Besuch bei Merkel
Kurz: „Die letzten Tage haben der EU geschadet“
Schwere Kritik am jüngsten Entscheidungsprozess in der EU übt ÖVP-Chef und Altkanzler Sebastian Kurz während seiner Visite in Berlin am Donnerstag bei Kanzlerin Angela Merkel und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sowie am Freitag bei seinem Treffen mit der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „So etwas darf nie wieder passieren. Die letzten Tage waren ein unwürdiges Schauspiel und haben dem Image der EU schwer geschadet.“
Kurz unterstützt voll und ganz die CDU-Kollegin Ursula von der Leyen, „aber Entscheidungsprozesse sollten transparent sein“. Besonders empörend findet der Altkanzler den „Deal von Osaka“, wo Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Merkel beschlossen hatten, den führenden EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber fallen zu lassen zugunsten des SPE-Spitzenkandidaten Frans Timmermans.
Video: EU-Staats- und Regierungschefs einigten sich auf Personalpaket
„Froh, dass Timmermans verhindert wurde“
Der ÖVP-Chef wird deutlich: „Ich bin froh, dass Timmermans verhindert wurde. Er war auf dem zweiten Platz, und es hätte einen Linksruck bedeutet, besonders was die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit betreffen würde.“
Kurz möchte auf eine EU-Reform hinarbeiten, die künftig das Spitzenkandidatenprinzip verankert: „Wir müssen wirklich aufpassen, dass die EU nicht von den Wählern wegrückt.“
Bei seinem Treffen mit CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer betonte Kurz einleitend die Bedeutung Deutschlands als unser Nachbar: 240.000 Auslandsösterreicher leben in Deutschland (umgekehrt 200.000 Deutsche bei uns); das Handelsvolumen beträgt 100 Milliarden Euro, davon 44 Milliarden österreichische Exporte; 14 Millionen deutsche Touristen besuchen jährlich Österreich.
Kramp-Karrenbauer, die von Merkel das Parteiamt übernommen hatte, würde der Kanzlerin normalerweise als Spitzenkandidatin bei der nächsten Bundestagswahl folgen, wären ihre Umfragewerte besser. Es gibt innerparteiliche Opposition gegen sie, die in der Person von Friedrich Merz für einen Schwenk nach rechts eintritt (Merkel hatte zu Beginn ihrer Karriere in der Nachfolge von Helmut Kohl ihren Konkurrenten Merz aus der Politik verdrängt).
Kramp-Karrenbauer will, um freie Hand zu behalten, jedenfalls nicht in die mit Kritik belastete Regierung eintreten - schon gar nicht als Nachfolgerin von Ursula von der Leyen, da das Verteidigungsministerium als Schleudersitz gilt.
Die CDU verliert in zwei Richtungen - zu den Grünen und in Richtung AfD. Kramp-Karrenbauer will die Brücke schaffen: Klimaschutz ja, aber mit wirtschaftlicher Vernunft und ohne den Industriestandort Deutschland, die Hauptquelle der Jobs, zu gefährden. Deutschland hat im Hinblick auf die Klimaziele eine doppelte, selbst gesetzte Energieaufgabe zu bewältigen: Ausstieg aus der Atomkraft und zugleich Ausstieg aus der Kohlekraft.
Abendeinladung im Springer-Verlag
Den ersten Besuchstag schloss eine Abendeinladung im Hause des Springerverlags für Kurz und Begleitdelegation ab. Anwesend waren neben Springer-Chef Mathias Döpfner, weiteren Verlagsmanagern und Journalisten die CDU-Spitzenpolitiker Jens Spahn und Friedrich Merz, Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel sowie Medienmanager Hans Mahr.
Kurt Seinitz, Kronen Zeitung
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