Fußfessel-Abfuhr

Elsner rief Ehefrau Ruth an: “Reg dich nicht auf”

Österreich
21.09.2010 16:33
"Reg dich nicht auf. Sag der Familie Bescheid." Mit diesen Worten verkündete Ex-BAWAG-Direktor Helmut Elsner seiner Frau Ruth am Dienstagvormittag, dass er in nächster Zeit doch nicht dank einer elektronischen Fußfessel zu ihr ins Penthouse in der Wiener City zurückkehren kann. Von "Psychokrieg" und einem "absurden Theater" sprach die verzweifelte 53-Jährige danach. Dass der Haftrichter Österreichs prominentestem U-Häftling den Hausarrest verwehrte, sorgte indes auch in der Politik für Unmut.

Keine Fußfessel, sondern weiterhin U-Haft, entschied Richter Christian Böhm am Dienstvormittag am Landesgericht für Strafsachen in Wien. Für ihn wog die Fluchtgefahr schwerer als das "gelindere Mittel eines elektronisch überwachten Hausarrests". 

Ehefrau Ruth Elsner erfuhr vor dem Wiener Landesgericht, umringt von Presseleuten, davon und zeigte sich "bitter enttäuscht". Vor der Verhandlung hatte sie sich noch zuversichtlich gegeben: "Ich warte seit vier Jahren darauf, meinen Mann endlich wieder zu umarmen und zu Hause zu haben. Wir sind mit allem einverstanden, auch dass er die Wohnung gar nicht verlassen darf." 

Nach der Hiobsbotschaft sprach sie von einem "absurden Theater", von einem "Psychokrieg": "Die Fluchtgefahr ist doch eine lächerliche Ausrede!" Marie-Therese Kinsky, die Tochter Elsners, war mit ihr vor Ort und ebenso "enttäuscht und traurig". 

Ruth Elsner will Richter sprechen und Fall neu aufrollen
Ruth Elsner kündigte an, ihren Mann am Mittwoch in der Haft zu besuchen und die weitere Vorgangsweise abzuklären - die wohl gewohnt kämpferisch ausfallen wird: "Ich werde auch den Richter persönlich aufsuchen. Ihn fragen, warum er den Hausarrest abgelehnt hat. Das ist ja für einen normalsterblichen Mitteleuropäer nicht zu verstehen. Dass man jemand verrecken lassen will, das gehört doch nicht ins 21. Jahrhundert!"

Die Anwälte Helmut Elsners, Jürgen Mertens und Karl Bernhauser, werden – wie berichtet - gegen die Entscheidung berufen, somit liegt der Ball einmal mehr beim Oberlandesgericht. Außerdem erstattete man erneut Anzeige gegen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner und deren Kabinettschef Georg Krakow, im BAWAG-Verfahren beide als Richterin und Staatsanwalt tätig. Man orte eine "politische Entscheidung zugunsten Flöttls". "Elsner will nicht flüchten, er will aufklären!", so seine Anwälte.

Aus diesem Grund hat man auch Anzeige in den USA gegen Wolfgang Flöttl wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche erstattet und sich auf die Suche nach den verschwundenen BAWAG-Geldern gemacht. Ruth Elsner erhebt schwere Vorwürfe: "Flöttl hat gelogen und falsche Belege gebracht. Wie kann es sein, dass ein so mächtiger Justizapparat wie der österreichische nicht in der Lage war, solche Dinge zu recherchieren?" Man habe ein Gutachten erstellen lassen, "das sollte für ein Wiederaufnahmeverfahren (des BAWAG-Verfahrens, Anm.) reichen", gibt sich Ruth Elsner angriffslustig.

Kritik an Fußfessel-Gesetz von der Opposition
Dass Elsner bis auf Weiteres im Gefängnis bleiben muss, hat am Dienstag auch politische Reaktionen ausgelöst. Grüne, FPÖ und BZÖ kritisierten die Entscheidung bzw. das ihr zu Grunde liegende Gesetz der Regierung. "Wenn selbst dem kranken Elsner der elektronische Hausarrest wegen Fluchtgefahr verweigert wird, sind kaum Anwendungsfälle für Untersuchungshäftlinge denkbar. Das Projekt elektronische Fußfessel wird von der Justiz nicht angenommen, das zeigt die negative Entscheidung um Elsner", meinte der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser.

Steinhauser sieht dringenden Handlungsbedarf: "Wir müssen jetzt schnell prüfen, warum es kaum zur Anwendung des elektronischen Hausarrests kommt (von den ersten 100 Anträgen wurden erst zwei bewilligt, Anm.). Entweder passen die gesetzlichen Rahmenbedingungen oder die gewählten technischen Lösungen nicht." Er kündigte an, Druck auf Bandion-Ortner machen zu wollen, "damit das eingesetzte Steuergeld beim Hausarrest auch die vom Gesetzgeber gewünschten Ergebnisse bringt".

FPÖ und BZÖ stößt "teuerstes System" sauer auf
"Wofür hat die Justizministerin die Möglichkeit der Fußfessel eingeführt, wenn diese jetzt im bestmöglichen Fall nicht genützt wird?", fragte sich BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler. Zuerst habe die Regierung "die höchst vernünftige Fußfessel-Regelung beschlossen", dann sei "hinterfragenswerterweise das absolut teuerste System" angeschafft worden, "um die Fußfessel jetzt nicht anzuwenden. Das ist Justizpolitik Marke Schilda", so Stadler.

"Der heutige Richterspruch zur Causa Elsner macht klar, dass die elektronische Fußfessel für den U-Haft-Bereich offenbar nicht in Frage kommt", meinte wiederum der FPÖ-Abgeordnete Harald Stefan. Es stelle sich nun die Frage, wie nun die von Bandion-Ortner angekündigte Entlastung des Strafvollzuges funktionieren solle. Kritik kam auch am Fußfessel-Modell selbst. Das Argument des Justizressorts, die Kosten seien egal, weil es geht um Sicherheit, erscheine mehr als fragwürdig, wenn dann erst recht nicht auf die Funktionsweise des neuen Gerätes vertraut werde. "Warum wurde der teuerste Anbieter, mit der Argumentation der Sicherheit, gewählt, wenn trotzdem 'Fluchtgefahr' im Fall Elsner zur Ablehnung geführt hat?", fragte sich Stefan.

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