Fall Hadishat

Robert K. „Ich weiß, dass in mir etwas Böses ist“

Wien
09.02.2020 06:00

Seine Tat gilt als eine der grauenhaftesten des vergangenen Jahrzehnts: 2018 tötete der damals 16-jährige Robert K. in Wien ein Nachbarsmädchen - Hadishat (7). Jetzt wird ihm erneut der Prozess gemacht. „Ich weiß“, sagt er, „dass in mir etwas Böses ist.“

Wenn Robert K. am 13. Februar - einen Tag vor seinem 18. Geburtstag - abermals der Prozess gemacht wird, werden die Geschworenen eine schwierige Frage zu beantworten haben: War sich der Schüler der Tragweite seines Handelns bewusst, als er im Mai 2018 in der Wohnung seiner Eltern in Wien-Döbling Hadishat (7), ein Nachbarsmädchen, auf bestialische Weise getötet hat? Oder ist er völlig verrückt?

Bei seiner ersten Verhandlung im Dezember 2018 sind sich zwei psychiatrische Sachverständige - Peter Hofmann und der mittlerweile verstorbene Werner Gerstl - in ihren Diagnosen über den gebürtigen Tschetschenen uneins gewesen; der OGH hatte deswegen das damalige Urteil (13 Jahre Haft plus Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher) aufgehoben und eine Obergutachterin, Kathrin Sevecke, bestellt, die den Burschen nach umfangreichen Analysen letztlich zwar für hochgradig gestört, aber zurechnungsfähig hält.

„Nachts sehe ich Leichen und Monster“
Der (noch) 17-Jährige – was berichtet er jetzt über seine Tat, was über sein Ich? Seine Gedanken scheinen sich hauptsächlich um Computergames zu drehen; um die Figuren darin. Die er als Freunde oder Feinde bezeichnet – oder als Alter Egos von sich selbst.

Seit er sechs war, sagt er, habe er täglich bis zu acht Stunden vor seinem PC verbracht; und später dann auch noch gleichzeitig dazu auf seinem Handy und auf dem iPad gespielt. „Ich liebe ,Death Note‘. Darin will ein Junge die Welt retten. Er schreibt in ein Notizbuch Namen, und die Betreffenden sterben an Herzversagen oder bei Unfällen. Und ich mag ,One Piece‘. Wenn mein Anime Teufelsfrüchte isst, bekommt es übernatürliche Kräfte. Es kann dann das Böse aufhalten. Das gefällt mir. Denn ich bin immer auf der guten Seite.“

„Es gibt auch nette Geschöpfe um mich“
Und außerdem erzählt Robert K. von Horror-Gestalten, die ihn – meist nachts – besuchen und auf ihn einreden würden: Leichen, Dämonen, Monster. „Aber es gibt auch nette Geschöpfe um mich.“ Beim Sport hätte ihn von klein an „eine riesige violette Schabe namens Khazix“, beim Spazierengehen „eine große Katze, sie heißt Rengar“, beschützt. Wirklich sicher fühle er sich allerdings lediglich in Gegenwart seiner Freundin Antonia – die freilich ebenfalls nur in seiner Fantasie existiert. „Antonia ist mit mir aufgewachsen. Sie hat blond-goldene lange Haare und rot-grüne Augen.“

Mit ihr habe er Ausflüge gemacht, „auf den Kahlenberg oder an die Donau, und wir gingen in Fast-Food-Restaurants essen oder schwimmen. Sie hat häufig bei mir daheim im Bett übernachtet, zuerst haben wir uns nur aneinandergekuschelt; später hatten wir sogar Sex miteinander. Sie war auch bei Familienfesten dabei. Doch außer mir hat sie nie wer bemerkt.“

„Mit 14 sollte ich meinen Vater töten“
Was spricht er über seine Eltern? Sein Vater sei süß und kuschelig wie ein Pandabär: „Trotzdem, er hat mich ein paar Mal geschlagen. Mit 14 bin ich mit einem Messer an seinem Bett gestanden, eine Stimme wollte, dass ich ihn töte.“ Seine Mutter bezeichnet er als „einen gütigen Vogel“. Und sein Bruder? „Er ist wie ein Kalb, man muss sich um ihn kümmern.“

Wie sieht sich Robert K. selbst? „Ich bin eine Marionette, die Fäden ziehen kann, aber an der auch Fäden gezogen werden.“ Er besitze die Fähigkeit, sich angepasst zu verhalten: „Ich mache anderen Menschen Komplimente, damit sie sich öffnen und mir ihre Schwächen zeigen. Ich höre ihnen zu, ich gebe ihnen Ratschläge. Ich tue das, weil ich gemocht werden will. Dennoch, ich bin tatsächlich empathisch. Ich mag nämlich nicht, wenn jemand leidet.“ Und der Bursch spricht über Suizid-Ideen: „Seit Ewigkeiten überlege ich, mir die Pulsadern aufzuschlitzen.“

Was sagt er über sein Verbrechen an Hadishat, die – wie er – tschetschenische Wurzeln hatte? „Wir kannten uns gut, ich mochte sie. Sie hat mich zu Hause besucht, wollte Eis, ich gab ihr eines. Sie setzte sich dann zu mir auf die Couch, und wir sahen uns zusammen ein Spielevideo – „Escapest“ – auf meinem iPad an. Es geht darin darum, dass man aus einem Gefängnis ausbrechen muss. Es waren starke Szenen, und ich war deshalb angespannt.“

Er sei damals, neben Antonia, in zwei – real existierende – Mädchen verliebt gewesen, wofür er sich schäme – „weil sie ja jünger als ich, erst ungefähr 13, waren“.

„Hörte Stimme Gottes oder die des Dämons“
Zum Tatablauf gibt er nun an: „Plötzlich hörte ich die Stimme Gottes oder die des Dämons, sie befahl mir, Hadishat zu würgen – und schließlich, dass ich sie mit einem Messer schneiden soll. Die Stimme hat mir auch noch nachher genau gesagt, was ich zu tun habe.“ Robert K. deponierte die Leiche des Mädchens in einem Mistkübel seiner Wohnhausanlage, „bei allem, was ich machte, fühlte ich mich sicher. Weil mich ja die Stimme leitete.“

Zudem erklärt er: „Ich bin mehrere Personen gleichzeitig. Ich habe psychopathische, böse, schizophrene, aber auch normale Teile. Das ist unangenehm für mich. Weil dauernd macht ein Teil etwas, das ein anderer nicht will, und ein weiterer gibt dazu Kommentare ab.“ Und der Bursch sagt auch: „Ich weiß nicht, ob ich irgendwann gesund werden kann.“

Robert K.s Zukunft? Egal, wie kommende Woche sein Urteil ausfällt – er wird vermutlich sein ganzes weiteres Leben hinter Gittern verbringen. Ohne jemals wieder seine Familie zu sehen. Mit seinen Eltern und seinem Bruder hat er bloß – selten – brieflichen Kontakt; sie alle wurden längst weit weg, an einem geheimen Ort im Ausland, untergebracht. Aus Sicherheitsgründen. Denn nach der Wahnsinnstat des ehemaligen Musterschülers hatten Tschetschenen Blutrache geschworen.

50.000 Euro Kopfgeld sind nach wie vor auf den Burschen ausgesetzt. Robert K. ist damit der am besten bewachte Häftling Österreichs.

Ermordet - „damit werde ich einfach nicht fertig“
Hadishats Mutter wird bei Robert K.s Verhandlung nicht im Gerichtssaal sein: „Sein Anblick würde meine seelischen Wunden noch größer machen.“ Den Tod ihres Kindes zu überwinden, sei für sie „ohnehin unmöglich. Wäre meine Tochter bei einem Unfall oder an einer Krankheit gestorben, dann könnte ich es wahrscheinlich irgendwie schaffen, mich mit ihrem Tod abzufinden. Aber zu wissen, dass sie ermordet wurde - damit werde ich einfach nicht fertig.“

„Er ist ein potenzieller Serienkiller“
Denn ständig sind sie da, „diese fürchterlichen Gedanken daran, welch entsetzliche Qualen Hadishat in den letzten Minuten ihres Lebens erleiden musste“. Die Frau wird von Anwalt Nikolaus Rast vertreten: „Selbst das härteste Urteil wird den Schmerz meiner Klientin nicht kleiner machen. Doch feststeht: Der Täter darf nie wieder in Freiheit kommen. Denn ich bin mir sicher: Er ist ein potenzieller Serienkiller.“

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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