"Nicht empfangbar"

Salzburger muss ORF-Entgelt nicht mehr zahlen

Österreich
21.11.2008 10:05
Der ORF hat eine schwere Niederlage vor dem Verwaltungsgerichtshof erlitten: Ein Salzburger hat beim Höchstgericht in Wien erreicht, dass er das ORF-Programmentgelt - mit 15,18 Euro der größte Posten in der Rundfunkgebühr - nicht mehr bezahlen muss. Der Mann besitzt zwar einen Fernseher, hat aber aufgrund der Digitalisierung kein "empfangstaugliches Gerät" mehr und kann die über Satellit verschlüsselten ORF-Programme nicht empfangen. Statt monatlich 20,28 Euro muss der Mann in Zukunft nur mehr 5,10 Euro bezahlen. Der Präzendenzfall könnte nun bedeuten, was viele ORF-Gegner seit der Digitalisierung verlangen: Nur wer ORF-TV empfangen kann, soll Programmentgelt bezahlen müssen.

Bisher musste jeder, der über eine so genannte Rundfunkempfangseinrichtung verfügt hat, die vollen Gebühren zahlen. Diese setzen sich zu rund 70 Prozent aus dem ORF-Programmentgelt, sowie zu weiteren 30 Prozent aus Rundfunkgebühren für Fernsehen und Radio und einem Kunst- und Kulturförderungsbeitrag zusammen. Künftig müssten laut dem Urteil all jene, die ORF 1 und ORF 2 nicht empfangen können, lediglich den Anteil an Bund und Länder zahlen, nicht aber das ORF-Entgelt. Der ORF sieht sich allerdings auch bei Österreichern mit Internetanschluss zur Einhebung des Programmentgeltes befugt, diese Interpretation gilt aber als extrem umstritten.

"Rat" des ORF missachtet - Entgelt gespart
Aber zurück zum VwGH-Urteil: Der Fernsehkunde, der über einen digitalen Satellitenreceiver samt ORF-tauglicher Smart-Card verfügte, hat geklagt, nachdem ihm der Staatsfunk im Oktober 2007 mitgeteilt hatte, dass ab 25. Jänner 2008 mit seinem derzeitigen Satellitenreceiver sowie der zur Verfügung gestellten Smart-Card das Programm des ORF nicht mehr empfangen werden könne (der Receiver "d-Box" konnte die zu diesem Zeitpunkt erfolgte Umstellung der Verschlüsselung nicht mitmachen). Es wurde ihm angeraten, "unverzüglich einen neuen Receiver anzuschaffen", heißt es in der Zusammenfassung des Urteils auf der VwGH-Website (siehe Infobox). Da er somit ab 26. Jänner das Fernsehprogramm des ORF nicht mehr empfangen konnte, bekämpfte er die Gebührenvorschreibung der ORF-Tochter GIS.

Grundsätzlich dürften vom Urteil des VwGH nun alle Haushalte betroffen sein, die den ORF technisch nicht empfangen können bzw. jetzt von der Möglichkeit Gebrauch machen wollen, den ORF nicht mehr empfangen zu können. Das sind Zuseher mit analogem Satellitenempfang, die keine zusätzliche DVB-T-Box haben, und Digital-Sat-Seher, die nicht über eine ORF-Smart-Card verfügen.

ORF beharrt: "Jeder braucht ein Verfahren"
Der ORF nimmt das Urteil indes - nach außen hin - relativ gelassen. Laut Kommunikationschef Pius Strobl seien "nur wenige Haushalte tatsächlich betroffen". Außerdem müsse jeder, der künftig keine ORF-Gebühren mehr zahlen will, in einem Verfahren nachweisen, "dass er vom ORF nicht versorgt wird oder keine Empfangsmöglichkeit hat", so Strobl. Unabhängige Medienjuristen sehen diese Aussage allerdings als umstritten an. Das Urteil gleiche einem Präzendenzfall, eine gültige Auslegung des ORF-Gesetzes.

