Der letzte Weg

Sterbebegleiterin im Talk: “Niemand soll alleine sterben”

Kärnten
31.10.2009 19:49
Für Brigitte Messner hat der Tod keine Schrecken mehr. Seit 20 Jahren begleitet die Leiterin der mobilen Hospiz der Kärntner Caritas Menschen auf ihrem letzten Weg – der für viele oft deswegen so schwer ist, weil unsere Gesellschaft Sterben und Trauer immer mehr tabuisiert und sich verzweifelt an Kleinlichkeit klammert.

"Krone": Sie waren 27, als Sie als Sterbebegleiterin anfingen. Warum dieser Beruf?
Brigitte Messner: Weil es für mich eine Berufung ist. Ich glaube, dass wir in einem  Lebenskarussell sitzen – irgendwann beginnt es sich dann sehr schnell zu drehen. Und fast jeder braucht Hilfe, um das dann  in Würde und mit Lebensqualität zu meistern.

"Krone": Aber eine ungewöhnliche Arbeit für eine junge Frau.
Messner: Ich komme aus einer Großfamilie, drei Generationen vereint. Da waren Krankheit und Sterben normal, das gehört zum Leben eben dazu. Und ich bin dankbar, dass ich das so erfahren durfte.

"Krone": Vor unserem Interview starb einer Ihrer  Patienten. Wie werden Sie damit fertig?
Messner: Ich habe meine Rituale. die brauche ich. Als meine Mutti starb, habe ich ihr noch einmal Wimperntusche und Lippenstift aufgetragen. Sie hatte das gern. Für mich war das ein Zeichen meiner Wertschätzung im Tod, ein Abschied. Und das mache ich auch bei allen, die ich begleite.

"Krone": So schließen Sie ab.
Messner: Das muss ich. Jeder Tod bewegt mich – aber er belastet mich nicht. Sonst könnte ich das nicht ertragen.

"Krone": Wie schaut der Tod aus?
Messner: Das hängt vom Leben ab, das jeder geführt hat. Jeder blättert noch einmal in seinem Lebensalbum, zieht Bilanz, was gut gelungen ist, was nicht. Wie jemand gelebt hat, so stirbt er auch. Ein starker Mensch kämpft immer bis zum Schluss.

"Krone": Sie wirken sehr stark.
Messner: Ich hole mir die Stärke, die ich für meine Aufgabe brauche – beim Singen, Tanzen, bei der Freude über Margariten, die jetzt noch blühen! Und bei meinem persönlichen Glauben.

"Krone": Woran glauben Sie?
Messner: An einen Gott, der mich auffängt. An Seelen, die über den Tod hinaus für uns da sind. An Engel, wenn Sie es so nennen wollen. Ich spüre meine Mutti immer noch.

"Krone": Haben Sie Angst davor?
Messner: Vor dem Tod? Nein, nicht mehr. Am Anfang meiner Tätigkeit ja – jetzt ist da nur noch ein eigenartiges Gefühl, wenn ich an meine eigene Endlichkeit denke.

"Krone": Was kommt danach?
Messner: Die große Frage, die uns alle erfüllt... ich denke, etwas, das wir nicht in Worte fassen können.

"Krone": Zu Allerheiligen ist der Tod allgegenwärtig.
Messner: Sonst aber nicht. Das Thema wird so tabuisiert. Die Gesellschaft lässt auch keine Trauer mehr zu. Das macht es für Hinterbliebene oft so schwer. Da würde ich mir wünschen, dass man wieder offener damit umgeht.

"Krone": Was dafür offen angesprochen wird, ist Sterbehilfe.
Messner: Etwas, um das ich in 20 Jahren niemals gebeten worden bin. Niemals hat einer gesagt, bitte, gib mir eine Spritze, damit ich sterbe. Im Gegenteil: Jeder klammert sich an jede Sekunde Leben. Daher wünsche ich mir da keine Gesetzesänderung.

"Krone": Viele fürchten sich wohl vor den Schmerzen vor dem Ende.
Messner: Die bekämpft werden. Dafür sind wir da. Um jede Sekunde noch lebenswert zu machen. Mit Morphium, mit Zuhören, mit Dasein. Keiner soll alleine sterben.

von Kerstin Wassermann, "Kärntner Krone"

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