Berlin-Attentat

Verdächtiger Pakistani: “Die Polizei schlug mich”

Ausland
30.12.2016 07:10

Kurz nach dem blutigen Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember wurde der Pakistani Navid B. als erster Hauptverdächtiger der Öffentlichkeit präsentiert. Doch Navid B. konnte im Verhör nichts nachgewiesen werden und so wurde er wieder freigelassen. Nun hat der 24-Jährige in einem Interview mit dem britischen "Guardian" die Polizei bezichtigt, ihn beim Verhör geschlagen zu haben. Zudem sei er gefesselt worden. Seit seiner Freilassung stehe er in einer geheimen Unterkunft unter Polizeischutz, da er Angst um sein Leben habe.

Wie berichtet, hatte Navid B. hatte nach dem Anschlag eine Straße überquert, er wollte seine U-Bahn erwischen und rannte, weil ihm Autos entgegenkamen. Vorbeifahrenden Polizisten war er deshalb aufgefallen, sie überprüften seine Dokumente, nahmen ihn mit gefesselten Händen im Polizeiauto mit und verhörten ihn.

Navid B. wurden beim Verhör die Augen verbunden
Er habe nach seiner Festnahme die Augen verbunden bekommen, seine Hände waren in der ersten Nacht sogar noch hinter dem Rücken gefesselt. Dann sei er von einer Polizeiwache zu einer anderen gebracht worden. Dort wurde er entkleidet und es wurden Fotos gemacht. "Als ich mich weigerte, haben sie angefangen, mich zu ohrfeigen", sagte er dem "Guardian". Zwei Tage und eine Nacht, hätten ihm die Polizisten nur ungenießbare Kekse und kalten Tee gegeben. Er habe auf einem Holzbett ohne Matratze schlafen müssen. Schließlich wurde er nach den polizeilichen Ermittlungen freigelassen.

"Ich kann nicht einmal Auto fahren"
Außerdem habe es bei der Befragung Probleme gegeben. Navid B. kommt aus der Provinz Belutschistan, nach eigenen Angaben wird die Bevölkerung dort von religiösen Extremisten in Pakistan bedroht. Er spricht Belutschi, vor Ort sei allerdings kein Übersetzer gewesen, der seine Sprache konnte, lediglich Punjabi und Urdu, welche er nur mäßig beherrscht und versteht. Dies habe die Kommunikation mit den Beamten sehr erschwert. So sei er sich nicht sicher, ob der Übersetzer seine Antworten alle richtig verstand. "Ich habe ihnen gesagt, dass ich überhaupt nicht Auto fahren kann. Ich kann noch nicht mal ein Fahrzeug anlassen."

Der Asylwerber erklärte weiters, er sei nach Deutschland gekommen, um Hilfe zu suchen, und erhalte hier Essen, Arzneimittel und sei in Sicherheit. Navid floh seinen Angaben zufolge, weil er in seiner Heimat nach eigenen Angaben von religiösen Extremisten bedroht werde. Menschenrechtsgruppen gaben kürzlich an, dass in der Provinz Belutschistan islamistische Gruppen aktiv sind, darunter die Terrormiliz Islamischer Staat.

Angst um Familie in der Heimat
Nach den polizeilichen Ermittlungen sei Navid, der von Beruf Schäfer ist, in ein Hotel gebracht worden, später in eine geheime Unterkunft. Zwei Monate stehe er dort jetzt unter polizeilichem Schutz. Pakistaner oder deutsche Rechtsextremisten könnten ihn bedrohen. Er habe allerdings vor allem Angst um seine Familie, seine Eltern und neun Geschwister in der Heimat. Jeder kenne jetzt seinen Namen und sein Gesicht und wisse, dass er aus Belutschistan geflohen ist.

Nach seiner Festnahme habe seine Familie in Pakistan bereits Drohanrufe bekommen und sei von Sicherheitsbehörden kontaktiert worden. Seit seiner Verhaftung leide Navid B. an Schlafstörungen, nachts fühle er sich oft sehr einsam und ängstlich: "Man kann nie wissen, was sie meiner Familie antun könnten." Mittlerweile hoffe er nur, dass man eines Tages seinen Namen nicht mehr mit dem Berliner Attentat verbindet. "Gott sei Dank haben sie den Mann gefunden, der das getan hat."

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