"Viele Arigonas"

Wien: Tausende demonstrierten gegen Asylpolitik

Österreich
02.07.2010 09:43
In Wien haben am Donnerstagabend Tausende unter dem Motto "Genug ist genug" für eine menschenwürdige Fremdenpolitik demonstriert. Stellvertretend wurde das sofortige Bleiberecht für die kosovarische Familie Zogaj gefordert, aber, so hieß es in einem Redebeitrag: "Es gibt viele Arigonas." Die Polizei schätzte die Teilnehmer auf etwa 7.000, die Veranstalter sprachen von bis zu 20.000 Personen.

Die genaue Zahl der Teilnehmer dürfte sich zwischen den Schätzungen der Behörden und der Organisatoren bewegen. Auf jeden Fall waren weit mehr Menschen erschienen als etwa bei den Studentendemonstrationen vor gar noch nicht so langer Zeit.

Die Kundgebung vor der Hofburg wurde von zahlreichen Prominenten und auch amtierenden und ehemaligen Politikern unterstützt. Unter anderem lieferte auch der oberösterreichische Pfarrer Josef Friedl, der die Familie Zogaj jahrelang betreute, einen Redebeitrag. Der frühere SPÖ-Minister Rudolf Scholten appellierte an Innenministerin Maria Fekter: "Nicht Gnade oder Milde ist gefragt, sondern Gerechtigkeit und Vernunft. Tun Sie das Vernünftige."

"Danke, Mitzi!"
Hunderte hatten Transparente mit Botschaften wie "Kinder abschieben macht Kinder kaputt", "Was lange gärt, wird endlich Wut" oder auch schlicht "Danke, Mitzi!" mitgebracht. Sprechchöre gab es keine, dafür waren vereinzelt Vuvuzelas zu hören.

Die Kundgebung verlief laut Polizei friedlich und gänzlich ohne Zwischenfälle. Arigona Zogaj selbst war nicht anwesend. Sie bedankte sich telefonisch für die Unterstützung und verfolgte die Demo per Internet-Stream, wurde den Teilnehmern ausgerichtet.

"Flucht ist kein Verbrechen"
Der Musiker Willi Resetarits forderte die Loslösung der Integrationsagenden aus dem Innenressort: "Das Fremdenrecht und Asylrecht wird alljährlich verschärft. Es ändert sich zum Schlechteren. Ändern wir die Dinge, die schief laufen. Auf uns kommt es nämlich an, nicht auf die Zauderer, Zyniker und Zündler, die waren lange genug am Wort. Wir brauchen niemanden, der Menschen gegeneinander aufhetzt", so Resetarits. Weiters meinte er: "Machen wir uns stark für faire und rechtsstaatliche Asylverfahren, denn Flucht ist kein Verbrechen."

Von der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek wurde mangels Videowall nur eine Audiobotschaft übertragen. Sie verlas dabei einen ihrer Texte für Arigona Zogaj. Einen Bühnenauftritt hatte der Rapper Fuchs MC mit seinem Lied "Nichts gegen Ausländer, aber". Er erklärte: "Meiner Meinung nach sollte Fekter ein Praktikum bei Ute Bock machen, damit sie auch einmal die andere Seite kennenlernt."

Die frühere ÖH-Vorsitzende Barbara Blaha sagte: "Wenn Gesetze an der Menschlichkeit vorbeigehen, dann ändern wir sie doch. Schließlich ist Österreich das Land der Anlass-Gesetzgebung."

Breite Kritik an Fekter zum zweiten Amtsjubiläum
Bereits vor der Kundgebung hatte es zahlreiche Appelle und Forderungen an die Regierung und Kritik an Innenministerin Fekter gegeben, die am Donnerstag ihre zweijähriges Amtsjubiläum feierte. Dabei erneuerte sie ihre Forderung an den Koalitionspartner SPÖ nach einer Internierung von Asylwerbern. Verteidigungsminister Norbert Darabos erklärte daraufhin, dass sich seine Partei um eine verfassungskonforme Lösung bemühen werde, merkte aber gleichzeitig an, die SPÖ müsse die ÖVP "im sensiblen Asylbereich immer wieder auf den Boden der Verfassung zurückführen".

Die Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun erneuerte in einer Aussendung ihre Forderung nach einem eigenen Intergrationsressort in der Regierung. Der Innenministerin gehörten diese Agenden entzogen. "Zu Ausländerpolitik fällt Fekter nur 'Abschieben' ein", dafür wolle die Innenministerin die Fremdenpolizei aufstocken, kritisierte Korun. Wenn es um die Integration der hier lebenden Menschen gehe, herrsche aber "absoluter Stillstand".

Kardinal Christoph Schönborn forderte am Nachmittag in einer Aussendung einen humanitären Aufenthaltstitel für bestens integrierte Flüchtlingsfamilien in Österreich. Neben der medial vielbeachteten Familie Zogaj gebe eine ganze Reihe weiterer bestens integrierter Familien, die darum kämpfen würden, im Land bleiben zu können. Hier müsse Österreich einen besseren Weg finden als bisher.

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