Panik an Wall Street
US-Börse wegen Tippfehler völlig eingebrochen?
Der Börsen-Schock schwappte am Freitag auch auf Europa und Asien über. Der Stoxx50E der 50 größten börsennotierten Unternehmen der Eurozone rutschte bis Freitagmittag um knapp zwei Prozent auf 2.560 Zähler ab. In Frankfurt fiel der Dax um 1,4 Prozent auf 5.824 Punkte und damit auf den Stand von Anfang März zurück. Der britische Leitindex "Fuzzi" gab um 1,15 Prozent auf 5.200 Zähler nach.
Von den Turbulenzen alarmiert wollten die Finanzminister der sieben führenden Industrienationen (G-7) noch am Freitag in einer telefonischen Krisenkonferenz über die Entwicklung beraten.
US-Börsianer: "Das ist ein Witz"
"Das war ein wilder Tag", kommentierte eine sichtlich gestresste Sprecherin des Finanz-Nachrichtensenders Bloomberg, nachdem um 16 Uhr die Schlussglocke an der Wall Street geläutet hatte. An diesem Tag waren so viele Aktien gehandelt worden wie zuletzt beim Absturz der Börsen in der Finanzkrise Ende 2008.
"Das hat nichts mehr mit Werten zu tun, das ist ein Witz", ereiferte sich Börsenexperte Joseph Saluzzi von Themis Trading im US-Fernsehen. "Das ist der Markt der Vereinigten Staaten von Amerika, das ist nicht Kasachstan oder so." Besonders hart hatte der Kursrutsch den Konsumgüterkonzern Procter & Gamble erwischt, der zeitweilig fast 40 Prozent seines Wertes einbüßte. Das Unternehmen war fassungs- und ratlos. "So was habe ich noch nie gesehen", sagte ein Händler auf dem Parkett an der Wall Street, "und ich bin schon zwei Jahrzehnte dabei."
"Milliarden statt Millionen"-Tippfehler?
Die Börsianer schoben die Schuld in einer ersten Reaktion zunächst auf die Computersysteme: Werden bestimmte Grenzwerte durchbrochen, beginnen die Rechenmaschinen automatisch, Aktien zu verkaufen. Fängt ein Computer an, kann er eine Kettenreaktion auslösen. Als die Börsianer merkten, dass eigentlich nichts Schlimmes passiert war, begannen sie, die Fehler zu korrigieren und kauften wieder zu. Auf eine Computerpanne gebe es allerdings keine Hinweise, hieß es vonseiten der Börsenbetreiber in New York.
Der Wirtschaftssender CNBC ortet wiederum menschliches Versagen in Kombination mit den "Automated trading"-Systemen. Ein "großer Marktteilnehmer" habe am Donnerstag einen Fehler beim Aktienverkauf gemacht. Statt 16 Millionen habe er 16 Milliarden in sein System eingetippt und damit das Chaos ausgelöst. Laut CNBC weist die Spur zur finanzmaroden Großbank Citigroup als "Übeltäter". Die Großbank wies dies erst einmal zurück und sagte, sie sei genauso ratlos wie der Rest der Finanzwelt.
"Was auch immer dieses Fiasko ausgelöst hat. Ich glaube, dass heute einfach die Maschinen das Kommando übernommen haben", sagte Charlie Smith, Chief Investment Officer der Fort Pitt Capital Group. Die Stimmung an der Börse sei derzeit ohnehin wegen der griechischen Krise sehr angespannt gewesen. Als die Kurse zu purzeln begannen, seien auf den meisten Bildschirmen der Börsianer Bilder der Proteste in Athen zu sehen gewesen.
Vollautomatisches Handelssystem
Der Aktienhandel auf den Weltbörsen erfolgt schon längst nicht mehr über menschliche Interaktion. Händler benützen komplizierte Computerprogramme, die ihnen bei großen Aktienkäufen den bestmöglichen Preis garantieren. Die Programme sind auch darauf programmiert, auf Kursabfälle zu reagieren, und können selbstständig Verkäufe anstoßen. Kommt es dabei zu einer Kettenreaktion, kann der Mensch zunächst nur hilflos zusehen. Weil die Computer eine derartige Geschwindigkeit an den Tag legen, sei es möglich gewesen, dass die Kurse am Donnerstag innerhalb kürzester Zeit abstürzten.
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