Demokratie-Defizite

Die Ära Wladimir Putin: 20 Jahre an der Macht

Ausland
30.12.2019 13:24

Mit dem Rücktritt von Boris Jelzin am 31. Dezember 1999 avancierte Wladimir Putin zu seinem Nachfolger als russischer Präsident. Viermal ist er seit damals im Amt bestätigt worden. Russland hat sich in seiner Ära drastisch verändert: Der zuvor bankrotte Staat stabilisierte sich und Putin machte sein zunehmend autoritär regiertes Land erneut zu einem Faktor der Weltpolitik.

Offiziell steht Wladimir Putin zwar in Summe erst 16 Jahre an der Spitze des russischen Staates, doch auch jene vier Jahre, in denen er zwischen 2008 und 2012 formal als Ministerpräsident unter seinem Vertrauten Dmitri Medwedew als Präsident fungierte, werden ihm in der Regel zugerechnet: Die Person Putin gilt als realpolitisch relevanter als das von ihm ausgeübte Amt.

Vor 20 Jahren hatte dies noch anders ausgesehen. Bevor ihn Präsident Jelzin im August 1999 als Nachfolger „gecastet“ und zum Chef der russischen Regierung ernannt hatte, war der vormalige KGB-Offizier, Petersburger Bürokrat, Kreml-Mitarbeiter sowie Kurzzeit-Geheimdienstdirektor der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Putin galt als öffentlichkeitsscheu, damalige Auftritte wirkten holprig.

Startvorteil bei erster Wahl
Jelzins vorzeitiger Rücktritt machte Premier Putin laut der russischen Verfassung automatisch zum amtsführenden Staatsoberhaupt und sorgte für einen massiven Startvorteil bei den folgenden Präsidentschaftswahlen. Am 26. März 2000 reüssierte Putin bereits im ersten Wahldurchgang mit einer absoluten Mehrheit.

Glück hatte der neue Präsident mit externen Wirtschaftsfaktoren: In seiner ersten Amtszeit bis 2004 stiegen die Öl- und Gaspreise sukzessive, in seiner zweiten Amtszeit bis 2008 explodierten sie förmlich. Rohstoffexporte sorgten dafür, dass Milliarden Dollar in das Land sprudelten und die vormalige Dauerkrise des russischen Staatshaushalts Geschichte war. Ermöglicht wurden damit auch positive Veränderungen in den russischen Millionenstädten, die in den 90er-Jahren einen eher traurigen Eindruck vermittelt hatten.

110 Dollar-Milliardäre in Russland
Außer Zweifel steht, dass die Wirtschaftspolitik der Ära Putin für eine äußerst ungerechte Verteilung von Vermögen sorgte: Laut der kürzlich veröffentlichten Studie „Global Wealth Report 2019“ besitzen die zehn reichsten Prozent der Russen 83 Prozent des gesamten Haushaltsvermögens im Land. „Diese hohe Konzentration von Reichtum wird auch durch den Umstand widergespiegelt, dass wir trotz eines bescheidenen Durchschnittsvermögens von 110 Dollar-Milliardären in Russland ausgehen“, schrieben die Autoren.

Ihren politischen Einfluss haben Russlands Superreiche, oftmals auch „Oligarchen“, genannt, indes weitgehend verloren. Nachdem einer der seinerzeit reichsten Russen, Michail Chodorkowski, ohne Sanctus des Präsidenten politische Ambitionen gezeigt hatte, verschwand er 2003 wegen angeblicher Steuer- und Wirtschaftsverbrechen für zehn Jahre ins Gefängnis.

Keine Opposition im Parlament
Aber nicht nur die Superreichen, auch die politische Landschaft steht unter wachsender Kontrolle des Kreml. Bereits in Putins erster Amtszeit wurden die großen Fernsehsender des Landes politisch gleichgeschaltet. Seit 2003 fehlen in der russischen Staatsduma tatsächlich oppositionelle Fraktionen. Geblieben sind Parteien, die „systemische Opposition“ genannt werden und die ihr Verhalten in grundsätzlichen Fragen mit der Kreml-Administration akkordieren. Vertreter der „nicht-systemischen Opposition“ werden indes in Russland mit Hilfe von Strafverfolgungsbehörden und auch Geheimdiensten bekämpft.

Parallel zu autoritären Tendenzen im eigenen Land ging Putin seit seiner zweiten Amtszeit aber auch auf einen außenpolitischen Konfrontationskurs mit dem Westen und insbesondere den USA. Im August 2008 intervenierte Russland militärisch in der an EU und NATO orientierten früheren Sowjetrepublik Georgien und brachte zwei Provinzen der ehemaligen Sowjetrepublik unter seine Kontrolle. 2014 ließ Putin die Ukraine angreifen: Nach der Annexion der Halbinsel Krim brachen russische Staatsbürger einen Krieg im Osten der Ukraine los, der bisher 13.000 Menschenleben forderte.

Seit Herbst 2015 engagiert sich Russland zudem militärisch im syrischen Bürgerkrieg und sorgte dafür, dass der vom Westen heftig kritisierte Präsident Bashar al-Assad die Kontrolle über große Teile des Landes wieder zurückgewinnen konnte. Hatte es in den 90er-Jahren keine relevante Rolle mehr gespielt, verwandelten diese militärischen Einsätze Russland erneut in einen wichtigen Player der Weltpolitik.

Auch vor diesem Hintergrund setzt Putin selbst auf intensive außenpolitische Kontakte. Das betrifft nicht nur China, dem in den vergangenen Jahren eine erhöhte Aufmerksamkeit Russlands galt, sondern auch manche westliche Länder.

Besondere Kontakte nach Österreich
Ein besonderes Augenmerk legte der Deutsch sprechende Putin dabei auch auf Österreich: Im Februar 2018 führte er intensive Gespräche mit dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Moskau, im Juni kam er auf Arbeitsbesuch nach Wien, im August beehrte er gar die Hochzeit der damaligen Außenministerin Karin Kneissl in der Steiermark.

2020 dürfte Putin auf Einladung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Salzburger Festspiele besuchen. Ein Treffen der beiden Staatsoberhäupter könnte es aber bereits zuvor in der russischen Hauptstadt geben: Putin hat Van der Bellen eingeladen, am 9. Mai 2020 die Feiern zum 75. Jahrestag des sowjetischen Siegs über Nazideutschland zu besuchen. Putin zeigte jedenfalls in den vergangenen Wochen ein besonderes Faible für die Geschichte seines Landes. Vergangene Siege sollen die Größe des heutigen Russland unterstreichen.

Ein Ende der Ära Putin ist nicht abzusehen. Der derzeit 67-Jährige erfreut sich guter Gesundheit, seine aktuelle Amtsperiode läuft noch bis 2024. Für eine weitere Verlängerung im Amt des Präsidenten bedürfte es zwar einer Verfassungsänderung, die er aber ohne Probleme bewerkstelligen könnte.

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