EP
Wenn das Corona-Virus über den Planeten wütet und uns jegliche Art von Spaß verdirbt, dann bleibt auch ausreichend Zeit die eigenen Archive zu durchforsten. Das hat sich auch der Wiener Klangtüftler Dorian Concept gedacht und mit „The Jitters“ eine kleine, aber feine EP zusammengeschustert, die Outtakes, Alternativversionen und Live-Neuinterpretationen von Material in der Zeit zwischen 2018 und 2020 zu Tage fördert. Prinzipiell beruhigt Concept damit vorwiegend sein Gewissen Songs nicht auf die Platte gebracht zu haben, die es einst vielleicht verdient hätten. Dem Fan und Elektronik-Connaisseur bieten sich hier natürlich wundervolle Welten, um noch tiefer in jene des Wieners eintauchen zu können. Unbedarfte greifen lieber zu seinen Hits. Ohne Bewertung

Death Bells - New Signs Of Life
Schon beeindruckend, wie melancholisch Glück manchmal sein kann. „A Different Kind Of Happy“ erklingt mitten auf dem zweiten Album der Death Bells und ist eine Durchhalteparole par excellence. Plötzlich ertönt auch noch ein Saxofon und es wirkt noch nicht einmal deplatziert. Schon beeindruckend, in welch selbstbewusste Klangsphären sich das australische Duo auf dem Zweitling „New Signs Of Life“ traut. Vielleicht liegt es am Umzug in die Musikmetropole Kalifornien oder einfach daran, dass man mit dem reduzierten Post-Punk samt New-Wave-Anleihen heute noch viel kompromissloser in den goldenen 80ern wütet, als es am Debüt der Fall war. Drei Jahre lang haben die Death Bells an dem Werk gefeilt - und wem der Zeitgeist im Pop scheißegal ist, der wird hier garantiert sein Glück finden. 7,5/10 Kronen

Deftones - Ohms
Eine Veröffentlichung einer neuen Studioplatte der Deftones gehört gewiss zu den spannenderen Ereignissen in der Musikwelt, schließlich lassen sich die Alternative-Rock-Legenden immer sehr viel Zeit. „Ohms“ ist dabei das erste Werk, dass sich ganz klar auf die eigenen Vergangenheit besinnt und mehr nach den Spät-90ern/Millennium klingt als alles, was Chino Moreno und Co. in den letzten eineinhalb Dekaden auf die Menschheit losgelassen haben. Vor allem die Stimme des Frontmannes wächst in Songs wie „Climbing Out Of The Ashes“ oder „Pompeji“ wieder über sich hinaus. Die Gitarren von Steve Carpenter sägen unnachahmlich und unerbittlich. Dass ihr Meisterwerk „White Pony“ just heuer den 20. Geburtstag feierte verleitet leider zu direkten Vergleichen. Daran zerschellt natürlich auch „Ohms“, doch die Riffteppiche und umweltbewussten Texte lassen das Sacramento-Kollektiv noch immer sehr wichtig erscheinen. Die Deftones braucht man, damals wie heute. 7,5/10 Kronen

Emma-Mo - Facetten
Das Leben ist nicht immer fair. Da arbeitet man jahrelang beharrlich und akribisch an seinem Debütalbum. Arbeitet an Melodien, an Hooks, an Texten und all den vielen Kleinigkeiten, die ein so besonderes Baby eben so besonders erscheinen lassen, und dann wird man in schwersten Pandemiezeiten damit fertig und kann weder Produkt noch sich selbst richtig promoten. Für die Niederösterreicherin Emma-Mo ist das trotzdem kein Grund, aufzugeben. „Facetten“ beinhaltet dabei nur ein Drittel der insgesamt 30 geschriebenen Songs, die wie ein Tagebuch Einblick in Wesen und Sein der 22-Jährigen geben. Moderner Pop mit leichten Electro-Einflüssen und eine klar hervorstechende Zeitgeistigkeit wird dabei als akustischer Mantel verwendet und sollte vor allem im Mainstream seine Freunde finden. Nur so richtig innovativ ist das alles nicht. 6/10 Kronen

