Fall Dönmez

Was darf ein Politiker sagen und was besser nicht?

Österreich
05.09.2018 11:55

Das politische Sommerloch endete diese Woche abrupt, nachdem der einst grüne, dann türkise Abgeordnete Efgani Dönmez nach einem geschmacklos-sexistischen Tweet und nachfolgender wirrer Schein-Entschuldigung aus dem ÖVP-Parlamentsklub ausgeschlossen wurde. Ein „Signal der Mahnung“ an alle Funktionäre, wie ÖVP-Chef und Bundeskanzler Sebastian Kurz wissen ließ, eine „überzogene Entscheidung“, meint der nunmehr sogenannte wilde Efgani Dönmez.

Es ging bei der Affäre um Knie. Auf die Frage eines Users, wie die deutsche SPD-Staatssekretärin Sawsan Chebli denn zu ihrem Job gekommen sei, antwortete Dönmez mit zwinkerndem Smiley: „Schau dir mal ihre Knie an, vielleicht findest du da eine Antwort“, für viele Beobachter insinuierend, dass Chebli ihre Position sexuellen Handlungen zu verdanken habe.

Entgegen vieler Stimmen, die ein Schweigen des Kanzlers befürchteten, handelte dieser ungewöhnlich prompt und erstaunlich konsequent. „Alle hohen politischen Funktionsträger und Funktionsträgerinnen müssen sich dessen bewusst sein, dass sexistische, beleidigende Entgleisungen nicht akzeptabel sind“, heißt es in der Begründung für den Ausschluss und zeigt, dass der viel propagierte „neue Stil“ wohl doch ein Stück mehr ist als nur eine wohlklingende Worthülse.

Position des Politikers ist kein Selbstzweck
Die entbrannte Diskussion ist keine neue: Was darf ein Politiker sagen und was besser nicht? Gelten für Politiker andere moralische Standards als für das normalsterbliche Wählervolk? Ist ein auf Twitter veröffentlichtes Stammtischgeplänkel Grund genug für einen Rausschmiss aus dem Parlamentsklub?

Ja! Denn die machtvolle Position des Politikers ist kein Selbstzweck. Das hohe Gehalt bedingt eine hohe Verantwortlichkeit. Die Aufgabe eines Politikers erschöpft sich nicht nur in der Repräsentanz des Volkes und in der Mitgestaltung des Staates, sondern bringt auch eine gewisse Vorbildrolle und Sorgfaltspflicht der Worte mit sich. Mehrfach deutbare Anspielungen, die jemanden auch nur im Anschein persönlich beleidigen können, sind eines Politikers nicht würdig. Über die Versuchung eines plumpen Untergriffs des politischen Gegners muss ein Politiker erhaben sein.

Warum gibt es keinen Verhaltenskodex für Politiker?
Jeder Beruf, der mit einer höheren Verantwortungspflicht versehen ist, verpflichtet seine Mitglieder zu einem Verhaltenskodex. So ist für Ärzte klar geregelt, welche Veranstaltungen besucht werden dürfen und welche nicht, oder wie ein Anwalt seine Berufskollegen korrekt anzusprechen hat. Parteien steht es frei, sich selbst solche Standesregeln aufzuerlegen, einen generell gültigen Verhaltenskodex, einen moralischen Zollstab, nach dem sich jeder zu richten hat, gibt es für Politiker nicht.

Vielleicht wäre es an der Zeit, dass sich Politiker auch über die moralischen Ansprüche ihres eigenen Berufsbildes Gedanken machen und definieren, wo die Grenze von der politischen Stichelei zum unabdingbaren Ausschlussgrund verläuft. Offenbar gibt es da nämlich das ein oder andere Missverständnis.

Katia Wagner, Kronen Zeitung

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