"Geld für Schleier"

Aufregung in Bosnien und Kosovo nach Kurz-Sager

Österreich
24.08.2017 16:04

Außenminister Sebastian Kurz hat mit einem Zeitungsinterview vor wenigen Tagen viel Staub auf dem Balkan aufgewirbelt. Politische und religiöse Einrichtungen in Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo weisen jene Aussage des Ministers zurück, wonach in Sarajewo und Pristina Frauen für ihre Vollverschleierung bezahlt würden. Aus dem Außenministerium in Wien heißt es jedoch, "offizielle Stellen" hätten Kurz die Information bestätigt.

Kurz hatte in einem Interview mit dem deutschen "Handelsblatt" am Montag vor einem wachsenden Einfluss der Türkei und Saudi-Arabiens auf dem Westbalkan gewarnt. Konkret sagte der ÖVP-Chef gegenüber der Zeitung: "In Sarajevo oder Pristina werden zum Beispiel Frauen dafür bezahlt, voll verschleiert auf die Straße zu gehen, um das Straßenbild zu ändern."

Bosnischer Minister: "Keine Informationen darüber"
Der bosnische Sicherheitsminister Dragan Mektic kann die Behauptung Kurz' nicht nachvollziehen. "Ich habe keine Informationen darüber", sagte Mektic gegenüber dem Lokalsender N1 am Dienstag. Er werde aber die österreichischen Sicherheitsbehörden kontaktieren, um herauszufinden, woher diese Annahme stamme.

Auch der Islamischen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina sind nach eigenen Angaben keine Fälle bekannt, bei denen Frauen für Vollverschleierung bezahlt werden. In einer Aussendung heißt es laut der Internetplattform Balkaninsight, die Gemeinschaft erkenne die Sorgen des österreichischen Außenministers an, aber das Beispiel sei unangemessen. Für sie handelt es sich dabei allein um Wahlkampfrhetorik vor der Nationalratswahl.

Islamexpertin im Kosovo sieht "rechte Kampagne"
Im Kosovo zeigte sich unterdessen die Vizevorsitzende der Fakultät für Islamische Studien in Pristina, Besa Ismaili, erstaunt über die Aussage Kurz'. Der Behauptung würden keine Beweise zugrunde liegen, so Ismaili gegenüber Balkaninsight. Für sie ist die Aussage "Teil einer Islamophobie-Kampagne europäischer Rechter".

Aus dem Außenministerium in Wien hieß es am Donnerstag: "Bei seinen zahlreichen Besuchen in der Region wurde ihm (Kurz, Anm.) von offiziellen Stellen immer wieder bestätigt, dass Frauen für das Tragen von Vollverschleierung von Ländern des arabischen Raums bezahlt werden." Wichtig sei es, hieß es weiter, "den Gesamtkontext zu sehen, der in der Gefahr einer zunehmenden Islamisierung der Region besteht".

Politologe: "Entspricht nicht der Realität in Bosnien"
Laut dem Balkanexperten Vedran Dzihic vom Österreichischen Institut für Internationale Politik handelt es sich bei dieser Behauptung, um etwas, dass sich schon seit Jahren im "Volksmund" in Bosnien-Herzegowina erzählt wird. Bis heute gebe es "keine einzige ernsthafte wissenschaftliche oder sonstige objektive Auseinandersetzung, die das belegen könnte", erklärte Dzihic am Donnerstag der APA. Für ihn entsprechen auf jeden Fall "solche eindeutigen, starken politischen Ansichten nicht der Realität in Bosnien". Auch Dzihic ortet Wahlkampfrhetorik.

Allerdings, betonte der Balkanexperte, war die Vollverschleierung im bosnischen Islam, "der eine traditionelle Ausprägung ist", nie vorhanden. Erst mit dem Krieg (1992-95) seien durch ausländische Mudschaheddin und später durch das finanzielle Engagement arabischer Staaten in dem Westbalkanland deren Formen des Islam nach Bosnien gekommen, erklärt Dzihic. Diese radikalislamischen Elemente, die noch immer in der Minderheit seien, würden von den bosnischen traditionellen Muslimen jedoch "kritisch beäugt".

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