Sylvan Esso - Free Love
Als Amelia Meath und Nick Sanborn vor acht Jahren in Wisconsin ihre Electropop-Band Sylvan Esso ins Leben riefen, waren die Rollen klar ausgesprochen und verteilt. Meath sorgt für die Songs, die Hooks und den Gesang, Sanborn sorgt für die Beats und Instrumentals. Mittlerweile sind die beiden künstlerisch so dicht verwoben, dass längst keiner mehr durch das wirre Netzt hindurchblickt. So klingt „Free Love“, der dritte Longplayer, einmal mehr anders als alles, was davor da war und beweist eindrucksvoll, dass man auch in der gesättigten Pop-Welt noch genug Kreativität findet, wenn man sich nur darum bemüht. Gestählt von den Live-Erfahrungen mit zehnköpfiger Band und der Freunde des eigenen Studios ganz ohne Zeitlimits zeigt sich das Duo befreit, offen und allumfassend. Zwischen fragilen Momenten und großen Gesten bleibt auch Platz für das Subtile. Wundervoll! 8/10 Kronen

Fleet Foxes - Shore
Wie könnte man den Herbst besser einleiten als mit einem neuen Album der Fleet Foxes? Das US-Kollektiv rund um Frontmann Robin Pecknold ist bekannt dafür, die perfekten Soundtracks für Natur-, Beziehungs- und Daseinserlebnisse im Alltag zu liefern. Unaufdringlich, schön und fast schon zierlich musiziert sich die Band durch eine knappe Stunde Art-Pop, Barock- und Folk-Preziosen auf dem spontan und unangekündigt veröffentlichten Rundling „Shore“, der die Truppe einmal mehr von einer besonders entspannten Schönheit zeigt. Wesentlich zugänglicher als auf dem Vorgänger „Crack-Up“ sind Songs und Herangehensweise an ebenjene. Man möchte am liebsten den nächsten Baum umarmen oder das bunte Laub in die Luft werfen, wenn man sich von luftigen Tracks wie „Featherweight“ oder „Going-To-The-Sun Road“ in fantastische Welten entführen lässt. Ein Album, wie ein aus der Zeit gefallener Bilderrahmen. Wunderschön. 8/10 Kronen

Hen Ogledd - Free Humans
Der „Rolling Stone“ bezeichnete das obskure Kollektiv Hen Ogledd einmal als „Devo auf Droge“ und da Devo per se schon nicht immer die zugänglichste und einfachste Band auf diesem Erdenrund waren, kann man sich die Verschrobenheit des Quartetts ungefähr ausmalen. „Free Humans“ ist nur sehr offenen Geistern empfohlen, denn was hier zwischen Dadaismus, Saxofon-Einsprengseln und anarchischen Sounddissonanzen an engelshaften Feengesang über einen hereinprasselt, kann auch ohne Acid- oder LSD-Zuhilfenahme für hochgradige Verwirrung sorgen. Songs wie „Trouble“, „Earworm“ (haha) oder „Kebran Gospel Gossip“ klingen wie Folk-Waisen von vernebelten Trolltroubadouren aus den tiefsten Waldbäuchen. Was auch immer diese künstlerische Gemengelage auf Langstrecke darstellen soll - irgendwie zieht es einen immer tiefer hinein. 6/10 Kronen

Idles - Ultra Mono
Spätestens mit ihrem zweiten Album „Joy As An Act Of Resistance“ haben sich die Bristol-Post-Punks Idles in ihrer eng gesteckten Liga an die Spitze gespielt. Die brutale Ehrlichkeit und Offenheit von Frontmann Joe Talbot in seinen persönlichen Texten, die nihilistische Instrumentierung und die - es fehlt uns so sehr! - exaltierten, fast schon manischen Liveshows ließen das Quintett steil an die Spitze treiben. Eine derart anarchische Kompromisslosigkeit ließen die Sleaford Mods oder Shame maximal erahnen, die Idles aber setzten sie durch. Die Popkultur-Zitate und sarkastischen Slogans stellt Talbot auf dem Drittwerk „Ultra Mono“ nicht zurück - ganz im Gegenteil! Songs wie „War“, „Mr. Motivator“ oder „Model Village“ zeigen die Band in ihrem Tun noch selbstsicherer, Gitarrengeschrammel und Fuck-Off-Attitüde wurden erheblich verstärkt. „Ultra Mono“ ist ein Manifest des Andersseins und der Selbstbestimmung. Großes Werk! 8/10 Kronen