Die ORF-Juristen seien aber außerdem zu dem Ergebnis gekommen, dass nur jene Haushalte von dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs betroffen sind, die einen analogen Satelliten aber keine DVB-T-Box haben und die auch über Hausantenne keine terrestrischen Signale mehr empfangen, meint Strobl. Jene Zuseher, die ihr Programm via digitalem Satelliten empfangen, fallen laut dem ORF-Kommunikationschef nicht in diese Gruppe. Er argumentiert dies damit, dass diese Haushalte über den Digitalsatellit auch ohne Smart Card die Programme ORF 2 Europe und ORF Sport Plus empfangen können. Und das seien schließlich ORF-Programme. Das VwGH-Urteil beziehe sich nur auf Haushalte, die technisch keine ORF-Programme empfangen können, meint Strobl weiter. Der Salzburger, der geklagt hatte, besitzt allerdings einen digitalen Satellitenreceiver - womit Strobls Argument wieder entkräftet scheint.

Für heuer steht dem Staatsfunk ein Minus von rund 100 Millionen Euro bevor. Die von "Schwarz-Rot alt" abgesegnete Gebührenerhöhung wird ab 2009 voll wirksam.

Stiftungsrat Medwenitsch: "Urteil ermöglicht Abmelden"
"Für den ORF alles andere als erfreulich" findet der ÖVP-Stiftungsrat Franz Medwenitsch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs. "Durch die rechtliche Entkoppelung von ORF-Programmentgelt und staatlichen Gebühren wird es möglich, die ORF-Programme schlicht abzumelden", so Medwenitsch. Ein renommierter Medienrechtler sagte der Austria Presseagentur, er gehe davon aus, dass diejenigen, die ihre DVB-T-Box oder ihre Smartcard zurückgeben und den ORF somit technisch nicht mehr empfangen können, keine Gebühren zahlen müssen, solange dies einer Überprüfung durch die GIS standhält. Das Urteil überbrücken könne nur der Gesetzgeber, indem dieser eine Art ORF-Steuer oder ORF-Abgabe einführt, die nicht an den Empfang der Programme gekoppelt ist. Aber auch das ist rechtlich keine leichte Sache...

SPÖ denkt schon über "ORF-Steuer" nach
Laut Medwenitsch widerspricht die Möglichkeit, den ORF abmelden zu können, der Grundidee der Gebührenfinanzierung des öffentlichen Rundfunks. Diese werde von der EU schließlich als staatliche Beihilfe qualifiziert. "Eine spannende Aufgabe für den Gesetzgeber, der in seiner Regulierungsfunktion gefordert ist", so der ÖVP-Stiftungsrat. Im Büro der für Medien zuständigen Ministerin Heidrun Silhavy hieß es, es habe zwar noch keine offiziellen politischen Gespräche gegeben, es sei aber "naheliegend, dass man gesetzlich klarstellen muss", dass der ORF seine Gebühren bekommt, auch unabhängig von der Empfangbarkeit seiner Programme, so Sprecher Erich König.

Karl Krammer, Leiter des roten "Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat, sieht die ORF-Geschäftsführung am Zug, die Konsequenzen aus diesem Urteil prüfen zu lassen. Er erwartet sich, dass ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz den Stiftungsrat in der nächsten Plenumsitzung darüber informiert. Seiner Einschätzung nach dürfte das Problem allerdings nicht so groß sein, da ja offensichtlich der Zuseher nachweisen müsse, dass er den ORF technisch nicht empfangen kann.

FPÖ-Vilimsky jubelt
In der FPÖ begrüßte man das Urteil als "Sensation". Generalsekretär Harald Vilimsky, der schon die Petition "weg-mit-den-orf-gebuehren" ins Leben gerufen hat, will nun juristisch prüfen lassen, ob diejenigen, die etwa ihre DVB-T-Boxen deaktivieren, künftig ebenfalls kein Programmentgelt mehr zahlen müssen.

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