"Ich bereue es"

Lebenslange Haft für Josef F.

Österreich
20.03.2009 10:31
Im Landesgericht St. Pölten ist am Donnerstag der Prozess um den Inzest-Fall von Amstetten abgeschlossen worden. Josef F. wurde in allen Anklagepunkten - Mord durch Unterlassung, Sklavenhandel, Freiheitsentziehung, Vergewaltigung, Blutschande und schwere Nötigung - einstimmig für schuldig befunden. Er erhielt eine lebenslange Haftstrafe, außerdem wurde die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verfügt. Weil der Angeklagte den Richterspruch annahm und Staatsanwältin Christiane Burkheiser zudem auf Rechtsmittel verzichtete, ist das Urteil bereits rechtskräftig.

Noch ehe Richterin Andrea Humer Josef F. die vorgesehene Rechtsbelehrung erteilen konnte, ergriff dieser das Wort. "Ich nehme das Urteil an", sagte der 73-Jährige mit fester Stimme. Auf die Frage, ob er das Urteil verstanden habe, meinte er: "Ja." "Haben Sie die Konsequenzen verstanden?", erkundigte sich Humer weiter. Josef F. bejahte.

Der Angeklagte schlug auch das Angebot aus, vor seiner endgültigen Rechtsmittelerklärung noch mit seinem Verteidiger Rücksprache halten zu wollen. Er suchte Blickkontakt mit Anwalt Rudolf Mayer und blieb dann dabei: Er akzeptiere die Strafe. Damit ist die lebenslange, mit der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verbundene Freiheitsstrafe rechtskräftig.

Richterin: "Höchststrafe angemessen"
Nachdem die Obfrau der Geschworenen den einstimmigen Schuldspruch verlesen und Richterin Humer das Urteil verkündet hatte, wurde das Strafausmaß begründet. Derartige Straftaten könnten aus generalpräventiven Gründen "nur ganz streng bestraft werden", sagte Humer. Während bei Josef F. nur unbedeutende Milderungsgründe vorlagen, fanden die Richter bei der Strafbemessung "eine Vielzahl an Erschwerungsgründen", wie die Richterin betonte. Erschwerend waren vor allem der 24-jährige Deliktszeitraum, die Vielzahl der an der Tochter begangenen Vergewaltigungen, der "besondere Vertrauensbruch" und die "Heimtücke" dem Opfer gegenüber.

Josef F. habe seine Tochter unter dem Vorwand, ihm bei der Verbringung einer Türe in den Keller behilflich zu sein, "in das Verlies gelockt, sie betäubt und weggesperrt", sagte Humer. Diese besondere Heimtücke, gegen die sich das Opfer nicht zur Wehr setzen konnte, suche ihresgleichen. Die Höchststrafe sei unter Berücksichtigung der Persönlichkeit und der Tatfolgen angemessen.

"Offenbar empfindet F. Strafe als gerecht"
Als "logische Konsequenz eines Geständnisses bei einer 24-jährigen Gefangenschaft und 3.000 Vergewaltigungen" hat Verteidiger Rudolf Mayer die über Josef F. verhängte Strafe kommentiert. Sein Mandant habe die Höchststrafe ohne Rücksprache mit ihm angenommen. "Offenbar empfindet er selber die Strafe als gerecht", meinte Mayer nach der Urteilsverkündung. Der 73-Jährige habe "die Dimension seiner Taten eingesehen", die Geschworenen hätten "sehr vorurteilsfrei agiert", der Prozess wäre "fair" abgelaufen.

Großer Erfolg für 32-jährige Anklägerin
Als großen Erfolg dürfte Staatsanwältin Burkheiser den Ausgang des Strafverfahrens empfunden haben. Die erst 32-jährige Anklägerin war gerade einmal elf Monate im Amt, als sie den Inzest-Fall übernahm. Nun hat sie - wider Erwarten mancher Juristen - sämtliche Anklagepunkte "durchgebracht". Kommentieren wollte sie das nicht: "Ich darf nichts sagen", bedauerte die befreit und erleichtert wirkende Anklagevertreterin.

Behördensprecher Gerhard Sedlacek meinte auf die Frage, ob es als "Erfolg" zu werten sei, dass Josef F. auch wegen Mordes durch Unterlassung und Sklavenhandels schuldig erkannt wurde: "Das ist keine Frage des Erfolgs, wenn man mit einer Anklage durchdringt. Die Anklage ist immer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens." Dieses sei sorgfältig durchgeführt worden, insofern sei es keine Überraschung, wenn nun die Anklage bestätigt wurde. Als "gewisse Überraschung" empfand es Sedlacek hingegen, dass Josef F. die über ihn verhängte lebenslange Haft noch im Gerichtssaal annahm.

"Ich bereue es aus ganzem Herzen"
Mit den Plädoyers von Staatsanwältin Burkheiser und Verteidiger Mayer war gegen 10.00 Uhr die Verhandlung zu Ende gegangen. Danach wurde dem Angeklagten ein letztes Mal das Wort übergeben. "Ich bereue es aus ganzem Herzen, was ich meiner Familie angetan habe. Ich kann es leider nicht mehr gut machen. Ich kann nur schauen, den Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen", erklärte Josef F. Dann zogen sich die Geschworenen zur Beratung zurück, um 14.15 Uhr erfolgte das Urteil.

