Drei pikante Fälle

Wirbel um Spitzel und Spionage im Parlament

Österreich
12.07.2009 08:49
Der Nationalrat hat sich am Freitag mit einem Paukenschlag in einen eher kurzen parlamentarischen Sommer verabschiedet. Mehr oder weniger aus dem Nichts wurde ein Untersuchungsausschuss zu Spionage und Bespitzelung im Parlament eingesetzt. Untersuchungsgegenstand sind insgesamt drei Punkte: Neben der bereits bekannten Telefonüberwachung bei BZÖ-Sicherheitssprecher Peter Westenthaler wirft die FPÖ dem Sozialsprecher der Grünen, Karl Öllinger, nun vor, sie über einen Exekutivbeamten bespitzelt zu haben. Zudem soll es im noch nicht veröffentlichten Verfassungsschutzbericht 2009 Hinweise auf Einflussnahmen ausländischer Geheimdienste auf aktive und ehemalige Mitglieder des Nationalrates geben.

Letzteres hat Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) in der "ZiB2" am Freitag bestätigt. Prammer berief sich dabei auf Innenministerin Maria Fekter (ÖVP). Demnach soll im neuen Verfassungsschutzbericht "derartiges" enthalten sein. In der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast" konkretisierte Prammer am Samstag die Verdachtsmomente: Es gehe dabei um die "Instrumentalisierung des Fragerechts". Deshalb sollen diese Vorwürfe ebenfalls Gegenstand der Untersuchung in dem Ausschuss sein, der sich schon übernächste Woche konstituieren könnte. Den Vorsitz dürfte die ÖVP übernehmen, so Prammer.

Laut Prammer soll sich bei einer parlamentarischen Anfrage im Nachhinein herausgestellt haben, dass das ursprüngliche Ansuchen von einem ausländischen Nachrichtendienst gekommen sei. "Das Interesse an der Frage und an der Antwort" sei offensichtlich bei einem Geheimdienst gelegen, "ohne dass der Abgeordnete das gewusst hat", so Prammer. Namen von Abgeordneten oder Geheimdiensten konnte sie nicht nennen.

FPÖ-Vilimsky von Kasachstans Geheimdienst eingespannt?
Doch wie mittlerweile durch Medienberichte durchsickerte, soll es sich bei dem Mandatar um FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky handeln, der vom kasachischen Geheimdienst für eine parlamentarische Anfrage instrumentalisiert worden sei. Vilimsky reagierte am Samstagabend mit der Forderung nach einer sofortigen Einberufung des zuständigen Unterausschusses zum parlamentarischen Innenausschuss. "Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Kasachen getroffen", empörte sich Vilimsky darüber, dass Informationen über seine angebliche Geheimdienst-Verbindung zwar an die Öffentlichkeit gedrungen seien, es aber niemand für nötig erachtet habe, ihn davon zu informieren.

Der FPÖ-Politiker will jetzt nicht warten, bis der am Freitag beschlossene Untersuchungsausschuss "irgendwann im Herbst zusammentritt". Er verlangt stattdessen, "dass der ständige Unterausschuss des Innenausschusses, der unter anderem die Geheimdienste kontrolliert, Anfang nächster Woche zusammentritt". Innenministerin Fekter habe umgehend über die entsprechenden Inhalte des noch nicht veröffentlichten Verfassungsschutzberichtes zu informieren. Schließlich handle es sich beim kasachischen Geheimdienst "um keinen Kindergeburtstag". Es werde daher zu überprüfen sein, "ob Sicherheitsinteressen meiner Person in Mitleidenschaft gezogen wurden".

Entsprechende Anfragen in der Affäre um den ehemaligen kasachischen Botschafter und Schwiegersohn von Präsident Nursultan Nasarbajew, Rakhat Alijew seien nie an ihn persönlich gerichtet, sondern in seiner Funktion als FPÖ-Sicherheitssprecher "an mich weitergeleitet" worden. Genauso wie es daraufhin seine Pflicht gewesen sei, dazu parlamentarische Anfragen zu stellen, hätten die Behörden die Verpflichtung gehabt ihn über die Angelegenheit umfassend zu informieren. Sollten sich diesbezügliche Versäumnisse bestätigen, "erwarte ich eine Serie von Rücktritten, vom BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) bis ins Ministerium".

Fekter sichert "volle Unterstützung" zu
Indes hat Fekter dem Ausschuss die "volle Unterstützung des Innenministeriums" zugesichert. "Aus tiefem Respekt vor dem Rechtsstaat und dem österreichischen Parlament wollen wir gemeinsam für Transparenz und Klarheit arbeiten", so Fekter. Der Verfassungsschutzbericht wird laut Innenministerium in den nächsten Wochen vorgestellt.

