Unterschreibt er?

Ganz Europa blickt auf Tschechiens Vaclav Klaus

Ausland
05.10.2009 00:32
Der Wunsch des tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus geht in Erfüllung: Er wird nach dem positiven Referendum in Irland nun doch der Letzte in Europa sein, der sich zu dem EU-Reformvertrag äußert. Polen hat inzwischen eine rasche Ratifizierung zugesagt, und die britischen Tories, die in Großbritannien ein nachträgliches Referendum abhalten wollen würden, müssen dazu erst einmal die Wahlen gewinnen, die spätestens Mitte Mai 2010 stattfinden. Mit Klaus hält derzeit ein einziger Mensch das Schicksal von 500 Millionen Europäern in der Hand.

Wird er unterzeichnen oder nicht? Und wenn ja, wann? Das ist vielleicht die häufigste Frage, die man sich jetzt nicht nur in der Metropole an der Moldau, sondern auch in den Hauptstädten der gesamten EU, stellt. Die Tschechen spüren bereits die Augen der anderen Länder auf sich. "Jetzt ist der Schwarze Peter bei uns", meint der Vorsitzende der christdemokratischen Volkspartei und ehemalige Außenminister, Cyril Svoboda.

Klaus reagierte auf den Ausgang der irischen Volksabstimmung wie erwartet enttäuscht. Dass die Volksabstimmung wiederholt worden sei, sei "schlecht" gewesen. Von Anfang an hatte er sowohl die gescheiterte EU-Verfassung als auch später den Lissabon-Vertrag kritisiert, sogar ein Buch darüber geschrieben. Der europäischen Integration warf er ein "Demokratie-Defizit" vor und zog sogar Parallelen zum Kommunismus. Und dass die EU-Flagge auf der Prager Burg in seiner Amtszeit wehen könnte, kam für ihn nie in Frage. Nicht einmal während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft.

Tschechischer Premier: "Noch in diesem Jahr"
Der tschechische Ministerpräsident Jan Fischer glaubt indes, dass die Ratifizierung des EU-Reformvertrags in seinem Land bald abgeschlossen sein wird und das Dokument bis Ende des Jahres in Kraft tritt. "Die Tschechische Republik ist sich der Verantwortung, die auf ihr in diesem Zusammenhang ruht, bewusst. An der Lösung dieser Aufgabe arbeitet der Verfassungsgerichtshof intensiv", so Fischer in Anspielung auf den Prüfantrag, den eine Gruppe von EU-kritischen Senatoren, allesamt Freunde von Vaclac Klaus, Anfang dieser Woche gegen den Reformvertrag eingereicht hatte.

Fischer sei "überzeugt, dass es gelingt, die Ratifizierung so abzuschließen, dass der Lissabon-Vertrag noch bis Ende des Jahres 2009 in Kraft treten könnte und damit die Tschechische Republik ihrer Verpflichtung vom Juni-EU-Gipfel nachkommt".

Fischers Zuversichtlichkeit offenbart den Druck, der auf Klaus lastet. Bis auf seine Senatorenfreunde sprechen sich alle Parteien für ein baldiges Inkrafttreten des Dokuments aus. Klaus will trotzdem das Verdikt der Verfassungsrichter abwarten. Dessen Termin kennt zunächst niemand, selbst die Richter nicht, auch wenn sie den Prüfantrag "vorrangig" behandeln wollen.

Geht es Klaus nur um die Symbolik der Unterschrift?
Tatsache bleibt, dass er Vaclav Klaus bisher sorgfältig darauf achtete, seine Unterschrift nicht unter ein derartiges Dokument setzen zu müssen. Obwohl er nicht selten mit der Regierung um außenpolitische Kompetenzen streitet, schickte er 2004 den damaligen Regierungschef Stanislav Gross nach Rom zur Unterzeichnung der EU-Verfassung. Und 2007 überließ er es Premier Mirek Topolanek und dem damaligen Außenminister Karl Schwarzenberg, den EU-Reformvertrag in Lissabon im Namen der Tschechischen Republik zu signieren.

Viele in Prag können sich nicht vorstellen, dass Klaus seine Unterschrift unter den EU-Reformvertrag setzt. Genau so will man aber nicht glauben, dass er es sich leisten kann, das Dokument gegen den Willen der gesamten EU nur an sich selbst scheitern zu lassen. Ein Ausweg bietet sich an: Beispielsweise meinte der Vorgänger von Klaus, Vaclav Havel, dass der Vertrag eventuell auch ohne Klaus' Unterschrift in Kraft treten könnte, weil diese "nur eine Formalität" sei.

Tschechien kennt schon einen Präzedenzfall. 2004 gefiel Klaus ein Gesetz nicht, woraufhin er es nicht signierte, gleichzeitig legte er aber kein Veto dagegen ein. Damit wurde das Dokument automatisch als angenommen betrachtet. Es handelte sich um das Gesetz, mit dem der einstige tschechoslowakische Staatspräsident Edvard Benes symbolisch geehrt wurde. Klaus störte dabei gar nicht der Inhalt des Textes, der aus einem einzigen Satz besteht: "Edvard Benes hat sich um den Staat verdient gemacht." Klaus betrachtete nur eine so "untypische und merkwürdige" Norm als überflüssig.

Tories fürchten sich, Europa zu blockieren
Nach dem Ja der Iren zum EU-Vertrag von Lissabon stehen nun auch die Konservativen in Großbritannien unter Druck. Der Chef der oppositionellen Tories, David Cameron, hatte den Briten ein Referendum versprochen, wenn der Vertrag nicht von allen EU-Ländern ratifiziert ist und er bis dahin an der Macht ist. Allerdings relativiert er das immer mehr: "So lange der Vertrag irgendwo in Europa diskutiert wird, kämpfen wir für das Referendum", sagte er am Samstag vor dem Parteitag der Konservativen in Manchester.

Cameron weigert sich seit Samstag, zu erläutern, ob er ein Referendum auch "mit Gewalt" durchsetzen wird - und damit den in Großbritannien bereits ratifizierten Vertrag umwerfen möchte, wenn der Vertrag von allen anderen Ländern endgültig abgenickt ist und die Tories die Regierung bilden. "Wir wollen nichts tun oder sagen, das den Ausgang in anderen Länder beeinflusst", sagte Cameron im Hinblick auf Vaclav Klaus und Polen. In Großbritannien muss bis spätestens Mai 2010 gewählt werden. Nach dem jetzigen Stand der Umfragen gewinnen die Konservativen dabei deutlich.

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