Staatsanwältin forderte lebenslang
Staatsanwältin Burkheiser hatte in ihrem Schlussplädoyer die Geschworenen dazu aufgefordert, Josef F. in sämtlichen Anklagepunkten und vor allem auch zum inkriminierten Mord durch Unterlassung schuldig zu sprechen. Dafür gebühre dem Angeklagten die Höchststrafe, nämlich lebenslang.

Burkheiser fasste sich erstaunlich kurz. Keine 20 Minuten sprach sie zu den Geschworenen, weil das Beweisverfahren ihrer Ansicht nach keinen Zweifel daran gelassen hätte, dass sich der 73-Jährigen der hundertfachen Vergewaltigung seiner Tochter, der Freiheitsentziehung, der Blutschande und der schweren Nötigung schuldig gemacht habe. Erwiesen sei auch, dass der Angeklagte die Tochter in einen "Zustand völliger Abhängigkeit" gebracht und "wie sein Eigentum, wie seinen Besitz" behandelt habe. Damit sei auch der Tatbestand des Sklavenhandels erfüllt.

Genauer ging die Staatsanwältin lediglich auf die Mordanklage ein, da der Angeklagte diesbezüglich in einem "letzten Akt dieses Dramas" den Versuch unternommen habe, die Geschworenen zu täuschen. Sein diesbezüglich am dritten Verhandlungstag abgelegtes Schuldeingeständnis sei nämlich "gar kein Geständnis, sondern ein Versuch, aus einer vorgetäuschten Schwäche eine Stärke zu machen", meinte Burkheiser. In Wahrheit habe der Mann in Bezug auf das Ableben des Säuglings nur eine fahrlässige Tötung zugegeben.

Verteidiger: Babytod war kein Mord
Verteidiger Mayer hatte in seinem Plädoyer darauf hingewiesen, dass der Tod des Säuglings kein Mord durch Unterlassung gewesen sei. Sein Mandant habe sich in jenen 66 Stunden, in denen das Baby nach Darstellung der Staatsanwältin mit dem Tod gekämpft hat, nicht durchgehend im Keller befunden. F. sei nur manchmal runter gekommen, wie Mayer betonte. Aus Sicht des Anwalts handelte es sich um ein im Stich lassen des Babys.

Tochter war am zweiten Prozesstag im Verhandlungssaal
Mayer bestätigte in seinem Plädoyer erstmals, dass das 42-jährige Opfer im Verhandlungssaal anwesend war: Und als er sie im Gerichtssaal sitzen sah - "das Gericht hat das sehr gut gemacht" - "war es mit ihm ganz aus", der Angeklagte sei innerlich zusammengebrochen, so der Anwalt. Nach Vorspielen des Videos zeigte er sich erschüttert und bejahte gegenüber Richterin Andrea Humer die Schilderungen seiner Tochter. Am nächsten Tag blieb er dabei, Schuldgefühle habe er bereits Monate zuvor gegenüber der Gutachterin eingestanden.

Seinem Mandanten gehe es nicht um ein "Drumherumkommen" um die Höchststrafe, so Mayer. Er verwies darauf, dass Josef F. bei einer Verurteilung zu 20 Jahren Haft mit 93 Jahren in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden würde. Milderungsgründe seien der Lebenswandel seines Mandanten, das Geständnis und auch die attestierte schwere psychische Störung. Die in der Jugend geschlagenen Wunden hätten F. für sein Leben geprägt, so Mayer.

Opferanwältin: "Glauben Sie ihm kein Wort"
Auch Opferanwältin Eva Plaz hatte eine letzte Stellungnahme abgegeben. Sie meinte, dass das Baby mit medizinischer Hilfe überleben hätte können. Josef F. habe bemerkt, dass es schwer atme, es aber unterlassen, zu helfen. Der Säugling "starb qualvoll", sagte Plaz. Zum Geständnis des Angeklagten meinte sie, es sei widersprüchlich, der Beschuldigte habe keine Reue gezeigt. "Wie auch immer, glauben Sie dem Angeklagten kein Wort", wandte sie sich an die Geschworenen. Ihre Mandantin, die 42-jährige Tochter von F., habe - in dem Video - für sich selbst gesprochen. Sie habe die Aussage aus einem Hauptgrund getan: Weil sie es ihrem Kind schulde und sie wollte, dass sich F. für dessen Tod verantworten muss.

"Behalten Sie St. Pölten in guter Erinnerung!"
Gerichtssprecher Franz Cutka wünschte den Medienvertretern zum Abschluss der letzten Pressekonferenz eine gute Heimreise. Und er äußerte den Wunsch: "Behalten Sie St. Pölten in guter Erinnerung!" Erich Huber-Günsthofer, der stellvertretende Leiter des Justizanstalt St. Pölten, dankte den Medien für ihre große Disziplin. Er verwies darauf, dass es in dieser Woche auch Aufgabe gewesen sei, die Anonymität der wtehende Psychiater keine Interviews geben werde. Ob Josef F. seine Memoiren schreiben will oder nicht, wisse er nicht, so Huber-Günsthofer.

Alle Infos zum Prozessauftakt, die Bilder vom zweiten Verhandlungstag und das Schuldgeständnis von Josef F. am dritten Prozesstag findest du in der Infobox!

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