Kataklysm - Unconquered
Zugegeben, in den letzten Jahren habe ich ein bisschen den Überblick über die Veröffentlichungen von Kataklysm verloren. Die „Northern Hyperblast“-Truppe aus Kanada schickt zwar seit jeher beständig starke Alben aus, aber strenggenommen war der 2006er Rundling „In The Arms Of Devastation“ das letzte wirkliche Highlight aus dem Montreal-Camp. Dass Maurizio Iacono und Co. in den letzten Jahren auch vornehmlich ihre alten Klassiker live aufführten hat schon einen Grund. „Unconquered“, Album Nummer 14, überrascht nicht, fällt aber zumindest stärker aus als die beiden doch sehr blutleeren Vorgänger. Knüppelt man im Opener „The Killshot“ noch viehisch dahin, hält bei „Cut Me Down“ schon die Melodie Einzug. Das tut den Doublebass-Vergewaltigern im weiteren Verlauf gut, aber gerade die zweite Albumhälfte fällt durch Songs wie „Defiant“ oder „When It’s Over“ qualitativ stark ab. Stagnation auf hohem Niveau, aber völlig ohne Spannung. 6,5/10 Kronen

Kontra K - Vollmond
Wenn man schon nicht mit gehaltvollen Texten oder spannender Musik aufwarten kann, dann muss man sich eben auf anderem Weg Gehör verschaffen. Der Berliner Kontra K ließ - wie üblich im Deutschrap - im Vorfeld nichts über sein neues Album „Vollmond“ wissen, wartet jetzt aber mit einer Deluxe-Edition in weiblicher und männlicher Form auf. Wie? Ja genau. Für Männer gibt es einen Waffenhalter, für Frauen ein Rucksack im gestohlenen Louis-Vuitton-Design. Diese Sinnlosigkeit passt gut zu flachen Texten und austauschbaren Songs wie „Du willst es“, „Puste sie weg“ oder „Auf der Klinge“, die mit den üblichen peinlichen Klischees zwischen Sexismus und dicke Hose pendeln. Features von Capital Bra, UFO361 oder Samra können der Peinlichkeit auch nicht mehr helfen. Nein danke. 1,5/10 Kronen

Diana Krall - This Dream Of You
Die Bedeutung von Diana Krall für den stimmenbestimmten Jazz kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Dafür verantwortlich ist auch ihr langjähriger Produzent und Lebensmensch Tommy LiPuma, mit dem sie bis zu seinem plötzlichen Tod vor drei Jahren auch privat in inniger Freundschaft verbunden war. „This Dream Of You“ kann als letzte große Hommage an LiPuma betrachtet werden, denn dafür hat Krall noch einmal tief in den Archiven gewühlt und all jene Songs fertig herausgearbeitet, die im Zuge des letzten Albums „Turn Up The Quiet“ entstanden sind. Songs wie „But Beautiful“, „Autumn In NY“ oder das galante „How Deep Is The Ocean“ zeigt einmal mehr die reife und geradezu luxuriöse Herangehensweise der Künstlerin an ihr Werk. Besonders magischer Moment: Alan Broadbents Pianospiel auf „More Than You Know“. 7,5/10 Kronen

Lik - Misanthropic Breed
Was für ein Gemetzel. Wer sich gerne am schwedischen Old-School-Death-Metal der Marke frühe Entombed, Dismember und Grave labt, der bekommt mit Lik genau die richtige Band, um diesen viel zu oft vergessen geglaubten Sound der Vergangenheit in die Gegenwart zu transferieren. „Misanthropic Breed“ ist derart innovationsarm und traditionell ausgefallen, dass die Puristen freudige Luftsprünge veranstalten werden. Man kann Songs wie „Funeral Anthem“, „Female Fatal To The Flesh“ oder „Morbid Fascination“ oft noch nicht einmal wirklich auseinanderhalten, wird aber durch die bleischweren und grubentief gestimmten Gitarren und des Sängers erdverkrustete Stimme so unnachahmlich in den Mahlstrom des Verderbens gezogen, dass man sich gar nicht mehr rausbuddeln möchte. Ein Festschmaus für Genre-Anhänger und gleichzeitig eine Zeitreise in eine selige Ära. 8/10 Kronen

