Nach Airbus-Absturz

“Wunderkind von Tripolis” zurück in den Niederlanden

Ausland
15.05.2010 14:54
Jener verletzte niederländische Bub, der als einziger den Flugzeugabsturz in Tripolis mit 103 Toten überlebte, ist am Samstag in seine Heimat zurückgekehrt. Der neunjährige Ruben, der bei dem Unglück am Mittwoch seine Eltern und seinen Bruder verloren hat, landete in einer Spezialmaschine der libyschen Regierung auf dem Militärflugplatz von Eindhoven. Er habe den Flug gut überstanden, teilte ein Behördensprecher mit.

Der Bub wurde von dem Militärflugplatz in einem Notarztwagen mit abgedunkelten Fenstern in ein Spezialkrankenhaus gebracht. "Wir haben noch eine schwere Zeit vor uns. Und wir hoffen, dass die Medien unsere Privatsphäre respektieren", hieß es in einer Erklärung der Angehörigen. "Die gesamte Familie wird sich um Rubens Zukunft kümmern."

Dank an libysche Klinik ausgesprochen
Zugleich dankten Rubens Angehörige in der vom niederländischen Außenministerium verbreiteten Erklärung den Ärzten und Krankenschwestern des El-Khadra-Krankenhauses in Tripolis für die ärztliche Behandlung und die Betreuung. "Das medizinische Team war fantastisch und sehr professionell." Auch die vielen Botschaften des Mitgefühls aus den Niederlanden und Libyen hätten Ruben und seinen Angehörigen sehr geholfen.

Erst einen Tag zuvor war der von Medien als "Wunderkind von Tripolis" bezeichnete Bub am Krankenbett von seiner Tante und seinem Onkel über den Tod seiner Eltern Trudy und Patrick sowie seines elfjährigen Bruders Enzo informiert worden. "Wir haben Ruben heute früh ganz genau erklärt, was passiert ist. Er weiß, dass seine Eltern und sein Bruder gestorben sind", berichteten Rubens Tante und Onkel, die extra nach Tripolis gereist waren.

Inmitten der Trümmer lebend geborgen
Der Bub war nach dem Absturz der libyschen Passagiermaschine am Mittwoch an seinen Sitz geschnallt inmitten der Trümmer des Airbusses A330-200 geborgen worden. Ruben verlor viel Blut und erlitt mehrere Beinbrüche, die in einer viereinhalbstündigen Operation behandelt wurden. Sein Zustand sei derzeit aber stabil, sagte der orthopädische Spezialist Sadiq Bendala. Er mache bereits erste Fortschritte. Viele Faktoren hätten zu seinem Überleben beigetragen, unter anderem auch sein Sitzplatz. "Gott hat es wohl so gewollt. Er wollte, dass er noch länger lebt", sagte Bendala.

"Ich kann mich nicht erinnern"
In sein Krankenzimmer im Al-Chadra-Krankenhaus strömten in den letzten Tagen zahlreiche Besucher: Neben Seif al-Islam al-Gaddafi, Sohn von Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi, suchten auch viele Fotografen und Kameraleute den Buben auf. Reporter von der Zeitung "De Telegraaf" konnten mit Ruben sogar ein kurzes Telefongespräch führen. "Ich weiß nicht, wie ich hierhergekommen bin, ich kann mich nicht erinnern", sagte demnach der Neunjährige. "Ich will nur weg. Ich will gewaschen und angezogen werden und dann weg."

Kritik an den vielen Besuchern im Krankenhaus gab es am Freitag aus den Niederlanden: Nach dem umstrittenen Telefon-Interview mit Ruben hat seine Heimat gefordert, den Zugang zu dem Kind zu beschränken. Abgesehen von medizinischem Personal sollen nur mehr Angehörige zu dem Buben vorgelassen werden. Mitschüler von Ruben sowie Ärzte und Behörden in Tilburg bereiten indes bereits alles für seine Rückkehr vor. 

Zwei Österreicher unter den Toten
Indes teilte das Außenministerium mit, dass sich unter den 103 Toten nicht drei, sondern zwei Österreicher befinden. Bei den Getöteten handelt es sich um eine 70-jährige Frau und ihren ein Jahr jüngeren Ehemann, der die südafrikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, so das Außenministerium. Bei einem 38-jährigen Opfer nahmen die Behörden zunächst ebenfalls eine österreichische Herkunft an. Jetzt stellte sich laut Ministerium heraus, dass ein deutsch-südafrikanischer Doppelstaatsbürger starb, der den gleichen Namen trug wie ein in Südafrika lebender Österreicher.

Unterdessen meldete die Zeitung "Libya al-Yom", der Stimmenrekorder und der Flugdatenschreiber der Unglücksmaschine seien französischen Experten zur Auswertung übergeben worden. Der Airbus A330-200 war am Mittwochmorgen mit 104 Menschen an Bord beim Landeanflug auf die libysche Hauptstadt über einem leeren Gebiet abgestürzt und zerborsten. Berichte, wonach der Pilot den Tower in Tripolis kurz vor der Landung über einen technischen Defekt informiert haben soll, wurden von den libyschen Behörden bisher nicht bestätigt.

An Bord der Maschine der Fluggesellschaft Afrikijah Airways aus Johannesburg waren 93 Passagiere und elf Besatzungsmitglieder. Das niederländische Außenministerium geht davon aus, dass mindestens 70 Niederländer ums Leben kamen. Die Fluggesellschaft sprach von 66 holländischen Opfern sowie je 13 Südafrikanern und Libyern, vier Belgiern, zwei Österreichern sowie je einem Passagier aus Deutschland, Simbabwe, Frankreich und Großbritannien. Die Nationalität eines Opfers ist noch unklar.

Fluglinie erst im Jahr 2001 gegründet
Es war der erste schlimme Unfall einer Maschine dieser Gesellschaft, die nach Angaben der Europäischen Agentur für Flugsicherheit mit Sitz in Köln mehrere Sicherheitstests bestanden hatte. Laut der Website von Afriqiyah Airways verfügt das Unternehmen über eine Flotte von Airbus-Flugzeugen. Die Fluglinie wurde im April 2001 gegründet und begann ihren Betrieb mit fünf geleasten Maschinen. Bei einer Luftfahrtmesse in Paris 2007 wurde ein Vertrag über den Kauf von elf neuen Airbus-Maschinen unterzeichnet.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt