300 Mio. € "schwer"

Europas eigene Ratingagentur steht kurz vor Gründung

Ausland
21.01.2012 16:55
Die geplante europäische Ratingagentur als Gegengewicht zu den drei amerikanischen Platzhirschen Standard & Poor's, Moody's und Fitch soll in Kürze gegründet werden. Nach Angaben eines Mitinhabers der Beratungsagentur Roland Berger, die die Agentur maßgeblich vorantreibt, haben sich inzwischen 30 Investoren wie Banken, Versicherungen und Börsen aus ganz Europa bereit erklärt, rund 300 Millionen Euro Stiftungskapital zur Verfügung zu stellen.

"Ziel ist es, bis Ende des ersten Quartals 2012 die Verträge zu unterzeichnen. Im zweiten Quartal würden wir dann eine privat finanzierte, nicht gewinnorientierte Stiftung wahrscheinlich mit Sitz in Holland gründen", sagte Roland-Berger-Mitinhaber Markus Krall der Wirtschaftszeitung "Euro am Sonntag". Die operative Tochter, die die Ratings letztlich vornimmt, könnte dann in Frankfurt oder Paris sitzen.

Die europäische Ratingagentur soll transparenter als die US-Konkurrenz arbeiten und mit einer Haftung für den Fall von Fehlern versehen werden. "Momentan sind Ratings juristisch reine Meinungen und unterliegen keiner Produkthaftung", wird Krall zitiert. Ratings seien aber öffentliche Güter mit erheblichen wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen.

Ende des Jahres sollen erste Ratings kommen
Ende des Jahres sollen voraussichtlich die ersten Länder-Ratings auf den Markt kommen, Anfang 2013 die ersten Banken-Ratings. Voll einsatzfähig könne die Agentur dann ein bis zwei Jahre nach Gründung sein.

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hält einen europäischen Konkurrenten zu den amerikanischen Platzhirschen für sinnvoll, allerdings gehe das nicht über Nacht. "Grundsätzlich würde ich es begrüßen, wenn es eine europäische Ratingagentur gäbe", sagte Ackermann bei einem Besuch der dpa-Zentrale in Berlin. "Aber einige wenige Banken in Europa können eine solche Agentur nicht gründen, da sie unabhängig sein muss. Außerdem braucht es viele Jahre, bis eine solche Ratingagentur sich ein entsprechendes Renommee aufgebaut hat", sagte Ackermann. Eine von Staaten getragene Agentur hätte nach Ackermanns Ansicht ebenfalls das Problem mangelnder Unabhängigkeit.

Staaten müssen draußen bleiben
Daher soll der Staat soll bei der Finanzierung der neuen Agentur draußen bleiben, wie Krall der Tageszeitung "Die Welt" sagte. "Wir freuen uns, wenn die Politik das Projekt einer Europäischen Ratingagentur unterstützt. Allerdings wünschen wir uns nicht, dass sie mit Steuergeldern finanziert wird." Krall fürchtet, dass eine staatliche Beteiligung "die Frage nach der Unabhängigkeit der Agentur aufwerfen" könnte.

Und so unterstützt die EU die Pläne auch, zumindest moralisch. Denn mit Standard & Poor's, Moody's und Fitch dominieren derzeit drei Unternehmen den Markt, die in amerikanischer Hand sind oder zumindest angelsächsische Wurzeln haben.

Agenturen von US-Interessen geleitet?
Die Agenturen stehen immer wieder am Pranger, weil sie in den Augen mancher Politiker ungerechtfertigte Prognosen abliefern. Manche Kritiker sprechen gar davon, dass die Ratings von der US-Politik beeinflusst wären, die ein Interesse daran habe, Europa zu schwächen. Das streiten die Agenturen jedoch vehement ab. Gelegentlich sorgen auch Pannen für Wirbel, beispielsweise versehentliche Abstufungen, die dann wieder korrigiert werden.

Derzeit steht Standard & Poor's im Kreuzfeuer der Kritik, weil die Agentur vor einer Woche auf einen Schlag gleich neun Euro-Staaten schlechtere Noten für ihre Kreditwürdigkeit verpasste, darunter Österreich und Frankreich (siehe Infobox). Den Bonitätsprüfern wird vorgeworfen, auf diese Weise die Krise zu verschärfen.

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