Clara Louise - Verbunden
Die Rheinländerin Clara Louise ist nicht nur Musikerin, sondern bekanntermaßen auch lyrisch sehr begabt und ebenso schriftstellerisch tätig. In beiden Bereichen geht es der Künstlerin um größtmögliche Selbstständigkeit. So verzichtet sie seit jeher auf ein Label oder einen großen Verlag, sondern hat die Zügel lieber selbst in ihren Händen. Auf „Verbunden“ hat sich Louise Gedichte und Text ihres aktuellen Buches „entlehnt“, um daraus ein musikalisches Album zu kreieren. Geschichten und Gedanken, die mitten aus dem Leben stammen und sich in ihrer Machart nicht von internationalen US-Produktionen verstecken müssen. Um zu vermeiden, dass die Songs allzu intim werden, lässt Louise immer wieder die E-Gitarre in den Vordergrund („Du bist der Ort“). So geht es auf der Karriereleiter munter nach oben. 7/10 Kronen

Thurston Moore - By The Fire
Adel verpflichtet. Das gilt natürlich und besonders für jemanden wie Thurston Moore, der mit Sonic Youth Alternative-Indie-Rock-Geschichte geschrieben hat und abseits des Mainstreams eine der wichtigsten Bands der gesamten Populärmusikhistorie aus dem Boden stampfte. Das Bandkapitel ist längst abgeschlossen, solo zeigt sich der Querkopf auf seinem siebenten Album „By The Fire“ aber so kreativ, undergroundig und vor allem spielfreudig wie in den späten 80er-Jahren. Die gewohnten musikalischen Abenteuer hat er hintangestellt und mit seiner kundigen Band rund um Bassistin Deb Googe und Gitarrist James Sedwards einen luziden Alternative-Traum erschaffen, dessen einzelne Kapitel bis zu 17 Minuten dauern dürfen. Den Soundtrack für eine „brennende Welt“ will er damit erschaffen haben. Wer Thurston mag, der wird dieses Album gewiss lieben. 7,5/10 Kronen

Bob Mould - Blue Hearts
Als er vor gerade einmal eineinhalb Jahren den „Sunshine Rock“ anstimmte, war Hüsker-Dü-Legende Bob Mould noch bester Laune, doch das hat sich - nicht nur dank Corona - schlagartig geändert. „Blue Hearts“ bezeichnet der Wahlberliner selbst als die „eingängigsten Protestsongs, die ich je in einem Aufwasch geschrieben habe“. Im besten Singer/Songwriter-Stil mit Punk-Attitüde erinnert er fast an einen reifen Frank Turner, wenn er in Songs wie „Next Generation“, „American Crisis“ oder „Racing To The End“ meist im angezogenen Tempo durch die Wirren der modernen Welt wildert. In einem bunten Kaleidoskop des Optimismus versucht Mould trotz allem immer erhobenen Hauptes nach vorne zu schauen und sich nicht zu sehr in den Strudel des Verderbens ziehen zu lassen. Wut muss nicht immer radikal erklingen. 7,5/10 Kronen

Nasty - Menace
Wer trägt die allerdicksten Hosen unter der Sonne? Diese Frage stellten sich vor knapp 20 Jahren so einige Bands, als sich im Hardcore-Segment die Beatdown-, Two-Step- und Breakdown-Parts quasi über Nacht inflationär vermehrten. Ganz vorne dabei waren stets die Belgier von Nasty, denen man nicht ganz zu Unrecht auch mal das „Sauproleten“-Schild umgehängt hat. Als ob die Zeit angehalten werden würde denken die Westeuropäer nicht einmal daran, irgendwas an ihrem Erfolgskonzept zu ändern. Ganz im Gegenteil - mit Century Media Records wurde nun sogar ein amtliches Label auf sie aufmerksam und das in der frühen Corona-Phase eingeklopfte „Menace“ ist vielleicht noch harscher als das Geknüppel aus der alles andere als sanften Vergangenheit. Dazu ist genug Platz, um zwischen Death Metal, Hardcore und Hip-Hop gegen die Welt zu wettern. Wer bei Songs wie „666AM“ oder „You Will Know My Name“ nicht sofort die Windmühle anreißen will, hat kein HC-Herz. 7,5/10 Kronen

The Neighbourhood - Chip Chrome & The Mono-Tones
Wieder so ein heiß ersehnter Gig, den wir uns leider aufzeichnen können. Statt eines freudigen Konzertes Ende November im Wiener Gasometer muss man halt daheim die Boxen aufdrehen, denn das hat die neue Scheibe der Alternative-Rocker The Neighbourhood durchaus verdient. „Chip Chrome & The Mono-Tones“ zeigt die populären Kalifornier in allen Bereichen reifer, aber auch entspannter und erwachsener als bisher. Frontmann Jesse Rutherford hat sich für diese lebensbejahendere Zugangsweise zur Musik in das Alter Ego Chip Chrome verwandelt und sich somit „rausgestellt“. Die „Mono-Tones“ sind Rutherfords Stimmen im Kopf und zusammengerechnet ergibt das eine Band, die sich vor allem in Songs wie dem elegischen Closer „Middle Of Somewhere“ oder in „Hell Or High Water“ von ganz neuen Seiten zeigt. Interessant, aber gewöhnungsbedürftig. 6,5/10 Kronen

Obsidian Kingdom - Meat Machine
Wer sich an den schwermütigen Gitarren von Mastodon labt, den zeitlosen Alternative-Einschlag der Deftones schätzt, auch keine Angst vor elektronischen Berührungspunkten hat und sich zumindest schon rudimentär mit Mathcore, Post-Rock oder Prog-Metal beschäftigt hat, der könnte bei den Katalanen von Obsidian Kingdom sein Seelenheil finden. Auf ihrem mittlerweile vierten Album „Meat Machine“ (samt gustiösem Cover) haben sich Frontmann Rider G Omega und Co. längst ihre selbstverständliche Nische freigeräumt und musizieren erhobenen Hauptes bewusst an jedem Genre vorbei. Die Themenpalette reicht von sexueller Frustration über Zukunftsängste bis hin zu den zunehmenden Grausamkeiten einer mechanisierten Welt. „Meat Machine“ ist einerseits topaktuell, andererseits wie ein Faith No More-Fiebertraum. Krude Sache! 6,5/10 Kronen

The Ocean - Phanerozoic II: Mesozoic / Cenozoic
Einen Doktor in Geologie oder Anthropologie zu haben hat noch nie geschadet, wenn man sich mit den deutschen Stilverweigerern The Ocean befasst. Wie schon der vor zwei Jahren erschienene erste Teil von „Phanerozoic“ befasst sich auch dieses Album mit einer bestimmten Epoche. In dem Fall dem Ende des Mesozoikums, als ein Asteroideneinschlag die Dinosaurier vom Planeten auslöschte. Robin Staps webt einmal mehr bleischwere Riffs in das Geschehen, lässt die Melodien aber trotz dissonanter Ausflüge nie zu sehr in den Hintergrund verschwinden. Ambient-artige Passagen vermischen sich mit der Gaststimme von Katatonias Jonas Renkse, ausbrechende Gewaltorgien werden immer wieder von seltenen, filigranen Hooks gestoppt. Prog-Metal, der wirklich innovativ ist - aber das kennt man von The Ocean schon lange sehr gut. 7,5/10 Kronen

Orplid - Deus Vult
Deutscher Neofolk kommt in dieser Kolumne später noch einmal vor, doch im direkten Vergleich sind Orplid auf jeden Fall die Sieger der Woche. Das Duo aus Halle dehnt seine 18 Kompositionen auf mehr als 70 Minuten aus und fügt teils überlangen, sehr sphärischen Songs immer wieder kleine Interludes oder Geschichtsverbinder bei. Den Schutz von Traditionen und der westlichen Zivilisation propagiert man auf „Deus Vult“, was dem ohnehin schon nicht astreinen Genre einen weiteren bitteren Beigeschmack gibt. Die elektronischen Verknüpfungen verhindern aber zumindest allzu viel Langweile, auch wenn man für den neuen Output von Orplid durchaus Geduld und Beharrlichkeit aufweisen muss. Highlight? Die „Madonna von Stalingrad“, die die Gräuel des Krieges mit Rammstein-Touch widergibt. 6,5/10 Kronen

Panda Lux - Fun Fun Fun
Wenn man als Österreicher das Selbstvertrauen massiv in den Vordergrund stellen will, dann kann man gerne behaupten, dass die immer erfrischendere deutschsprachige Indie-Szene der unsrigen zu verdanken ist. Nicht zuletzt Bilderbuch zeigten, dass man den Art-Pop noch immer neu erfinden kann, eine Band wie die Schweizer Panda Lux sieht sich auditiv ganz klar im Fahrwasser von Maurice Ernst und Co. Dafür sorgen schon die Grundingredienzien Funk-Bass, flächige Synths und eine exaltiert in den Vordergrund gemischte Stimme. Dass die vier Musiker professionell ausgebildet sind, tut dem Sound gut, weil er sich nicht zu sehr verkopft, sondern sein Wissen in schöne Melodien gießt. Zwischen der „Karambolage“, „Staub“ und „Fahrschein ins Glück“ ist auch Platz für drei Instrumentals, die weit mehr als nur Auffettung sind. Schöne Geschichte! 7/10 Kronen

