„Gold & Grey“

Baroness: Die Quadratur des musikalischen Kreises

Musik
18.06.2019 07:00

Was sich in den letzten Jahren bereits schleichend angekündigt hat, ist nun Gewissheit: die US-Band Baroness ist mit ihrem fünften Studioalbum „Gold & Grey" kurz davor, endgültig an die Spitze der amerikanischen Rock- und Metalszene zu kommen. So vielseitig, ehrlich und breitflächig wie nie zuvor exerzieren John Baizley und Co. ihre Auffassung von Gitarrenmusik ohne Berührungsängsten. Live zu sehen sind Baroness im Herbst an der Seite von Volbeat in Wien.

(Bild: kmm)

Vor zwölf Jahren veröffentlichten die amerikanischen Stilverweigerer Baroness mit dem „Red Album“ ihr erstes Werk und zu dieser Zeit war noch nicht einmal annähernd absehbar, welch qualitative Quantensprünge die Combo rund um Frontmann John Baizley einmal machen würde. Suhlte sich die Band aus dem sumpfigen Georgia anfangs noch im ortsüblichen Sludge Metal, entwickelten sich die Musiker und damit einhergehend auch der Sound im Rekordtempo. Die streng nach Farben betitelten Werke waren schon früh nicht mehr untereinander zu vergleichen. Alternative Rock, Progressive Metal, Doom-Referenzen - es gab nichts, was im großen Klangkosmos von Baroness keinen Platz fand. Als kleinster gemeinsamer Nenner der letzten Jahre kann definitiv der Hang zu klassischem US-Metal und Experimentierfreudigkeit in den Vordergrund gerückt werden, denn Baroness mögen alles sein, aber gewiss nicht redundant.

Vielseitiges Zwischenspiel
Vier Jahre ließ Baizley seine Fans nun warten, bis dieser Tage mit „Gold & Grey“ endlich das heiß ersehnte fünfte Studioalbum erschien. Nach einer bunten Farbpalette nun also ein leichtes Abrücken mit Ansage, musikalisch verbinden Baroness aber nicht nur all die verschiedenen Phasen ihrer bisherigen Karriere, sondern schrecken auch nicht davor zurück, sich kompositorisch noch weiter aus dem Fenster zu lehnen. Mehr denn je zuvor vermischen sich eruptive Ausbrüche wie auf „Seasons“ mit zurückgelehnten, fast schon apathischen Songs á la „Emmett-Radiating Light“ oder „Cold Blooded Angels“, welche die Band so sanftmütig und nachdenklich wie nie zuvor zeigen. Das Zwischenspiel aus Aggression und Melancholie, aus wieherndem Metal und zurückgelehnter Chillout-Atmosphäre zieht sich wie ein roter Faden durch die 17 Songs, die den Hörer für mehr als eine Stunde in Beschlag nehmen, ohne aber ein Doppelalbum zu sein. Ein bewusst gesetztes Zeichen gegen den Trend der immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspannen und für kreative Ausweitung.

Die Vielseitigkeit des Albums beschreibt Baizley treffend: „Unser Ziel war und ist es stets, noch tiefergehende, ehrliche und intensive Songs zu schreiben und mit jedem Album einen einzigartigeren Sound zu erschaffen, der uns selbst herausfordert.“ Zu den größten Veränderungen gehört vor allem das wiederentdeckte Teamwork, das Baroness auf „Gold & Grey“ zu einem neuen Level verhilft. 2012 durchlitt die Band auf Tour einen dermaßen schweren Busunfall, dass aus verschiedensten Gründen wenig später nur mehr Baizley in der Band übrigblieb. Der kämpft noch heute mit den Folgen komplizierter Armbrüche und psychischen Problemen, hat sich 2013 aber Bassist Nick Jost und Drummer Sebastian Thomson in die Band geholt. Die waren beim 2015er Streicher „Purple“ noch Songwriting-Passagiere, haben sich dieses Mal aber intensiv in den Songwritingprozess eingebaut. „In Millionen Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, mit solch großartigen Musikern zusammenzuspielen.“ Leadgitarristin Gina Gleason vervollständigte 2017 das aktuelle Line-Up. Sie brachte bereits Erfahrungen vom Cirque du Soleil und den Smashing Pumpkins mit.

Gegen den Fluss
Einmal mehr spielt auch „Gold & Grey“ auf all die prekären Lebenssituationen Baizleys, seine Krankheiten und Unsicherheiten im Leben an. Im Vergleich zu „Purple“ sind Sound und Texte aber wesentlich lebensbejahender ausgefallen, was mit Sicherheit auch der Verarbeitung des tragischen Unfalls geschuldet ist. Im Gespräch mit der „Krone“ verwendet Baizley für den neuen Sound eine Metapher. „Wenn du in einem großen Fluss voller Klänge schwimmst, gibt es hinter dir Musik, an die du vorbeigezogen bist und vor dir welche, die du noch hören willst. Wir hingegen versuchen die Musik zu kreieren, die in dem Fluss erst gar nicht vorkommt.“ Im gegenwärtigen Fall bedeutet das auf „Gold & Grey“ vor allem, dass sich Baroness an der epischen Note von „Yellow & Green“ und der Verletzlichkeit des „Purple“-Albums bedient haben, um sich nun so reif, allumfassend und spannend wie noch nie zuvor zu präsentieren. „Ich habe für diese Band nur zwei Befürchtungen. Erstens, wir werden so kommerziell, dass es jeden langweilt und zweitens, wir verheddern uns in unserer eigenen Experimentierfreudigkeit. Solange diese Dinge nicht passieren, ist bei Baroness alles möglich.“

So mutig und dennoch eingespielt wie nie zuvor findet man auf dem opulenten Werk sogar Ansätze von Jazz, sanfte Trip-Hop-Anleihen und altherkömmliche Space-Rock-Referenzen, die Baizley möglicherweise auch aus Nostalgiegründen nicht komplett ad acta legen möchte. Zum Album sprach der Zampano von der bislang klarsten künstlerischen Vision seiner Karriere, die er zu seiner eigenen Überraschung auch möglichst perfekt umsetzen konnte. Man hört ein Glockenspiel, Pianos, Synthesizer und althergebrachtes Rockband-Instrumentarium, dazu halten sich kopfnickende Eingängigkeit und dissonante Ausbrüche über die ganze Spielzeit gesehen angenehm die Waage, ohne zu sehr zu langweilen oder zu verstören. Pink Floyd, Neurosis, Massive Attack und der unlängst verstorbene Scott Walker waren die Künstler, an denen sich Baizley dieses Mal orientiert hat. „Wenn ich all das auf ein Wort zusammenbrechen müsste, dann würde ich sagen, wir wollten einfach etwas Kaleidoskopischeres machen als es uns bislang gelang.“

Live in Wien
Selbst überzeugen von den unglaublichen musikalischen Fähigkeiten der weltweit gepriesenen Baroness kann man sich am 17. November in der Wiener Stadthalle. Dort spielen sie im Vorprogramm der Dänen-Rocker Volbeat. Karten und weitere Infos gibt es unter www.ticketkrone.at.

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