Filzmaier analysiert

"Messias" Sebastian Kurz - und seine "neue" ÖVP

Österreich
25.06.2017 07:11

Sebastian Kurz wird Parteichef der ÖVP. Was ist daran neu? Viele glauben ja, dass er es bereits ist. Seine formale Wahl erfolgt jedoch erst nächstes Wochenende auf dem schwarzen Parteitag. Hier steht uns eine hollywoodreife Inszenierung bevor. Mit ein paar ebenso filmreifen Halbwahrheiten.

1. Der Bundesparteiobmann muss gewählt werden. Die meisten Vorstandsmitglieder ersparen sich das, weil sie mittels Funktion - etwa als Chefs der Landesparteien und Teilorganisationen - den Sitz im obersten Gremium sicher haben. Sie sind die wahrhaft Mächtigen und werden als Christdemokraten voller Harmonie verkünden, dass Kurz sozusagen der Messias wäre.

2. Der Außenminister muss also nicht um seine Wahl fürchten. Ein Gegenkandidat ist ähnlich unwahrscheinlich wie in Nordkorea. Er kann auf 99 Prozent Zustimmung hoffen. Das Neue ist, dass sich niemand von Anfang an am jahrzehntelangen ÖVP-Volkssport der Partei-Intrige gegen den eigenen Obmann beteiligen will.

3. Beim Lesen des Parteistatuts wird Kurz freilich entdecken, dass es nur im 44. von 72 Punkten um seine Kompetenzen geht. Vieles sind Leerformeln, wie dass er "Maßnahmen trifft, um ein Zusammenwirken aller in der ÖVP vereinten Kräfte zu sichern und die Wirksamkeit der Partei zu erhöhen". Aha.

4. Hinzu kommt die harmlose Zuständigkeit für Einladungen und, mit beratender Stimme bei Sitzungen dabei sein zu dürfen. Daher lässt sich Kurz für das Wahlprogramm und die Aufstellung von Kandidaten extra freie Hand geben. Das Ganze wird "Liste Sebastian Kurz - Die neue Volkspartei" genannt.

5. Das Image einer "Bewegung" ist trotzdem ein Etikettenschwindel. Kurz will die Parteistrukturen nutzen. Funktionäre und Förderungen sind seine Kriegskassa für die Wahl. 2016 bekam die ÖVP auf Bundesebene über sieben Millionen Euro Steuergeld, insgesamt fast 60 Millionen. So gesehen ist Kurz das Gegenteil zu Emmanuel Macron in Frankreich, der aus seiner Partei ausgetreten ist und dessen Kampagne fortan von Spendengeldern leben musste.

6. Nach Kurz werden übrigens erstmals im Reißverschluss auf der Liste abwechselnd eine Frau und ein Mann kandidieren. Gleichzeitig sollen - als Widerspruch in sich - jene ein Mandat erhalten, welche die meisten Vorzugsstimmen haben. Glaubt die ÖVP ernsthaft, dass exakt je 50 Prozent Männer und Frauen personenbezogen die meisten Stimmen bekommen?

7. Natürlich nicht. Die Ausgewogenheit nach Geschlecht ist sofort nach der Wahl wieder Geschichte. Es geht um einen nicht neuen Mobilisierungs-Gag. Kein Kandidat soll im Wahlkampf zu wenig Einsatz zeigen, weil er einen sicheren oder aussichtslosen Listenplatz hat. Kurz hat sein Handwerk offenbar in Niederösterreich gelernt, wo die Volkspartei das schon lange und auch erfolgreich macht.

Peter Filzmaier für die Kronen Zeitung

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