The Pretty Things - Bare As Bone, Bright As Blood
Inmitten der auswuchernden Corona-Wirren ging fast unter dass am 15. Mai diesen Jahres ein gewichtiges Stück Rock’n’Roll starb. Phil May, Kultfigur und Sänger der Pretty Things segnete das Zeitliche und damit verstarb auch eine der Figuren, die sogar die Rolling Stones aktiv inspirierten. Bis Ende 2018 tourte die Band rund um May und Gitarrist Dick Taylor fleißig um die Welt, danach mussten sie dem steigenden Alter und Abnützungserscheinungen Tribut zollen. „Bare As Bone, Bright As Blood“ ist nun ein würdiger Abgesang auf den kultigen Frontmann, der in den frühen 60er-Jahren das Establishment mit seiner wehenden Mähne schockierte. Im Western/Country-Style werden die Songs akustisch dargeboten, Mays alte, aber immer noch intensive Stimme trägt das melancholische Treiben. Ein Abgesang in Tom-Waits-Manier - würdevoller geht es nicht. Ohne Bewertung

Realize - Machine Violence
Verspürt ihr manchmal das untrügliche Bedürfnis, die Welt brennen zu sehen? Überlegt ihr euch, wie Filme á la „Blade Runner“, „Terminator“ oder „Robocop“ möglicherweise anno 2020 musikalisch klingen könnten? Da wärt ihr beim US-Kollektiv Realize wahrscheinlich nicht ganz falsch, denn das Trio setzt in seinem Industrial Metal bewusst nur auf Gitarre, Bass und Stimme und lässt das viehische Schlagzeuge und sämtliche andere Sequenzen vom Band rollen. Was Puristen mit Augenrollen abtun werden, dürfte offeneren Geistern aber gut runtergehen, nur kracherprobt sollte man für „Machine Violence“ (welch passender Titel) schon sein. Songs wie „Ghost In The Void“, „Hypermech“ oder „Gateway Trial“ lassen wenig Zeit zum Durchatmen. Die technische Zukunftsdystopie verstärkt sich durch eine Mischung aus Hardcore-Shouts und Gegrunze. Auf Langstrecke leider etwas gleichförmig, aber der Ansatz ist gut. 6/10 Kronen

Schlammpeitziger - Ein Welteck in der Echokammer
Da liegt er, am Albumcover. Auf einem ganzen Haufen alter Computermonitore und Fernseher am Straßenrand. Völlig entkräftet, denn der Protagonist befindet sich schließlich nur mehr im „Welteck der Echokammer“. So hat Schlammpeitziger sein neues Album genannt. Hinter dem skurill anmutenden Pseudonym steckt Performancekünstler Jo Zimmermann, der sich von Deutschland aus schon seit vielen Jahren im Electronica-/Krautrock-Segment bewegt und mit seinen Soundwelten überrascht und bewegt. Die Dub- und Reggae-Einflüsse hat der Gesellschaftskritiker gewaltig nach oben geschraubt, was man vor allem Songs wie „Every Dayhey“ deutlich anhört. „Hüftgoldpolka“, „Handicapfalter“ und „Wurfhalm Wiggo“ nennen sich die Disco-esken Songs. Alles klar? Nein? Auch egal, es muss nur Spaß machen. Nachdenken darf man aber auch. 7/10 Kronen

Scumbag Millionaire - Poor And Infamous
Ich gebe es ja offen und ehrlich zu - die Spät-90er-Skandinavien-Rockszene rund um Gluecifer, Turbonegro und den Hellacopters habe ich in ihrem Hype nie so ganz verstanden. Scumbag Millionaire, die ihre ausufernde Ironie nicht umsonst schon fett im Bandnamen stehen haben, sind eben 20 Jahre zu spät auf die Welt gekommen und würden nun furchtbar gerne mit den Größen vergangener Tage mithalten. Wie meist gelingt das Aufwärmen eben nur bedingt und so sind die Schweden trotz rotziger Thomas-Skogsberg-Produktion auf „Poor And Infamous“ eben nicht mehr als ein bemühter Abklatsch der Originale. Was Songs wie „Inferno“, „Cashing Dawn“ oder „Subterranean Twist“ ankündigen, wird auf voller Strecke leider nicht umgesetzt: die notwendige Kompromisslosigkeit. So plätschern die meisten Songs ganz nett dahin, vielmehr sollten sie den Ohren aber wehtun. Das geht besser, nochmal zurück an den Start! 5,5/10 Kronen

