Brisantes Irak-Video

22-jähriger Soldat als Army-Maulwurf verhaftet

Ausland
08.06.2010 12:12
Ein pensionierter Hacker hat den mutmaßlichen Maulwurf in der US-Armee verpfiffen, der im April geheime Videoaufnahmen eines blutigen Irak-Einsatzes an das Webportal "WikiLeaks" übergeben hat. Militär-Ermittler haben den erst 22 Jahre jungen IT-Techniker Bradley Manning auf seinem Dienstposten im Irak verhaftet und auf eine US-Basis in Kuwait gebracht. Brisant: Neben dem Video soll Manning noch im Besitz von mehr als 260.000 internen Diplomaten-Nachrichten gewesen sein. "Hillary Clinton bekommt einen Herzinfarkt, wenn das veröffentlicht wird", erklärte Manning dem Hacker Adrian Lamo.

Manning soll Lamo, der mit seinen Cyber-Einbrüchen bei Microsoft, Yahoo und der "New York Times" Berühmtheit erlangte und jetzt als freier Journalist und IT-Konsulent arbeitet, als Idol verehrt haben. Nachdem das Video des Hubschrauber-Einsatzes im Irak, bei dem US-Soldaten mehrere unbewaffnete Zivilisten und einen Fotografen der Nachrichtenagentur Reuters töteten, weltweit Schlagzeilen machte, nahm Manning zu Lamo Kontakt auf.

Das mit der Bordkamera des angreifenden Apache-Hubschraubers aufgenommene Video zeigt, wie die Besatzung eine Gruppe Iraker in Bagdad ins Visier nimmt, weil sie offensichtlich Aufständische unter ihnen vermutet. Dann eröffnet sie das Feuer auf die Gruppe. "Guck' dir diese toten Bastarde an", sagte einer Piloten anschließend. Der andere antwortet: "Hübsch." Nach dem ersten Angriff des Hubschraubers kommt ein Kleinbus, um die Toten und Verletzten zu bergen. Auch dieser wird von dem Kampfhubschrauber beschossen.

Afghanistan-Video und 260.000 Diplomaten-Memos
Nach Informationen des renommierten US-Magazins "Wired" hat sich Manning gegenüber dem prominenten Ex-Hacker damit gebrüstet, die geheimen Videoaufnahmen an WikiLeaks weitergereicht zu haben. Außerdem berichtete Manning, er habe ein weiteres Video eines umstrittenen Kampfeinsatzes der US-Armee an WikiLeaks weitergeben. Dabei handelt es sich um den sogenannten Luftangriff von Garani in Afghanistan, bei dem 2009 zwei Tonnen schwere Fliegerbomben und in der Luft detonierende Sprengkörper abgeworfen wurden, obwohl bekannt war, dass sich Zivilisten im Zielgebiet aufhielten. Es gab mehr als 100 zivile Todesopfer, darunter Dutzende Kinder. Die US-Armee gestand Fehler ein, weigerte sich aber, die Videoaufnahmen herzuzeigen. Weiters habe Manning der Website den "Wikileaks-Akt" der Armee zukommen lassen, in dem das Militär die Website als Gefahr für die nationale Sicherheit einstuft.

Die größte Brisanz haben jedoch 260.000 interne Diplomaten-Nachrichten, die Manning aus einer Militär-Datenbank herausgefischt haben will. "Hillary Clinton und Tausende andere Diplomaten auf der ganzen Welt würden einen Herzinfarkt bekommen, wenn dieses Material an die Öffentlichkeit gerät", soll der 22-Jährige zu seinem Idol gesagt haben. Aus der Diplomaten-Korrespondenz würde sich die unter Verschluss gehaltene, wahre Außenpolitik der USA ergeben – "verpackt in einer durchsuchbaren Datenbank".

Ob "Wikileaks" tatsächlich in Besitz der Memos steht, ist nicht bekannt. Auf der Website wurde im vergangenen Februar jedoch interne Unterlagen und Protokolle eines Treffens von US-Diplomaten mit der isländischen Regierung veröffentlicht, die aus dem Sammelsurium Mannings stammen sollen.

Mit Lady Gaga größtes Datenleck der Geschichte vorbereitet
Manning war als IT-Techniker bei der Army beschäftigt und hatte Zugriff auf die vom herkömmlichen Internet abgekoppelten Militär-Server. Viel "hacken" musste er nach eigenen Angaben nicht. "Du gehst mit einem CD-Rohling mit der Aufschrift 'Lady Gaga' rein, löscht die Musik runter und brennst Daten rauf. Das fällt dort niemandem auf. Die Sicherheitsvorkehrungen sind extrem schwach", schrieb Manning in einem Chat mit Lamo. "Ich bewegte die Lippen zu Lady Gagas 'Telephone', während ich mir das Material für das größte Datenleck in der amerikanischen Geschichte herausfilterte."

Lamo sagte gegenüber "Wired", er habe tagelang damit gehadert, was er mit den Informationen anstellen sollte. Als ihm Manning dann von den Diplomaten-Nachrichten erzählte, habe er schließlich den Entschluss gefasst, den 22-Jährigen zu verraten. Lamo verständigte die US-Armee und die Bundespolizei FBI und übergab den Ermittlern E-Mails und Chat-Protokolle. Kurze Zeit später wurde der auf einer US-Basis im Irak Dienst versehende Manning verhaftet. 

Hacker: "Es waren Leben in Gefahr"
Sein Vorgehen - Lamo hat nach eigenen Angaben noch nie einen "Hacker-Kollegen" verraten – rechtfertigt der vorbestrafte Cyber-Prominente mit seiner Sorge um Mannings Verhalten. "Ich hätte es nicht getan, wenn nicht Leben gefährdet worden wären", sagte er. Manning "war in einem Kriegsgebiet und hat dort versucht, sich so viel vertrauliche Dokumente wie nur möglich zu beschaffen, um sie dann überall herumzureichen", kritisierte Lamo.

Manning sei "ein guter Junge". "Er ist da aber in etwa hineingeschlittert, das für ihn einfach ein paar Nummern zu groß ist", meinte Lamo. Der 22-Jährige wird von Army-Ermittlern derzeit in Kuwait festgehalten und wartet auf die Anklageerhebung.

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