BP-Zahlen falsch?

Experte: “Es fließt bis zu 19-mal mehr Erdöl ins Meer”

Ausland
21.05.2010 07:47
Der Ölkonzern BP gerät nach der Explosion der "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko immer stärker unter Druck: Laut einem US-Wissenschaftler könnte aus dem Leck eine bis zu 19-mal größere Ölmenge strömen als angenommen. Bisher war man von täglich 800.000 Litern ausgegangen. Professor Steve Wereley legte einem Ausschuss des amerikanischen Repräsentantenhauses Berechnungen vor, wonach knapp 15,1 Millionen Liter pro Tag in den Ozean fließen.

Wereley analysierte Videoaufnahmen, die BP am Dienstag veröffentlicht hatte. Laut seinen Berechnungen strömen aus einem Leck rund 11,1 Millionen Liter Öl pro Tag aus, aus einem zweiten, ebenfalls auf dem Video sichtbaren Loch knapp vier Millionen Liter. Die Berechnung von 800.000 Litern Öl, mit der BP und die US-Regierung an die Öffentlichkeit gingen, basieren hingegen auf Berechnungen, die sich durch Luftaufnahmen über dem Unglücksgebiet ergeben.

Der Forscher sprach von einer 20-prozentigen Fehlerquote in seiner Kalkulation, wodurch sich eine Spannbreite von insgesamt 12 Millionen bis 16,5 Millionen Liter Öl ergäbe, die pro Tag in den Golf von Mexiko strömen. Um genaue Berechnungen erstellen zu können, sei es aber unerlässlich, dass BP Videos zugänglich mache, die einen längeren Zeitraum umspannen.

Schwere Vorwürfe gegen BP
"Das wahre Ausmaß der ausströmenden Ölmenge bleibt weiterhin ein Rätsel", meinte der Republikaner Edward Markey, der Leiter des Ausschusses. Gleichzeitig erhob er schwere Vorwürfe gegen den Ölkonzern: "Diese fehlerhafte Logik, die BP anwendet, lässt zumindest Bedenken aufkommen, dass der Konzern das volle Ausmaß des Schadens verheimlicht."

So berichtete der Abgeordnete, dass er in der vergangenen Woche den Ölkonzern gebeten habe, die Methode der bisherigen Berechnungen ihm gegenüber offenzulegen. Gleichzeitig wunderte er sich in diesem Schreiben darüber, warum BP Angebote von Forschern abgelehnt hatte, die ihre Hilfe bei verbesserten Kalkulationen anboten. Bisher habe er jedoch nur eine Bestätigung erhalten, dass seine Anfrage angekommen sei. Auf eine Antwort warte er noch immer, meinte Markey.

Auch US-Regierung macht Druck
Inzwischen hat auch die US-Regierung BP zur sofortigen Veröffentlichung aller wichtigen Informationen und Daten zur Ölpest aufgefordert. Das sei ein "Muss", schrieben Heimatschutzministerin Janet Napolitano und die Leiterin der Umweltbehörde EPA, Lisa Jackson, am Donnerstag an BP-Chef Tony Haward. "Die Öffentlichkeit und die US-Regierung haben einen Anspruch auf völlige Transparenz in dieser Angelegenheit."

Außerdem verbot die Washingtoner Umweltbehörde die weitere Anwendung der Chemikalie Corexit 9500 zum Zersetzen des Öls unter Wasser. Dafür wurde dem Konzern eine Frist von 72 Stunden eingeräumt. Bereits am Freitag soll BP der EPA eine weniger giftige Alternative zu dem bisher verwendeten Mittel nennen, heißt es in einer entsprechenden Anordnung der Behörde. Zuvor hatten Kongressmitglieder und Umweltschützer Alarm geschlagen: Sie befürchten, dass Corexit langfristige Umweltschäden verursacht.

Erstmals Schweröl im Sumpfgebieten – Florida Keys bedroht
Am Donnerstag – einen Monat nach der Explosion der Bohrinsel "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko - ist indes erstmals Schweröl an der US-Küste angekommen. Im Bundesstaat Louisiana wurde dickflüssiges Schweröl angespült und in die empfindlichen Sumpfgebiete des Marschlandes getrieben. "Der Tag, den wir alle gefürchtet haben, ist heute angebrochen", sagte der Gouverneur von Louisiana, Bobby Jindal, im Fischereihafen von Venice in der Nähe von New Orleans. An einigen Stellen sei die Ölschicht mehrere Zentimeter dick. Es sei zu erwarten, dass noch mehr Schweröl an die Küste geschwemmt werde, sagte Jindal, der sich am Mittwoch bei einer Bootstour im fischreichen Mississippi-Delta ein Bild von der Lage gemacht hatte.

Bisher waren an den Küsten der Bundesstaaten Louisiana, Mississippi und Alabama nur einzelne, feste Ölklumpen angeschwemmt worden. Der Ölteppich breitet sich durch starke Strömungen im Golf von Mexiko jedoch ungehindert aus. Satellitenbilder der europäische Raumfahrtbehörde ESA zeigten, dass das Öl inzwischen durch den sogenannten "Loop Current" auch in Richtung Florida getrieben wird.

Das schlimmste Szenario ist nach Angaben von Wissenschaftlern, dass das Öl Florida schon in sechs Tagen erreichen könnte. Anschließend könnte die gewaltige Meeresströmung den Ölfilm weiter bis zur Inselgruppe der Florida Keys, an die Ostküste der USA, nach Kuba und sogar in den Golfstrom spülen.

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