Gesetz "unislamisch"

Geistliche kämpfen gegen Verbot der Kinderehe im Jemen

Ausland
23.03.2010 16:57
Vor zwei Jahren machte im Jemen ein achtjähriges Mädchen Furore, das mutig ins Gericht marschierte und die Scheidung von ihrem 28-jährigen Ehemann verlangte, mit dem sie ihr Vater verheiratet hatte. Die Bemühungen um ein Verbot der Kinderehe haben jetzt einen herben Rückschlag erlitten: Einige der einflussreichsten islamischen Gelehrten erklärten Befürworter des Verbots zu Abtrünnigen. Mit dem religiösen Dekret steht ein Gesetz auf der Kippe, das Eheschließungen von Mädchen unter 17 Jahren untersagt.

Die Verheiratung von Mädchen noch im Kindesalter ist im Jemen gängiger Brauch. Ihn abzuschaffen, ist auch wegen der bitteren Armut im Land nicht leicht: Auf einen Brautpreis im Wert von mehreren hundert Euro verzichten arme Familien nur schwer.

Über ein Viertel der Jemenitinnen heiraten einem Bericht des Sozialministeriums zufolge vor ihrem 15. Geburtstag. Auch Stammessitten spielen dabei eine Rolle - und die Auffassung, dass eine junge Braut zu einer gefügigen Ehefrau geformt werden kann, mehr Kinder zur Welt bringt und keinen Versuchungen ausgesetzt ist. Außerdem wird gerne darauf verwiesen, dass der Prophet Mohammed seine Frau Aisha als Neunjährige geheiratet habe.

Gesetz als "unislamisch" kritisiert
Im Februar vorigen Jahres wurde das Mindestalter für die Eheschließung gesetzlich auf 17 Jahre festgelegt. Doch das Gesetz wurde von einigen Politikern als "unislamisch" kritisiert, angefochten und zur Prüfung an den Verfassungsausschuss des Parlaments zurückverwiesen - womit sein Inkrafttreten blockiert wurde. Eine Entscheidung des Gremiums wird im kommenden Monat erwartet. Dem Ausschuss gehören auch einige der Geistlichen an, die das nunmehrige Dekret unterzeichneten.

Zu den Klerikern zählt auch der einflussreiche Scheich Abdul Majid al-Sindani (Bild), den die USA als religiösen Mentor des Terror-Paten Osama bin Laden betrachten. Sindani bestreitet, dem Terrornetzwerk Al Kaida anzugehören. Dass sich Regierungsvertreter ungern mit Sindani und anderen konservativen Religions- und Stammesführern anlegen wollen, deren Rückhalt sie zur Aufrechterhaltung der labilen Machtverhältnisse brauchen, macht es den für ein Verbot kämpfenden Menschenrechtsgruppen nicht leichter.

Die Geistlichen organisierten am Sonntag eine Protestdemonstration von Frauen gegen das Gesetz. Von Kopf bis Fuß schwarz verschleiert, trugen sie Plakate mit der Parole: "Ja zu den islamischen Rechten der Frauen". "Ich bin mit 15 verheiratet worden und habe heute viele Kinder", erklärte die Demonstrantin Umm Abdul Rahman. "Und ich werde meine Tochter im gleichen Alter verheiraten, wenn ich beschließe, dass sie bereit dafür ist."

Achtjährige setzte Scheidung durch
Früher galt im Jemen das Mindestalter von 15 Jahren, doch das entsprechende Gesetz wurde in den 90er-Jahren mit der Begründung abgeschafft, die Eltern sollten entscheiden, wann ihre Tochter heirate. Das Schicksal der Kinderbräute gelangte vor zwei Jahren mit der Scheidungsklage der Achtjährigen in die Schlagzeilen. Das Mädchen setzte letztlich die Scheidung durch, und das Parlament begann sich des Themas anzunehmen.

Im September starb nach Angaben einer Menschenrechtsorganisation ein zwölf Jahre altes verheiratetes Mädchen bei der Geburt eines Kindes, nachdem sie drei Tage lang in den Wehen gelegen hatte. "Die Regierung hat zwei Möglichkeiten: den Mädchen im Jemen eine Chance im Leben zu geben oder sie zur Todesstrafe zu verurteilen", sagte Amal Basha, Vorsitzende der Menschenrechtsgruppe "Forum Arabischer Schwestern", die am Dienstag ebenfalls eine Demonstration abhielt.

Demo Hunderter Frauen vor Parlament
Dabei haben mehrere hundert Frauen und Mädchen vor dem Parlament in der Hauptstadt Sanaa für die Einführung des bereits beschlossenen Mindestalters für Eheschließungen demonstriert. Unter ihnen war auch jene nunmehr zehnjährige Nojoud Mohammed Ali, die vor zwei Jahren erfolgreich ihre Scheidung eingeklagt hatte.

Die Demonstrantinnen überreichten Parlamentspräsident Yehya al-Rahi eine Petition mit einer Million Unterschriften für die Umsetzung des bereits im vergangenen Jahr verabschiedeten Gesetzes. Doch laut Rahi soll das Mindestalter bestehen bleiben, lediglich die im Gesetz vorgesehenen Gefängnis- und Geldstrafen sollen gestrichen werden.

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