Soeckers - Kopfkarussell
Soeckers, benannt nach einem früheren Kumpel diverser Bandmitglieder, kennen aufmerksame Pop-Fans natürlich schon. Im Vorprogramm illustrer A-Liga-Combos wie Wanda, Madsen, Annenmaykantereit oder auch Granada haben die Münsteraner auch perfekt hingepasst. Musikalisch gibt es hemdsärmeligen Pop mit viel Amore und Schlager-Qualitäten. Kein Wunder, saß doch Wanda-Produzent Paul Gallister hinter den Reglern von „Kopfkarussell“. Johannes Schulte-Schlichtmann und Co. sind freilich kein einfacher Abklatsch der großen Wiener, es ist aber in Songs wie „Schlaf bei mir“ oder „Buch über gar nichts“ nicht zu überhören, von wem sich das junge Quartett am meisten abgeschaut hat. Macht Spaß und hat noch viel Potenzial! 7,5/10 Kronen

Sophia - Holding On/Letting Go
Die Bedeutung von Robin Proper-Sheppard für die US-Alternative-Rock-Szene kann man gar nicht hoch genug werten. Eine Schande, dass der Songwriter, Sänger und Multiinstrumentalist mit seinem Projekt Sophia niemals einen breitflächigeren Durchbruch geschafft hat. Seit mittlerweile 25 Jahren pendelt der psychisch nicht immer stabile Vollblutmusiker zwischen Dream Pop, Slowcore, Alternative Rock, Post-Grunge und Indie-Attitüde, ohne dabei auch nur einen halben Zentimeter gängigen Trends nachzublicken. Auf Songs wie „Undone. Again.“ oder „Gathering The Pieces“ zeigt sich Proper-Sheppard so gitarrenverliebt und vielschichtig wie seit den frühen Tagen nicht mehr. Gerade für das verregnete erste Herbstwochenende ist „Holding On/Letting Go“ der perfekte Soundtrack zum Kuscheln, Entspannen und in Erinnerungen schwelgen. Ein auditives Gemälde der Vernebelung, das Songwriter/Folk und ein Saxofon wie selbstverständlich zueinander stellt. Eine echte Perle. 8,5/10 Kronen

Surfer Blood - Carefree Theatre
Irgendwann erwischt die Nostalgieschleife jeden. Egal, ob man will oder nicht. Es ist unumstößlich, dass man sich nicht nur zurücksehnt, sondern auch direkt in die Vergangenheit zurückgeht. So handhabte es Surfer Blood-Frontmann John Paul Pitts für sein neues Album „Carefree Theatre“. Nachdem Pitts wieder nach Florida heimzog, erinnerter sich an das namensgebende Theater, wo seine gesamte künstlerische Erziehung zwischen Theater, Musicals und Konzerten in West Palm Beach begründet wurde. Zum Zehnjährigen des immer noch famosen Debüts „Astro Coast“ kann man einen solchen Blick schon mal ganz ohne Peinlichkeiten wagen. Mit der sommerlichen Pop-Stimmung schließt Pitts auf „Carefree Theatre“ nicht nur für sich, sondern auch für die Band einen Kreis. Ein Jubiläum, das gänzlich unpeinlich nach Zukunft riecht und dazu noch ein schönes Old-School-Weezer-Feeling unter Palmen transportiert. So lässt sich der Sommer gut verabschieden. 7,5/10 Kronen

Uada - Djinn
Uada wissen sich zu vermarkten, dass muss man den Amerikanern zugestehen. Zuerst lachte die Metalwelt darüber, dass sie sich bei einem Sommerfestival 2019 über die heißen Temperaturen echauffierten, dann verstanden die meisten die Ironie hinter einem Marilyn-Manson-Plagiatsvorwurf nicht. Am Drittwerk lässt man jetzt den „Djinn“ aus der Flasche und entfernt sich musikalisch so weit wie möglich von den eigenen Wurzeln. Die ewigen Mgla-Vergleiche sind spätestens jetzt obsolet, denn neben flächigem Black Metal regiert bei den Amerikanern zwischen traditionellem Heavy Metal, Doom-Versatzstücken, schwedischer Göteborg-Schule und progressiven Schlenkern alles, was Lust und Laune macht. Auf Trveness und Szenepolizeiregeln wird geschissen und das tut Uada gut. Meisterwerk ist das Album keines, aber ein weiterer geschickter Fortschritt. 7,5/10 Kronen

