Abschiebung droht

Behörde zweifelt an Srebrenica-Aufdecker

Österreich
03.02.2010 11:19
Das Bundesasylamt will dem als einen der Aufdecker des Massakers von Srebrenica bekannt gewordenen Serben Jovan Mirilo keinen Aufenthalt gewähren. Die Behörde bezweifelt nämlich, dass der mit dem "Bruno-Kreisky-Preis für Menschenrechte" ausgezeichnete Mann tatsächlich Videobeweise für das Massaker an 8.000 bosnischen Moslems ans Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesendet hat. Das Gutachten, auf das sich der Abschiebe-Bescheid für Mirilo und seine Familie stützt, ist aber höchst umstritten. Amnesty International spricht von Rufmord.

Durch die Veröffentlichung des sogenannten Srebrenica-Videos habe Mirilo "eine wichtige Nachdenkphase und interne Diskussion innerhalb der serbischen Gesellschaft angestoßen", begründete die Jury beim Kreisky-Preis 2007. Mirilo selbst bezeichnete den Preis als "Hoffnung für alle in Serbien, die meine Meinung teilen". Aus Serbien sei er geflohen, weil "unser Leben nicht mehr sicher war", sagte er damals. 

Der 45-jährige Mann aus Sid in der Vojvodina hat im Jahr 2005 ein Video kopiert, mit dem serbische Soldaten die von ihnen begangenen Morde an rund 8.000 bosnischen Moslems in Srebrenica dokumentierten, und es über Umwege an das Kriegsverbrecher-Tribunal weitergeleitet. Weltweit erhielt er dafür Anerkennung.

Mit späteren Kriegsverbrechern aufgewachsen
Mirilo war nach eigenen Angaben mit Mitgliedern der ehemaligen serbischen Polizei-Spezialeinheit "Skorpione" aufgewachsen, die für die Erschießung verantwortlich ist. Dadurch wusste er, dass Material existierte. Einem Jugendfreund soll die Kamera gehört haben, mit dem das Video gedreht wurde. Dieser verwaltete das filmische und fotografische Material der "Skorpione" und gab Mirilo auch das Band, der es dann nach eigenen Angaben an die Leiterin des Belgrader Menschenrechtsfonds, Natasa Kandic, weiterleitete.

Die Zeit des Krajina-Konflikts verbrachte der Kriegsdienst-Verweigerer laut eigenen Angaben in Deutschland, kehrte dann aber wieder nach Serbien zurück. Den Entschluss, das Beweismaterial Den Haag zukommen zu lassen, fasste Mirilo, als er einen der Todesschützen im serbischen Fernsehen in der Funktion als Präsident des nationalen Karpfenfischerverbandes auftreten sah. In dem Beitrag rief dieser die Jugend dazu auf, sich dem Angelverband anzuschließen, unter dem Motto: "Nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist." Auf dem Screbrenica-Video schoss dieser Mann einem 14-jährigen Burschen in den Rücken. "Das brachte das Fass zum Überlaufen", sagte Mirilo im Jahr 2005.

Asylamt stützt sich auf umstrittenes Gutachten
Doch beim Bundesasylamt glaubt man, dass Mirilo ein Schwindler ist und der Kreisky-Preis ihm aufgrund falscher Angaben verliehen wurde. Während der Konflikte soll er den "Skorpionen" nahe gestanden sein. Die Behörde stützt sich dabei laut einem Bericht des "Falter" auf ein anonymes Gutachten, das laut Amnesty International aber sämtliche Drohungen, die gegen Mirilo ausgestoßen wurden, unterschlägt und auch sonst qualitative Mängel aufwirft. Dass Mirilo in Serbien keine Gefahr drohe, stimme schlichtweg nicht. Es wird in dem Gutachten auch eine Skorpion-Tätowierung erwähnt, die Mirilo auf seinem Bauch haben soll. Das Papier sei dennoch "rechtsstaatlich zutiefst verwerflich", meint Amnesty. Mirilo sagt, er habe auch schriftliche Beweise für seine Beteiligung an der Video-Beschaffung.

Für den österreichischen Amnesty-International-Chef Heinz Patzelt begeht das Bundesasylamt Rufmord. Die Versuche, Mirilo zu kriminalisieren, würden aber jeder Grundlage entbehren. "Mirilo ist vielleicht kein Mahatma Ghandi, aber sicher ein Mensch, der zum richtigen Zeitpunkt eine sehr wichtige und richtige Entscheidung getroffen hat", meinte Patzelt gegenüber Ö1. Was immer er in den letzten 20 Jahren vielleicht getan habe, ändere nichts daran, dass er ein politischer Flüchtling sei, so Patzelt.

Das Innenministerium will die Causa nicht kommentieren. Nach dem negativen Bescheid der Erstinstanz liegt der Fall nun jedenfalls beim Asylgerichtshof, der die Ausweisung Mirilos, seiner Frau und seiner achtjährigen Tochter noch stoppen könnte.

BZÖ fordert von Fekter Untersuchung 
Das BZÖ fordert von Innenministerin Maria Fekter eine Aufklärung der Causa: "Wenn die Angaben von Jovan Mirilo stimmen, besteht an der Asylgewährung für ihn keinerlei Zweifel. Dann ist er ein klarer, um nicht zu sagen der klassische Fall für die Gewährung des Asylstatus in Österreich, denn in Serbien ist er offensichtlich seines Lebens nicht sicher. Fekter ist aufgefordert, die Angaben raschest und lückenlos zu überprüfen", so BZÖ-Menschenrechtssprecher Gerald Grosz.

Die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Alev Korun, bezeichnete den Abschiebebescheid am Mittwoch als Skandal. "Wenn jemand Beweismaterial für ethnische Säuberungen unter Einsatz seines eigenen Lebens an die Öffentlichkeit und sich damit selbst massiv in Gefahr bringt, ist es völlig inakzeptabel, dass ihm kein Schutz vor Verfolgung gewährt werden soll. Wenn so jemand kein Asyl bekommt, wer sonst soll es dann noch bekommen?", empörte sich Korun.

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