Klangliche Melange

Wenn Wienerlied und Jazz freudig fusionieren

Musik
15.07.2025 06:00

Das Wienerlied Duo Die Strottern und die renommierte JazzWerkstatt Wien sind für das Album „Sieben Zwetschken“ zum bereits dritten Mal eine künstlerische Symbiose eingegangen. Im gemeinsamen Interview sprechen Klemens Lendl und Peter Rom über musikalische Querverweise, literarische Texte und die Umbrüche in der Gesellschaft.

kmm

Aller guten Dinge sind drei – zumindest bei der Kooperation zwischen dem Wienerlied-Duo Die Strottern und der renommierten JazzWerkstatt Wien. Was 2009 mit dem Album „Elegant“ begann und 2015 mit „Wo fangts an“ seine Fortsetzung feierte, geht jetzt mit „Sieben Zwetschken“ in die nächste Runde. Die Grundlage der künstlerisch spannenden Kooperation liegt auf der Hand – wenn die beiden Strottern Klemens Lendl und David Müller mit Geige und Violine an ihre Grenzen geraten, funkt man die Kollegen an, um ihren Wienerliedern ein anderes Genre beizufügen. Zusätzliche Instrumente wie Schlagzeug, Bass oder Saxofon ermöglichen zusätzliche Klangfarben, textlich setzt man gerne auf externe literarische Größen. Karl Stirner und Christian Tesak sind im Strottern-Kosmos bereits bekannt, Lukas Meschik oder die vielfache Literaturpreisträgerin Teresa Präauer transferieren ganz neue Sprachbilder in das musikalische Konglomerat. Die Zusammenarbeit zwischen den Strottern und der JazzWerkstatt war live präsent – das Wiedersehen im Studio daher kein mühsames Zueinanderfinden.

Texte geben die Musik vor
„Wir haben über die Jahre schon alles Mögliche ausprobiert und die Zusammenarbeit ist eine schöne auf Augenhöhe“, schwärmt JazzWerkstatt-Gitarrist Peter Rom im gemeinsamen Gespräch mit der „Krone“. Strottern-Sprachrohr Klemens Lendl bläst ins selbe Horn. „Wir könnten mit dem, was wir bisher gemacht haben, auch locker noch ein paar Jahre weiterspielen, aber man will auch wieder etwas Neues machen. Da kommt dir eine musikalische Idee, die du mit der JazzWerkstatt ausfüllen willst, dort flattert plötzlich ein Text daher, der für uns ideal ist.“ Nicht zuletzt die Landls und Müllers penible Herangehensweise an die Texte sorgt dafür, dass das Veröffentlichungstempo eher gemütlich gehalten ist. „Ein guter Text gibt die Musik vor. Wir sind da sehr heikel und deshalb dauert alles relativ lange. Für mich ist das Texten oder das Finden des richtigen Textes die halbe Arbeit.“ Neun Musiker mit unterschiedlichen Talenten und Ansichten verbinden sich zu einem Amalgam der künstlerischen Freude – gewürzt mit Anspruch und charmantem Witz.

„Zu zweit bleiben wir immer in der Andeutung“, so Lendl, „mit der JazzWerkstatt können wir ganz viel ausspielen, was uns allen irrsinnig viel Freude bereitet.“ Textlich werden - wie immer – Dinge in Relation gesetzt, entkräftet und hinterfragt. „Es geht um die Gleichzeitigkeit der Dinge und darum, zwei oder drei oder gar vier Meinungen zu einer Angelegenheit haben zu dürfen. Ich finde das wichtig und für diese Haltung kämpfen wir. Wir alle müssen wieder lernen, zuzulassen. Eine Meinung ist am Ende des Tages auch nur eine Annäherung an eine mögliche Wahrheit.“ Das Zulassen von etwas anderem gilt auch in der Musik, wie Gitarrist Rom betont. „Es ist doch ein schöner Gedanke, zwei scheinbar widersprechende Elemente gleichzeitig zuzulassen – wie eben Wienerlied und Jazz. Wir haben selbst bei uns innerhalb der JazzWerkstatt viele verschiedene Farben, die sich Bahn brechen. So überlegen wir bei den literarischen Texten sehr genau, welches Instrument die Persönlichkeit und den Inhalt am besten begleiten kann.“

Platz für Deutungsmöglichkeiten
Für die Jazzmusiker ist die Fusion mit den Strottern auch insofern interessant, als man sich normalerweise nicht mit Texten auseinandersetzen muss. Die Strottern wiederum genießen den musikalischen Austausch. „Mein Grundgefühl ist, dass mir eigentlich alles um drei Nummern zu groß ist“, lacht Lendl, „aber darum geht es ja nicht. Beide Parteien bringen etwas mit, was die jeweils andere nicht hat und auf eine ganz unprätentiöse Art und Weise schaffen wir es, diese Welten zu verbinden.“ Die Rätselhaftigkeit mancher Texte kommen Lendl zupass, weil sie Deutungsmöglichkeiten schafft und aktuelle Strömungen wie den Verlust des Diskurses oder alternative Wahrheiten mit zeitlosen Sprachschätzen vermengt. „Die Nachrichtenlage ist schon eine Zeit lang ziemlich unbequem“, so Rom, „alles ist im Umbruch und das geht an niemandem von uns spurlos vorüber.“ Für Lendl ist das von ihm selbst getextete Intro „An die Kunst“ ein „verzweifeltes Festhalten“.

„Einerseits geht es darum, dass Kunst und Kultur und das tiefe Empfinden von Dingen der Schlüssel dafür sind, dass wir als Menschen zu einem sinnvollen Zusammenleben finden können. Auf der anderen Seite sind da auch Ärger und Frust, dass all das nicht geholfen hat, da zu sein, wo wir sein sollten – obwohl wir so schöne Gedanken hatten. Als Künstler ist man immer im Dilemma, dass alles, was man macht, ein bisschen für die Fische ist – dann aber auch wieder nicht.“ Der Albumtitel und der dazugehörige Song „Sieben Zwetschken“ animieren ebenfalls zum Nachdenken. „Es geht darum, dass man diese Dinge wohin mitnimmt. Aber was sind die sieben Zwetschken für mich? Was definiert sie? Sind sie materiell oder ideell? Gehören sie mir oder sind sie nur ausgeborgt? Dahinter steckt auch die Frage, was einen als Mensch ausmacht. Wir wollen in der Musik eine Atmosphäre darstellen, die keine Lösung anbietet, sondern zum Nachdenken anregt. Wir wollen Türen aufmachen und sie nicht schließen.“

Release-Show in Wien
Die „Sieben Zwetschken“ präsentieren die Strottern und die JazzWerkstatt Wien am 23. September im Wiener Porgy & Bess. Karten sind noch erhältlich.

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