Carrie Underwood - My Gift
Die hiesigen Supermärkte haben schon bei 30 Grad im Sommer damit angefangen, die Lebkuchen in die Regale zu hieven. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir uns auch musikalisch mit dem nahenden Weihnachtsfest zu beschäftigen haben. Die siebenfache Grammy-Gewinnerin Carrie Underwood gewinnt 2020 den zweifelhaften Titel „erstes Weihnachtsalbum des Jahres“ mit „My Gift“. Dass es ihr persönlich erstes ist täuscht auch nicht über die Tatsache hinweg, dass sich bei der Vermarktung derartiger Produkte mittlerweile jegliche Logik in Luft aufgelöst hat. „Sweet Baby Jesus“, „Hallelujah“, „Have Yourself A Merry Little Christmas“ oder „Silent Night“ - es fehlt nichts, wofür man Künstler lieben oder hassen sollte. Ende September braucht es aber wirklich noch niemand. Ohne Bewertung

Vous Autres - Sel de Pierre
Diese Woche ist eine gute für Fans des Extreme Metal. Aus aller Herren Länder ragen die Highlights heraus, Frankreich macht da keine Ausnahme. Dass es dort ohnehin immer wieder spannenden und vor allem originären Hartstahl gibt ist längst bekannt, Vous Autres gehen auf ihrem zweiten Album „Sel de Pierre“ noch einmal ein Stück mehr Risiko ein. Der Post-Black-Metal des anonymen Duos wird nämlich mit noch mehr Atmosphäre durchzuckert und fällt vor allem in den überlangen Momenten („Onde“, „In Humus“) fast schon schmerzhaft elegisch aus. Der Drumcomputer bemüht sich nicht darum human zu klingen, entfacht aber trotzdem ein warmes Feuer, während die Gitarren wie unter einer wässrigen Glaskugel schneiden und das leidende Gekrächze in den Irrsinn zieht. Wer sich mit den verstärkten Sludge-Anteilen leichttut, der folgt dieser Band gerne weiter. 7,5/10 Kronen

Vrîmuot - O Tempora, O Mores!
Zuerst einmal zum wichtigen Teil der Übersetzung. Der Bandname bedeutet übersetzt so viel wie „Freimütigkeit“ und kommt aus dem Mittelhochdeutschen. Der Albumtitel lässt sich als „Oh Zeiten, Oh Sitten“ interpretieren und gibt dabei schon eine grobe Richtung vor. Komponist, Multiinstrumentalist und Sänger T.S. hat sich hier tief in seine Gedankenwelt gegraben und bieten akustisch dahinplätschernden Neo-Folk mit rauer Onkelz-Stimme. Die Minimalisierung und das Besinnen auf das Allerwesentlichste beginnen aber schon nach wenigen Minuten ungemein zu langweilen. Dass T.S. sich in den wenigen Kompositionen gerne in Überlänge suhlt, macht das Ganze nicht besser. Das Album schmeckt wohl nur bedingungslosen Genre-Anhängern wirklich gut. Ansonsten lieber Finger weg. 4,5/10 Kronen

Yonder Boys - Acid Folk
Hand aufs Herz - wenn man ein Fan der „Simpsons“ ist, dann liebt auch Nebendarsteller Cletus. Der Hinterwäldler, der seine Kinder schon mal gerne „Inzucht“ nennt, die Nabelschnur lieber dran lässt und sich von Stinktieren ernährt. Was das alles mit den Yonder Boys zu tun hat? Dass in Berlin beheimatete US-Trio sorgt auf „Acid Folk“ im Prinzip für den perfekten Soundtrack zu ebenjenen Szenen in der endlosen Erfolgsserie. Ein Gesangsduo, ein zu jeder Zeit dominantes Banjo und dazu noch diese gemütliche Lagerfeuer-Stimmung, die einem ohne Wort laut „Redneck“ entgegenschreit. Diese Americana/Folk/Old-School-Pop-Mischung muss man natürlich mögen, denn manchmal wirkt die hier exerzierte gute Laune anstrengend zwanghaft. Eine Band wie die Yonder Boys sind aber auch vorwiegend für die Livebühnen geboren. Das wird halt noch dauern. 6/10 Kronen

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