Spott und Schweigen

Kern-Rückzug: Schlussstrich unter rote Chaostage?

Österreich
06.10.2018 17:18

„Einen guten Roten erkennt man am Abgang“ - dieser bereits viel strapazierte Satz fiel jetzt auch beim Rücktritt von Christian Kern. Der bisherige SPÖ-Chef kehrt seiner Partei endgültig den Rücken, beendete am Samstag einen zweieinhalbwöchigen Rückzug auf Raten - und die damit verbundenen roten Chaostage. "Bedauerlich„ nennen die neue SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser den Rückzug von Christian Kern. Knapp fällt der Kommentar aus dem Burgenland aus: “Das Kapitel Christian Kern ist beendet." Bundespräsident Alexander Van der Bellen bedankte sich für Kerns Arbeit. Die FPÖ spottet und tritt noch einmal nach, die ÖVP sagt gar nichts.

Eigentlich hätte am Samstag der SPÖ-Parteitag in Wels stattfinden sollen. Auf dem Plan stand die Wiederwahl von Christian Kern und die Verabschiedung des neuen Parteiprogramms inklusive Statutenreform. Stattdessen hat Kern endgültig hingeworfen und der Partei den Rücken gekehrt (siehe Video unten).

In einer Erklärung verkündete er den vollständigen Rückzug aus der Politik. Er werde doch nicht als EU-Spitzenkandidat für die SPÖ ins Rennen gehen. „Für mich ist das ein Schlussstrich als Berufspolitiker“, so Kern. In der SPÖ hakt man das Kapitel Kern nun rasch ab. Die designierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner: „Ich möchte nun nach vorne schauen. Es ist Zeit, uns auf unsere politische Arbeit zu konzentrieren.“

Rendi Wagner würdigte allerdings auch Kerns Verdienste um die Sozialdemokratie. „Christian Kerns Rücktritt als Spitzenkandidat bei den EU-Wahlen ist sehr bedauerlich. Es ist aber seine persönliche Entscheidung, die selbstverständlich zu respektieren ist“, so Rendi-Wagner. Kern habe „die Partei geöffnet und modernisiert, dabei hat er sich große Verdienste um die Sozialdemokratie erworben“, streute sie ihrem Vorgänger Rosen.

Die SPÖ Burgenland sieht indessen „das Kapitel Christian Kern beendet“. „Mehr ist dazu nicht zu sagen“, kommentierte Landesgeschäftsführer Christian Dax am Samstag lapidar den Auftritt Kerns. SPÖ-Landesparteichef Hans Peter Doskozil wollte hingegen auf APA-Anfrage keine persönliche Stellungnahme zum Rückzug Kerns abgeben. Auch der steirische Parteivorsitzende Michael Schickhofer erklärte, er wolle nun „Schlussstrich“ unter die Ereignisse ziehen und mit Rendi-Wagner „an einer positiven Zukunft des Landes arbeiten“. Der Kärntner Landeshauptmann und SPÖ-Landesparteichef Peter Kaiser sagte, Kerns Entscheidung zum Rückzug aus der Politik sei „bedauerlich, aber zur Kenntnis zu nehmen“: „Seitens der SPÖ hätte man sich die Entwicklungen selbstredend anders gewünscht und anders vorgestellt.“

Van der Bellen bedankt sich: „Engagierter und kompetenter Politiker“
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen bedankte sich bei Kern im Namen der Republik für seine Tätigkeit als Bundeskanzler und als Chef der größten Oppositionspartei. Er habe Kern als „engagierten und kompetenten Politiker kennengelernt“, erklärte Van der Bellen am Samstag in einer Aussendung. Es verdiene Anerkennung, dass sich Menschen auch außerhalb der Politik - und sei es für begrenzte Zeit - für politische Tätigkeiten zur Verfügung stellen und so dem Gemeinwohl dienen, fügte das Staatsoberhaupt an.

FPÖ spottet über „peinliche Kurzvorstellung“
Kritik gab es von den Freiheitlichen. „Man sagt ja im Volksmund: Einen guten Roten erkennt man im Abgang. Aber auch der zweite Abgang ist dem roten Kern wahrlich nicht gut gelungen! Nichts ist so alt wie das SP-Kern-Posting vor zwei Wochen. Sich als Wähler auf die SPÖ zu verlassen, bedeutet von der SPÖ verlassen zu werden!“, spottete FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Facebook und postete einen Screenshot eines Kern-Postings, in dem dieser erklärte, nun „mit ganzer Energie“ als Europawahl-Erster kandidieren zu wollen.

„Mit seinem Rückzug von einer EU-Kandidatur öffnet Christian Kern den Vorhang für den letzten Akt der österreichischen Sozialdemokratie und beschließt damit eine der peinlichsten Kurzvorstellungen in der österreichischen Innenpolitik“, ließ auch FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky kein gutes Haar an der SPÖ. Der Freiheitliche schoss sich auch gleich auf den möglichen neuen SPÖ-EU-Spitzenkandidaten Andreas Schieder ein. „Der gescheiterte Wiener SPÖ-Bürgermeisterkandidat und abgesetzte SPÖ-Klubobmann Schieder hat bislang überhaupt kein europapolitisches Profil und soll nur von der neuen SPÖ-Führung ins Exil befördert werden.“

Mit Respekt gegenüber Kern reagierte hingegen NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. „Für sein Engagement gebührt ihm zu seinem Abgang Dank und ich wünsche ihm alles Gute für seine weitere Zukunft.“ Schweigend nahm man indessen bei der ÖVP den völligen Rückzug Kerns aus der Politik zur Kenntnis.

Auch wenn die neue SPÖ-Chefin nach Kerns Rückzug betont, dass man jetzt nach vorne schauen möchte: Ob die roten Chaostage für die SPÖ nun vorbei sind, bleibt vorerst offen. Am Sonntag trifft sich jedenfalls das Parteipräsidium zu einer Klausurtagung am Wiener Kahlenberg. Dort will man die jüngsten Turbulenzen besprechen.

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