Trotz Kompromiss

60.000 Schüler streikten für freie Tage

Österreich
25.04.2009 08:36
In ganz Österreich haben am Freitag rund 60.000 Schüler für den Erhalt der schulautonomen Tage gestreikt – Spitzenreiter war Wien, wo laut Polizei 25.000 Jugendliche durch die Stadt zogen. Aber auch in vielen anderen Städten kam es zu lautstarken Protesten. Im Unterrichtsministerium nimmt man es zwar "ernst", wenn die Schüler ihren Unmut äußern, Änderungen am ausgehandelten Kompromiss plant Unterrichtsministerin Claudia Schmied allerdings nicht. Ein Sprecher verwies auf den parlamentarischen Prozess, wo noch Änderungen möglich seien, falls die Bildungssprecher der Regierungsparteien noch Änderungswünsche der Schulpartner einarbeiten wollten.

Laut johlend, brüllend und vereinzelt mit Hupen und Tröten ausgestattet marschierten Massen an demonstrierenden Schülern im Laufe des Vormittags durch weite Teile der Wiener Innenstadt. Die einzelnen Kundgebungen, zu denen unterschiedliche Fraktionen aufgerufen hatten, formierten sich dabei bald zu einem gewaltigen Protestmarsch. Dieser steuerte entlang der Ringstraße auf das Unterrichtsministerium am Minoritenplatz zu, wo gegen Mittag eine Abschlusskundgebung geplant ist. Laut Polizei gab es abgesehen von "Kleinigkeiten" keine weiteren Zwischenfälle.

Kein Durchkommen am Stephansplatz
Bereits ab 9.00 Uhr gab es am Stephansplatz kaum noch ein Durchkommen. Zwischenzeitlich mussten die Organisatoren die Jugendlichen wiederholt dazu auffordern, die Auf- und Abgänge zur U-Bahnstation freizumachen - mitunter ohne Erfolg. "Es ist eine Frechheit, uns die freien Tage wegzunehmen. Was können wir dafür, wenn die Politiker nix zusammenbringen?", machte eine Schülerin ihrem Ärger Luft. Ähnliche Botschaften waren auch auf den zahlreichen Transparenten zu lesen: "Warum sollen wir unsere freien Tage aufgeben, wenn es um die Lehrer geht?", wurde gefragt. "Ihr streitet, wir leiden", lautete ein weiterer Slogan. "Wir wollen mitgestalten", zeigten sich andere Schüler motiviert. Immer wieder krachten Böller, worauf Pfeifkonzerte und Jubelschreie folgten. Der Andrang war derart enorm, dass zugefahrene Lieferwägen keine Chance hatten, durch die Massen zu kommen, und somit festsaßen.

Bilder der Schüler-Proteste findest du in der Infobox!

Am späten Vormittag vereinigten sich die unterschiedlichen City-Demos und "Schülerstreiks", sodass gemeinsam entlang der gesperrten Ringstraße marschiert wurde. Einige - der laut Polizei rund 20.000 - Demonstranten machten es sich dabei auf den Dächern der Straßenbahn-Wartehäuschen gemütlich, andere verschanzten sich im Volks- bzw. Burggarten. Transparente mit der Forderung nach "Recht auf Faulheit" inklusive selbst dem selbstgemalten Zeichentrick-Kater Garfield waren ebenso zu sehen wie Tafeln, die nach "Freibier" oder "Free Tibet" verlangten.

Demos und Versammlungen in Oberösterreich
Etwa 12.000 Schüler marschierten in Linz im Protestzug der AKS, der Aktion Kritischer Schüler, vom Schillerpark auf den Hauptplatz, so die Schätzung der Polizei. Sie bescheinigte den Teilnehmern diszipliniertes Verhalten: "Die Demonstration verlief friedlich, aber immens laut", so Alexander Niederwimmer von der Linzer Polizei. Die AKS forderte neben dem Erhalt der schulautonomen Tage die gleichgestellte Mitbestimmung der Schüler, eine "echte Bildungsreform und eine Bildungsmilliarde", kleinere Klassen, bessere Lehrerausbildung sowie ein Streikrecht für Schüler.

Die Union Höherer Schüler (UHS) veranstaltete dezentrale Versammlungen in Schulen, verteilt auf das ganze Bundesland. Man wolle eine Alternative für all jene bieten, die nicht auf die Straße protestieren gehen dürfen oder wollen, erklärte Landesgeschäftsführer Dominik Thauerböck. Bereits am Donnerstag hatten laut UHS 3.000 Schüler an den Veranstaltungen teilgenommen, am Freitag zusätzliche 5.000.

3.000 Schüler demonstrieren in Vorarlberg
In Dornbirn haben laut Polizei rund 3.000 Schüler aus allen Landesteilen friedlich demonstriert. Die Schüler zogen vom Bahnhof zum Marktplatz, wo noch Kundgebungen stattfanden. Ihren Unmut machten die Heranwachsenden unter anderem mit skandierten Parolen wie "Heut' entfällt der Unterricht, eure Krise zahlen wir nicht", oder "We are the revolution".

