Bond oder Bauer?

“Alpha Protocol”: Wirklich packendes Agenten-Rollenspiel

Spiele
05.07.2010 09:42
Ganz Gentlemen wie James Bond oder doch eher der Brutalo wie Jack Bauer? Beide sind Geheimagenten, ihr Stil ist jedoch gänzlich anders. Ob der Gamer eher in die Fußstapfen des einen oder doch lieber die des anderen tritt, bleibt ihm im Agenten-Action-Rollenspiel "Alpha Protocol" selbst überlassen. Spaß macht jedenfalls beides!

Mann, der Schädel brummt. Wo bin ich hier – und vor allem, wie bin ich hierhergekommen? Das denkt sich Michael Thorton, seines Zeichens Held des Games, gleich zu Beginn von "Alpha Protocol". Er erwacht nämlich in einem abgeriegelten Labor. Zudem will ihm eine Stimme über den Lautsprecher weismachen, dass er irgendetwas mit dem Absturz einer Passagiermaschine zu tun hat. Das darf doch alles nicht wahr sein – Michael muss hier raus.

Just zu diesem Zeitpunkt meldet sich eine nette Dame über den PDA und erklärt Thorton, dass sie ihm gerne bei der Flucht behilflich wäre. Ob er das eher auf leisen Sohlen oder mit einem lauten Wumms tun will, solle er ihr mitteilen, sie leite dann den Rest in die Wege. Und schon steckt der Gamer mittendrin in einem herrlichen Spiel, dessen Story nur so vor Intrigen und wilden Wendungen übergeht. Michael entkommt in dieser ersten Mission natürlich, nur um festzustellen, dass es sich dabei um den letzten Test handelte, nach dem er als Geheimagent für die Top-Secret-Organisation "Alpha Protocol" die Schurken dieser Welt jagen soll.

Laut oder leise?
Auf den Missionen spielt sich "Alpha Protocol" dann wie ein klassischer 3rd-Person-Spionage-Shooter: infiltrieren, Patrouillen aus dem Hinterhalt abmurksen, Informationen sichern und Ziele ausschalten. Natürlich kann sich der Protagonist dabei leise oder eher laut und mit brachialer Gewalt seinen Weg durch das Gelände bahnen, mehr Spaß verspricht jedoch eindeutig die subtilere Variante. Leider kann Thornton dabei nicht das volle Terrain ausnutzen: Etwa das Überklettern von Hindernissen ist nur an vorgegebenen Punkten möglich. So steht man immer wieder vor niedrigen Objekten, die für den Super-Agenten unüberwindbar sind. Schade.

Die Umgebung reagiert dabei aber natürlich auf die Aktionen Thortons, und so kommt es schon vor, dass immer wieder der Alarm losgeht und der Geheimagent dann von einem gesamten Stützpunkt gejagt wird. Dem wirkt der Spieler am besten entgegen, indem er das laute Geplärre am verursachenden Kästchen mit einem Minigame wieder abstellt. Überhaupt heißt es unterwegs immer wieder Terminals zu hacken oder Türen aufzubrechen – jeweils mit einem anderen kleinen, aber kniffligen Spielchen. Für jede geglückte Aktion gibt es dabei übrigens dem Rollenspielgedanken entsprechend Erfahrungspunkte.

Diese münden dann natürlich in kontinuierlichem Level-Aufstieg, wobei Thorton mit allerhand Spezialfähigkeiten ausgestattet werden kann. So lernt er etwa Schlagkombinationen für den Nahkampf, eine Art Zeitlupenfunktion für das Zielen mit der Pistole oder wie er sich beim Schleichen quasi unsichtbar macht. Für eine Unmenge an Waffen ist übrigens auch gesorgt. Der Spieler findet unterwegs Granaten und alle möglichen Knarren, die im Laufe des Spiels modifizert und aufgerüstet werden können. Alternativ kauft er seine Ausrüstung zwischen den Missionen. Hier besorgt er übrigens auch Zusatzinformationen zu den Aufträgen, den Protagonisten und involvierten Organisationen, was der Spieltiefe unglaublich gut tut.

Wer die Wahl hat, ...
Eine der größten Stärken des Game ist aber sicherlich die große Entscheidungsfreiheit und die daraus resultierenden Konsequenzen. Denn je nachdem, wie der Held mit den unterschiedlichen handelnden Personen umgeht, ändert sich der Verlauf der Geschichte. Bei den Kollegen von der Agency, die Thorton während seiner Einsätze aus der Ferne unterstützen, ändert sich damit übrigens nicht nur die Story.

Fällt Thorton etwa bei der reizenden Mina, die ihm aus seiner Anfangsmisere geholfen hat, mit patzigen Antworten auf, verliert er bei ihr an Ansehen. Dafür erhält er aber einen Bonus auf die Regeneration seiner Fähigkeiten im Kampf. Ist er hingegen nett zu ihr, so gibt es einen Bonus auf die Ausdauer des Helden. Das Dialogsystem ist dabei jenem in "Mass Effect" nachempfunden. Allerdings müssen hier alle Antworten unter Zeitdruck gegeben werden, was den Spieler immer wieder ins Schwitzen bringt.

... hat die Qual
Vor Entscheidungen wird der Spieler aber nicht nur zwischen den Missionen gestellt. Bereits in einer der ersten Missionen hat er etwa die Wahl, ob er Wachen am Eingang einfach niederschießt und damit schon vor dem Betreten der Unterkunft eines berüchtigten Waffenhändlers Wirbel schlägt, oder diese lieber einfach überredet, ihn hineinzulassen. Ebenso gibt es später die Wahl, Widersacher zu töten oder eben am Leben zu lassen und sie als Informanten zu behalten. Hier heißt es meist genau abzuwägen, denn die getroffene Wahl ist unumkehrbar und wirkt sich mit Sicherheit auf den weiteren Verlauf aus.

Ein kleines Manko muss man "Alpha Protocol" leider im Bereich der Grafik attestieren: Immer wieder stechen unschöne, matschige Texturen ins Auge. Im Leveldesign herrscht hingegen Abwechslung pur. Der Spieler findet sich einmal in der Wüste Saudi-Arabiens, dann wieder in den Straßen Moskaus oder in der Villa eines Mafioso wieder – langweilig wird das nie. Soundtechnisch ist das Spiel ordentlich gemacht, wenn auch keine besonderen Highlights hervorstechen.

Fazit: Ein Rollenspiel im Agenten-Gewand - kann das funktionieren? Oh ja, es kann. "Alpha Protocol" schafft es dank einer starken Geschichte und der großen Wahlfreiheit im Spiel, den Gamer sofort in seinen Bann zu ziehen. Die filmisch inszenierten Zwischensequenzen und die Masse an Hintergrundinformation sowie die Gespräche mit den In-Game-Charakteren dienen dabei nur noch zur weiteren Verdichtung der Atmosphäre. Leider hat Entwickler Obsidian etwas beim Grafik-Budget gespart und auch im Gameplay ein paar Patzer zugelassen. Es wäre doch schön gewesen, beim Schleichen durch die Levels doch wirklich einen eigenen Weg finden zu können und nicht erst wieder auf von den Programmieren ausgetretenen Pfaden wandeln zu müssen. Trotzdem: "Alpha Protocol" macht fast alles richtig!

Plattform: PC (getestet), Xbox 360, PS3
Publisher: Sega
krone.at-Wertung: 9/10

von Stefan Taferner

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