Wieder Fehlalarm

EHEC auch bei deutschen Sprossen nicht nachgewiesen

Ausland
06.06.2011 16:08
Jetzt sind also wohl auch die Sprossen "unschuldig": Erste Labortests des Gemüses aus einem niedersächsischen Saatgutbetrieb haben nach Behördenangaben noch keinen Nachweis von Erregern der lebensgefährlichen EHEC-Darminfektionen erbracht. Zuvor hatten die deutschen Behörden Soja- und anderes Sprossengemüse als mögliche Ursache für die schwere Epidemie mit bisher über 20 Toten ausgemacht.

Die Sprossen von dem Erzeuger in Bienenbüttel im Landkreis Uelzen waren nach einer Überprüfung der Lieferwege unter EHEC-Verdacht geraten. Sie waren direkt oder über Zwischenhändler an Gastronomiebetriebe in Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Niedersachsen geliefert worden, wo es zu Infektionen kam.

Der Geschäftsführer des unter Verdacht stehenden Hofes, Klaus Verbeck, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", er könne sich keinen Reim auf die Vorgänge und Vorwürfe machen. Die Salatsprossen würden nur aus Saatgut und Wasser wachsen und überhaupt nicht gedüngt werden. Auch in anderen Geschäftsbereichen des Hofes werde kein tierischer Dünger verwendet.

Untersuchungen gehen weiter
Das Landwirtschaftsministerium von Niedersachsen teilte am Montag mit, dass die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien. Der für das Ressort zuständige Minister Gert Lindemann hatte am Sonntag erklärt, es gebe zwar noch keinen definitiven Beweis, "aber die Indizienlage ist so eindeutig, dass das Ministerium empfiehlt, derzeit auf den Verzehr von Sprossen zu verzichten". Sprossen waren bereits vor Jahren in Asien Ursache für eine schwere EHEC-Epidemie.

Seit Ausbruch der Epidemie standen bereits Gurken, Tomaten und Salate unter Verdacht, dann gab es eine rätselhafte Spur zu Biogasanlagen - doch alle Nachforschungen verliefen im Sand.

Ware bereits vollständig verarbeitet?
Einige Sprossenmischungen, die als EHEC-Quelle unter Verdacht stehen, kommen auch aus dem Ausland. Aus welchem Land genau Sprossenkeimlinge nach Niedersachsen importiert wurden, sagte Lindemann nicht. "Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die mit dem EHEC-Erreger kontaminierte Ware bereits vollständig verarbeitet und verkauft wurde", teilte das Ministerium in Hannover weiter mit.

Nach Angaben von Lindemann sei eine Mitarbeiterin aus dem betroffenen Betrieb nachweislich an EHEC erkrankt, eine weitere leide unter Durchfall. "Das ist für uns die plausibelste Erkrankungsursache", sagte er und nahm gleichzeitig den Betrieb in Schutz. "Wir können nicht erkennen, dass der Inhaber ein Verschulden an der Entwicklung trägt."

Auf Österreich hätte auch ein positives Testergebnis der Sprosse keinerlei Auswirkungen gehabt. Der betroffene Betrieb hat laut AGES-Sprecher Roland Achatz die Sprossen lediglich in Deutschland vertrieben, nach Österreich sind keine Produkte gelangt. Bisher ist in dem in Österreich untersuchten Gemüse auch kein EHEC-Keim gefunden worden. Bei allen bislang analysierten Proben gab es negative Ergebnisse.

22 Tote, viele Menschen in Lebensgefahr
Unterdessen stieg Zahl der Todesfälle in Deutschland infolge von EHEC-Infektionen am Wochenende nach Angaben des Robert Koch-Instituts auf 21. Bundesweit sind inzwischen 1.600 EHEC-Fälle bekannt, bei über 600 Patienten wurde zudem das gefährliche hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) diagnostiziert. Zahlreiche Patienten schweben in Lebensgefahr. Außerhalb Deutschlands gibt es nach Daten der Weltgesundheitsorganisation bereits über 100 EHEC- und HUS-Fälle. Eine Frau in Schweden starb.

Bis auf einen Patienten seien alle Gemeldeten während der Inkubationszeit in Deutschland gewesen, berichtete das WHO-Europabüro am Montag in Kopenhagen. Mit Stand Sonntagabend seien 31 HUS-Fälle und weitere 71 EHEC-Infektionen aus elf europäischen Ländern außer Deutschland gemeldet worden. Zusätzlich habe die Seuchenkontrollbehörde der USA im Zusammenhang mit dem aktuellen Ausbruch über zwei HUS-Fälle in Amerika berichtet.

Deutsche Kliniken stehen vor dem Kollaps
Kliniken in Norddeutschland arbeiten angesichts der EHEC-Fälle am Rande ihrer Möglichkeiten, wie Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr der "Bild am Sonntag" sagte. In der Versorgung gebe es Engpässe. Fehlende Kapazitäten etwa in Hamburg und Bremen könnten bisher von umliegenden Krankenhäuser bereitgestellt werden.

Angesichts wachsender Kritik an Instituten, Behörden und Politik treffen sich in dieser Woche Bundes- und Landesminister. Vertreten sind unter anderen auch Bahr sowie Verbraucherministerin Ilse Aigner. EU-Gesundheitskommissar John Dalli bot an, Experten nach Deutschland zu schicken. Außerdem soll eine EHEC-Internetplattform rasch auf die Beine gestellt werden, über die Behörden gezielt Informationen austauschen können. Unter anderem sollen zudem Hinweise auf Behandlungsformen vom Robert-Koch-Institut, der zentralen Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention, ins Englische übersetzt und den EU-Staaten bereitgestellt werden.

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