"Kein Fenstertag - uns trifft der Schlag" in Innsbruck
In Innsbruck haben auf dem Platz vor dem Landestheater bis zu 2.500 Schüler demonstriert. Die von der Schülervertretung organisierte Kundgebung soll bis zum Nachmittag fortgesetzt werden, Zwischenfälle gab es vorerst keine. Die Demonstranten schwenkten Plakate und Transparente wie "BM Schmied - Freizeitdieb" oder "Kein Fenstertag - uns trifft der Schlag". Außerdem skandierten die Teilnehmer, begleitet von Ratschen und Pfeifen unter anderem "Ferien zurück" und "Nicht mit uns". Gegen die Demonstranten gebe es keinerlei Sanktionen, hieß es auf Anfrage aus dem Büro des Landesschulrates. Das Fernbleiben gelte aber als "unentschuldigte Fehlstunde".

Pfeifkonzert in Salzburg
In der Stadt Salzburg gingen nach Angaben der Polizei zwischen 2.000 und 3.000 Schüler auf die Straße. Sie zogen vom Mozartplatz, wo sich der Amtssitz des Landesschulrats befindet, durch die Innenstadt zum Bahnhof. Dort fand eine kurze Abschlusskundgebung statt. "Wir wollen frei" skandierten die Jugendlichen und machten mit Pfeifkonzerten ihrem Unmut Luft.

"Wir kämpfen für unsere Freizeit", "Wir bestehen auch in Zukunft auf unsere schulautonomen Tage" oder "Mitsprache für Schüler" war auf den vereinzelt mitgetragenen Transparenten zu lesen. Eine Gruppe junger Burschen war trotz niedriger Temperaturen mit nacktem Oberkörper unterwegs: "Ihr spart mit Freizeit, wir mit Kleidung" lautete die Botschaft auf dem mitgebrachten Plakat. Die Kundgebung verlief friedlich, hieß es seitens der Salzburger Polizei.

Mehrere Demonstrationen in der Steiermark
Mit Plakaten wie "Nicht mit uns", "Als Nächstes kürzen sie unser Klopapier" und weniger zielführend wie "Freibier statt Schmied" demonstrierten in Graz über 1.000 Schüler. Rund 450 zogen nach Aufruf der Schülerunion durch die Grazer Innenstadt bis zum Karmeliterplatz. Die AKS rief zum Sitzstreik am Hauptplatz, laut Polizei kamen etwa 600 Jugendliche. Schülervertreter forderten unter anderem "mehr Mitsprache und eine Ende der Rasenmäherpolitik".

Auch in den steirischen Bezirken blieben viele Klassenzimmer leer. Rund 500 Schüler streikten in Weiz, am Leibnitzer Hauptplatz fanden sich über 400 Schüler ein. In Hartberg veranstalteten rund 1.000 Schüler vor dem Bundesschulzentrum eine Grillparty, hieß es seitens der Veranstalter. Gestreikt wurde auch in Feldbach und Radkersburg.

Streiks auch im Burgenland
Im Burgenland gab es in Oberwart und Oberschützen Protestaktionen von Schülern. An der Demonstration am Vormittag in Oberwart beteiligten sich nach Angaben der Polizei "300 bis 500 Demonstranten". Schüler aus dem Nordburgenland waren aufgerufen, sich an Veranstaltungen in Wien zu beteiligen.

In der HTBLA Eisenstadt blieben vier der 37 Klassen gänzlich leer. Die Ersten sowie die Abschlussklassen seien relativ gut besucht gewesen, bei den zweiten bis vierten Jahrgängen habe es stärkere Abwesenheitszahlen gegeben, so ein Abteilungsvorstand. In der Landeshauptstadt waren am Vormittag vereinzelt Gruppen von Schülern unterwegs, die sich offenbar dem Protest angeschlossen hatten.

Schwache Beteiligung in NÖ und Kärnten
In St. Pölten sind am Freitag anlässlich des "Schülerstreiks" nur etwa 50 Mädchen und Burschen auf die Straße gegangen. Diese Zahl hat die Polizeidirektion zu Mittag auf Anfrage bestätigt. Keine nennenswerten Demonstrationen gab es in Kärnten. Lediglich an zwei Schulen - in Spittal/Drau und in Völkermarkt - gab es kleinere Aktionen wie einen Sitzstreik. Die Kärntner Schülerunion hat die Schülerdemonstrationen ausdrücklich nicht unterstützt. Man setze auf Verhandlungen, hieß es dazu in einer Aussendung.

Bildungsministerin Schmied bleibt hart
Die im Gespräch mit Bundesschulsprecher Nico Marchetti von der VP-nahen Schülerunion gefundene Lösung sei "sicher im Interesse von Schülern, Lehrern und Eltern", beharrte man im Unterrichtsministerium auf der Umwandlung von zwei der fünf "neuen" Schultage in Fördertage, an denen die Kinder und Jugendlichen freiwillig in die Schule kommen können. Das entspreche auch der Linie der Regierung in dieser Frage.

Für die Schüler sei es ein Gewinn, dass die Lehrer-Gewerkschaft Unterricht an den ehemals "schulautonomen Tagen" angeboten habe. "Die Schüler können das nützen, um besser gefördert zu werden" und so ihren Bildungserfolg erhöhen, betonte man seitens des Ministeriums. Dass sich die Schüler "nie über die Kürzung von freien Tagen freuen", sei "logisch".

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