Schweine erstickt

Tiroler Lawinen-Experiment endgültig gestoppt

Österreich
15.01.2010 12:33
Die umstrittenen Tierversuche im Tiroler Ötztal sind nun endgültig abgebrochen worden. Noch ist unklar, ob das Experiment an einem anderen Ort fortgesetzt wird. Forscher der Uni Innsbruck wollten insgesamt 29 narkotisierte Schweine im Schnee vergraben und auf deren Tod warten. Am Donnerstag wurde das Projekt nach heftigen Protesten (im Bild) eingestellt. Für zehn Schweine war das allerdings bereits zu spät.

"Die öffentliche Sicherheit war gefährdet und ein Experimentieren in Ruhe nicht mehr gegeben", zitierte ein Polizist ein Schreiben der Wissenschaftler. "Die Zelte werden zur Zeit abgebrochen", erklärte der Beamte. Am Freitagnachmittag soll von den Experimenten in Vent nichts mehr zu sehen sein. Unterdessen haben in Sölden rund 15 Tierschützer der Organisation "Vier Pfoten" gegen das Forschungsprojekt "sehr friedlich" protestiert.

Als "einen großen Verlust für das Projekt" bezeichnete der Studienleiter Peter Paal von der Medizinischen Universität Innsbruck den Abbruch. Lediglich ein Drittel der Studie habe durchgeführt werden können, sagte er.

So sollten die Versuche ablaufen
Bei den Tieren handelt es sich laut der Innsbrucker Meduni ausschließlich um Schlachtschweine. Im Vorfeld wurden den Schweinen Messgeräte implantiert, die Blutdruck, Herzfunktion, Atmung und  Kreislauffunktion aufzeichnen. Bevor sie eingegraben werden, werden die Tiere narkotisiert und in einen Tiefschlaf versetzt.

"Sie bemerken bis zu ihrem Tod somit nichts mehr von den folgenden Vorgängen", so Studienmitarbeiter Volker Wenzel. Manche Schweine werden vollständig unter den Schneemassen begraben und bei ihrem Erstickungstod von den Forschern beobachtet. Andere Tiere gräbt man bis zum Kopf im Schnee ein und lässt sie dort erfrieren - auch dabei wird der Tod der Tiere minutiös dokumentiert.

"Versuch hätte Menschenleben gerettet"
Herbert Lochs, Rektor der Innsbrucker Meduni, erklärte am Donnerstagnachmittag gegenüber der "Krone", dass dieser Versuch bereits vor einem Jahr von der Ethikkommission für Tierversuche im Ministerium genehmigt worden war. Mit dem Projekt wollte man herausfinden, was bei Lawinenopfern im Organismus passiert.

"Mit diesem Versuch würden Menschenleben gerettet", so Projektleiter Hermann Brugger am Donnerstag. "Da der Luftdruck in großer Höhe in einem Labor nicht simuliert werden kann, bietet die Nachstellung der Verschüttung eine aussagekräftige und für Patienten direkt verwertbare Lösung", unterstrich Notfallmediziner Wenzel. "In der dramatischen Situation nach einer Bergung könnten Notärzte somit besser beurteilen, ob und für welche Opfer reelle Überlebenschancen bestehen und wie die Mediziner vor Ort am besten vorgehen."

Proteste von Tierschützern
Die österreichischen Tierschutzvereine sprachen von einem Skandal. "Die Wissenschaftler sollen sich selbst eingraben, ihre Kollegen dürfen dann die Ergebnisse auswerten", war der Vorschlag des Österreichischen Tierschutzvereins in einer Aussendung. Schweine in einer Lawine zu begraben, damit sie darin sterben, sei "einer der widerwärtigsten Tierversuche, der jemals in Österreich durchgeführt wurde". Die Tiere würden "nur ruhiggestellt und müssten das Grauen von Anfang bis zum Schluss miterleben". Dieser "unsinnige Versuch" diene "einzig und allein der Profilierung einiger Wissenschaftler".

Madeleine Petrovic, Präsidentin des Tierschutzvereins, war erzürnt: "Ich frage mich, welche wissenschaftlichen Annahmen dieser Barbarei zugrunde liegen. Da werden ohne Not leidensfähige Lebewesen einfach verscharrt und dem Erstickungstod ausgesetzt. Das mangelnde Gefühl mancher Wissenschaftler, was ethisch vertretbar ist und was nicht, bestürzt mich. Diese Versuche sind ein Schlag ins Gesicht für jeden seriösen Zugang zur Wissenschaft. Wir kritisieren zu Recht den wissenschaftlich völlig wertlosen Walfang der Japaner, lassen aber dann diesen grausamen Unfug mit Schweinen zu."

von Matthias Holzmann (Tiroler Krone), Manuel Diwosch und Christoph Rauth (tirol.krone.at)

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