Bestialische Bluttat

Brisanter Endbericht zum Mord am Brunnenmarkt

Österreich
18.07.2017 17:46

Wenn einer Bluttat der Begriff bestialisch zugeordnet werden kann, dann wohl jener vom Wiener Brunnenmarkt. Der tragische Tod von Maria E. lässt auch mehr als ein Jahr nach dem sogenannten Eisenstangen-Mord - die "Krone" berichtete ausführlich - die Wogen hochgehen. Das damals 54-jährige Opfer, eine fleißige und beliebte Reinigungskraft, war in jener verhängnisvollen Nacht gemeinsam mit einer Kollegin auf dem Weg zur Arbeit, als der Täter zuschlug. Francis N. griff zu einer Eisenstange und drosch damit wie wild auf den Schädel der Wienerin ein. Zehnmal. Die Frau war auf der Stelle tot.

Und doch wäre die Tat zu verhindern gewesen. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine Sonderkommission, die kurz nach dem dramatischen Vorfall auf Initiative von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) ins Leben gerufen worden war.

Täter war amtsbekannt
Denn der 22-jährige Täter (N. wurde bereits rechtskräftig in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingeliefert) war zum Tatzeitpunkt längst amtsbekannt - bei der Justiz, bei der Polizei, beim Jugendamt der Stadt Wien. Der Kenianer lebte als U-Boot, als Obdachloser auf dem Brunnenmarkt in Wien-Ottakring, wo er teils Angst und Schrecken verbreitete. Schon vor der Bluttat hatte er Passanten mit einer Eisenstange angegriffen, die Vorfälle endeten glimpflich.

In ihrem am Dienstag vorgestellten Abschlussbericht findet die SOKO Brunnenmarkt unter dem Vorsitz von Helfried Haas klare Worte, zeigte Fehler und Lösungen auf. Bemängelt wird darin der fehlende Informationsfluss zwischen den einzelnen Behörden, der zum Teil dem Datenschutz geschuldet ist, sowie die Tatsache, dass der Jugendliche "aus dem System fallen konnte". In den vergangenen Monaten hätte sich in diese Richtungen bereits viel getan, heißt es. Etwa bei der Polizei, wo Amtsärzte eine spezielle Schulung für psychiatrische Auffälligkeiten erhalten sollen.

"Mir geht's nicht gut", sagt Franz E. am Telefon. Dann versagt seine Stimme. Das Ergebnis der "Sonderkommission Brunnenmarkt" interessiert ihn wenig. Denn: "Es bringt mir meine Frau nicht mehr zurück." Seine Maria wurde ermordet, mit einer Eisenstange von einem "Verrückten".

Witwer: "Will hier keinem die Schuld geben"
Der 66-Jährige ist nur von einem überzeugt: Man hätte früher handeln sollen. Schuld für den Tod seiner Frau gibt er trotzdem keinem: "Es ist passiert, niemand hat Schuld." Sein Anwalt Alfred Boran übt schwere Kritik an der Republik: "Auch wenn ein Menschenleben nicht in Geld aufgewogen werden kann, was Angehörigen im Vergleich zu den USA bei uns zugesprochen wird, ist ungeheuerlich" - 10.000 Euro "Trauerschaden"!

Hintergrund: Fußfessel für Psycho-Täter
Sie haben eine (schwere) Straftat begangen - und sind dennoch ohne Schuld oder nur vermindert schuldfähig. Diese Täter werden im Maßnahmenvollzug untergebracht, betroffen sind aktuell 922 Personen bzw. jeder zehnte Häftling insgesamt - ein neuer Höchststand. Jetzt soll diese Form des Strafvollzuges auf neue Beine gestellt werden, am Dienstag wurden Details bekannt.

Die Eckpunkte: Geistig abnorme Rechtsbrecher sollen künftig in speziellen "forensisch-therapeutischen Zentren" behandelt und betreut werden, also abgeschottet von den anderen Strafgefangenen. Als Vorbild dient dabei die Anstalt Linz-Asten. "Eine Klinik nach innen, ein Gefängnis nach außen", erklärt Justizminister Brandstetter.

Und: Künftig werden Psycho-Täter mittels Fußfessel nach ihrer Entlassung kontrolliert. "Im Vergleich zur aktuellen Gesetzeslage ist dies eine zusätzliche Kontrollmöglichkeit von geistig abnormen Rechtsbrechern nach ihrer Entlassung und damit eine Maßnahme, die ein Mehr an Sicherheit für die Allgemeinheit bringt."

Daten und Fakten: Was bedeutet "Maßnahmenvollzug"?
Seit 1975 ist es im österreichischen Strafrecht geregelt: Geistig abnorme Rechtsbrecher werden laut Paragraf 21 als vorbeugende Maßnahme in eine Anstalt eingewiesen. Dabei werden zwei Bereiche unterschieden: Straftäter, die eine Tat "unter dem Einfluss" einer "geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad" (§21/1) begangen haben, und solche, die wegen ihres psychischen Zustandes mangels Schuld (§21/2) überhaupt nicht bestraft werden können.

Oliver Papacek und Sandra Ramsauer, Kronen Zeitung

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