Der bevorstehende Ausschuss birgt somit einige Spannung in sich. Der Grüne Abgeordnete Peter Pilz möchte die Untersuchung mit dem Punkt "ausländische Geheimdienste" beginnen, wie er am Samstag sagte. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte in einer Aussendung am Freitag erklärt, es seien "Kontakte mit fremden Diensten zur Informationsbeschaffung gegen freiheitliche Politiker aufgenommen" worden. Dazu meint Pilz: Wer das Wort "gegen" durch "für" ersetze, komme "der Wahrheit ganz nahe".

Pilz möchte die Ausschussarbeit so schnell wie möglich starten und hält eine Konstituierung im Gegensatz zu Prammer schon kommende Woche für möglich. Erste Vorbereitungs-Gespräche gebe es schon am Montag. Mitte August oder in der dritten August-Woche könnte man schon mit den Befragungen beginnen, da es sich um eine "überschaubare Aktengeschichte" handle, so Pilz.

BZÖ für Sonderkommission zur Akten-Sicherstellung
Auch das BZÖ will die Arbeit des Untersuchungsausschusses sofort beginnen. Generalsekretär Martin Strutz forderte am Samstag, den mit der Causa Westenthaler befassten Staatsanwalt und sonstige involvierte Personen außer Dienst zu stellen und eine Sonderkommission des Innenministeriums mit der Aktenübermittlung und Datenkommunikation zu beauftragen. Er befürchtet, dass "aufgrund des massiven Drucks des Parlaments im Nachhinein Aktenläufe und Korrespondenzen geschönt werden". Denn es hätte sowohl in der Staatsanwaltschaft als auch beim Büro für interne Angelegenheiten (BIA) "bereits gestern rege Betriebsamkeit Einzug" gehalten.

In der Causa Westenthaler geht es darum, dass dessen Mobiltelefon am 14. August 2008 in der Zeit von 11.00 bis 14.00 Uhr überwacht wurde. Sämtliche Rufdaten von ein- und ausgehenden Anrufen sowie SMS wurden rückverfolgt und aufgezeichnet. Der Hintergrund: Westenthaler war als Zeuge in einem letztlich ergebnislosen Verfahren gegen einen Exekutivbeamten geführt worden. Im Zuge dessen wurde sein Telefon nach einem anonymen Hinweis kurzfristig überprüft.

Westenthaler über Staatsanwaltschaft Wien: "Saustall"
Auch Westenthaler schoss sich auf die Staatsanwaltschaft Wien ein. Es sei "dringend notwendig, diesen Saustall endlich ordentlich aufzuräumen, denn ein Cocktail aus Bespitzelung, gezielter Desinformation und Unwahrheiten sowie die Verletzung der Grund- und Freiheitsrechte" stünden bei der Staatsanwaltschaft Wien auf der Tagesordnung. Sie sei "unter der jetzigen personellen Besetzung ein Schandfleck für die Österreichische Justiz und muss jedenfalls im kommenden Untersuchungsausschuss lückenlos analysiert und hinterfragt werden", so Westenthaler.

Strache wirft Öllinger "Bespitzelung" vor
Was die FPÖ-Vorwürfe gegen Öllinger angeht, hat Strache am Freitag bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz Auszüge aus dem angeblichen E-Mail-Verkehr zwischen dem Grünen Abgeordneten und einem Kriminalbeamten vorgelegt. Damit will er beweisen, dass die Grünen gemeinsam mit Beamten des Innenministeriums freiheitliche Abgeordnete bespitzelt haben. Dies sei ein "klarer Amtsmissbrauch, Datenmissbrauch und die Anstiftung dazu". Auch wenn der Beamte die Aufträge privat für seine Datenforensik-Firma erhalten habe, sei dies "nicht vereinbar mit seinem Beruf".

Öllinger nennt Vorwürfe "reichlich absurd"
Öllinger gab am Freitag zu, Kontakt zu dem von der FPÖ beschuldigten Beamten, der als EDV- und IT-Spezialist für den Verfassungsschutz gearbeitet habe, gehabt zu haben. Die Vorwürfe der FPÖ seien aber "reichlich absurd". Öllinger vermutet hinter den Anschuldigungen der FPÖ einen konkreten Hintergrund: Er habe recherchiert, dass es "direkte Kontakte aus dem FPÖ-Klub zu Neonazi-Websites gibt". In diesem Zusammenhang sei ihm der Beamte als Experte genannt worden und er habe Kontakt aufgenommen.

Im Rahmen seiner privaten Firma für Datenforensik habe der Beamte dann mit Öllinger "Wissen ausgetauscht", so der Abgeordnete. Es habe sich herausgestellt, dass es "leider nicht nur einen Nazi-Kontakt in der FPÖ gibt". Die Bespitzelungs-Vorwürfe von Strache seien nun aber "Gegenstand rechtlicher Prüfung", denn "die werden wir uns sicher nicht gefallen lassen", betonte Öllinger.

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