Die „Gelben Engel“

Retter, die vom Himmel kommen

Österreich
03.01.2018 13:28

Wenn die Triebwerke des Christophorus 9 aufheulen, zählt jede Minute: Dann benötigt ein Mensch Hilfe. Die "Krone" durfte die "Gelben Engel" begleiten.

Um 6.30 Uhr treffen Captain Gerold Hofbauer, Flugretter Harry Glück und Notärztin Dr. Julia Möller am Stützpunkt auf dem Dach des ÖAMTC-Mobilitätszentrums in Wien-Erdberg ein. Während die Piloten direkt beim ÖAMTC angestellt sind, stellt die Berufsrettung Wien die Flugretter und der Krankenanstaltenverbund (KAV) die Notärzte. Sofort beginnt die Crew damit, ihren Helikopter zu überprüfen. Der Pilot inspiziert das Fluggerät gründlich: "Ich bin für die Sicherheit aller an Bord verantwortlich. Da gibt's für mich keine Kompromisse." Parallel dazu gehen Harry Glück und Julia Möller ihre eigenen Checklisten durch: Sind alle Ampullen an ihrem Platz, sind die EKG-Akkus voll aufgeladen?

Anschließend ist Zeit fürs Frühstück. "Normalerweise kommt jetzt der erste Einsatz. Murphys Gesetz eben", schmunzelt der Flugretter. Doch heute hat die Crew Glück und kann fertig essen: "Man glaubt es kaum."

Dann, um 12.10 Uhr: Alarm! Die Leitstelle meldet eine bewusstlose Person im 21. Bezirk. Ein Rettungswagen befindet sich schon auf der Anfahrt. Zügig aber ohne Hektik ("Gelaufen wird nur in Action-Serien!") begibt sich die Besatzung zum Helikopter. Captain Hofbauer startet die Triebwerke, der Flugretter überwacht den Vorgang von außen. Dann steigt auch er ein. Nach insgesamt drei Minuten ist die EC 135 in der Luft.

Kurz vor der Landung der Funkspruch: "Christophorus 9 von Leitstelle, Ihr Einsatz ist storniert." Die Sanitäter am Boden haben festgestellt, dass der Patient keinen Arzt braucht. Doch noch während des Rückfluges zum Stützpunkt der nächste Notfall: "Christophorus 9, fliegen Sie Richtung 16. Bezirk, weitere Daten via Pager." Harry Glück quittiert den Auftrag, und Gerold Hofbauer ändert den Kurs.

Landung auf Exerzierplatz
An der angegebenen Adresse gibt es keinen Landeplatz für den Heli. Kurzerhand landet der erfahrene Flieger auf dem Exerzierplatz einer nahe gelegenen Kaserne - staunende Gesichter bei den Soldaten. Glücklicherweise reicht auch diesem Patienten der Krankenwagen für den Transport. Nach wenigen Minuten ist Christophorus 9 wieder gestartet und fliegt zum Stützpunkt.

Mittagessen. Kurz vor 14 Uhr wird das Team zu einer Reanimation gerufen. Und wieder gibt es keine Möglichkeit, vor Ort zu landen. Präzise setzt Gerold Hofbauer seine fliegende Notaufnahme auf einer Grünfläche neben der Fahrbahn auf. Seitenwind schüttelt den Helikopter durch, doch für den Profi am Steuerknüppel sind solche Situationen Routine. Ein Polizeiwagen bringt Ärztin und Sanitäter zu dem 73-Jährigen. Gemeinsam kämpften die Retter um das Leben des Mannes - leider vergebens. Es war der letzte Flug an diesem Tag. Der Pilot: "Das war heute eher ruhig, manchmal starten wir zehnmal pro Schicht."

Wie wichtig die Hilfe der "Gelben Engel" ist, erfuhr auch der "Krone"-Reporter unfreiwillig am eigenen Leib: Nach einem allergischen Schock vor einigen Jahren wurde er von der Crew von Christophorus 9 versorgt und ins AKH geflogen. Auch damals saß übrigens Gerold Hofbauer im Cockpit.

"Höchste Standards im Einsatzbetrieb"
"Krone": Herr Kraxner, Christophorus 9 flog im Jahr 2017 1675 Einsätze. Das ist eine enorm hohe Frequenz. Woran liegt das?
Reinhard Kraxner: Nun, dieser Hubschrauber deckt ein großes Gebiet ab. Er kommt direkt in Wien zum Einsatz, aber auch in Niederösterreich sowie dem Burgenland.

Wie viele Piloten sind aktuell bei der Flugrettung beschäftigt?
Aktuell haben wir 60 Piloten. Sie alle haben mehrere Tausend Stunden Erfahrung und mussten sich einem strengen Auswahlverfahren stellen. Außerdem finden regelmäßig interne Übungen und die gesetzlich vorgeschriebenen Simulatortrainings statt. Damit gewährleisten wir höchste Qualität im Flugbetrieb.

Daten und Fakten
Der ÖAMTC gilt neben der Flugpolizei des Innenministeriums als der Pionier in der heimischen Flugrettung. Der erste Christophorus-Helikopter nahm seinen Dienst im Jahr 1983 in Innsbruck auf. Aktuell werden österreichweit an 16 Stützpunkten 19 Maschinen des Typs EC 135 betrieben. Darunter befindet sich ein Intensivtransporthubschrauber. Im Jahr 2017 absolvierten die Hubschrauber des ÖAMTC insgesamt 18.251 Einsätze.

Seit 1. Jänner 2017 fliegt der in Krems stationierte Christophorus 2 auch in der Nacht Primäreinsätze. Damit ist dieses Rettungsmittel bundesweit der erste und bislang einzige zivile Notarzthubschrauber, der 24 Stunden am Tag einsatzbereit ist. Das vom Land Niederösterreich finanzierte Pilotprojekt läuft noch bis Ende 2018. Danach werden die Erfahrungen ausgewertet und über eine Verlängerung entschieden.

Patrick Huber, Kronen Zeitung

 krone.at
krone.at
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele