"Stop the boats"

Asylpolitik: Australische Regierung am Pranger

Ausland
08.07.2014 07:41
Australien jagt Asylsuchende auf hoher See davon. Die Regierung verteidigt ihre erfolgreiche Abwehrpolitik, viele Australier finden das okay, aber Menschenrechtler sind empört. "Stop the boats" (Stoppt die Boote) versprach Premier Tony Abbott im Wahlkampf - und dieses Versprechen setzt der konservative Politiker nun kompromisslos um.

Der Kontinent ist so dünn besiedelt wie kaum ein Land auf der Erde: Gerade mal drei Einwohner verlieren sich statistisch auf jedem Quadratkilometer. Allerdings sind fast 20 Prozent der 7,7 Millionen Quadratkilometer Fläche Wüste, ein großer Teil des Landes ist knochentrocken und nicht erschlossen. 90 Prozent der 22 Millionen Einwohner leben in Städten. Hat Australien wirklich keinen Platz für neue Mitbürger?

"Nicht für solche, die versuchen, mit Flüchtlingsbooten nach Australien zu gelangen", sagt Abbotts Regierung. Das Land nimmt zwar im Jahr etwa 20.000 Menschen aus humanitären Gründen auf, zwei Drittel davon sind aber bereits außerhalb der Grenzen anerkannte Flüchtlinge, die eine neue Bleibe brauchen.

Gerade hat die Küstenwache ein Boot auf hoher See gestoppt, die 41 Menschen an Bord als Flüchtlinge abgelehnt und der Marine des Heimatlandes Sri Lanka übergeben. "So stoppt man Boote. Das funktioniert", sagte Einwanderungsminister Scott Morrison im Rundfunk zufrieden. Mitte Juni feierte Morrison mit Abbott ein kleines Jubiläum: sechs Monate, ohne dass ein einziges Flüchtlingsboot die Küste erreichte.

"Goebbels und Stalin wären stolz"
Das Verhalten der konservativen Regierung sorgt auch im eigenen Land für Ärger. "Schamlose Verstöße gegen die internationale Flüchtlingskonvention" nennt das der Refugee Council, ein Dachverband jener Organisationen, die Flüchtlingen helfen. Alastair Nicholson, früher Vorsitzender eines Familiengerichts, ist außer sich: "Abbotts Regierung nutzt Taktiken totalitärer Regime. Sie agiert im Verborgenen und legt ein falsches Mäntelchen militärischer Notwendigkeit darüber. Goebbels, Stalin und ähnliche Typen wären stolz."

Im Vergleich zu dem, was Europa an Flüchtlingsströmen erlebt, ist das Problem in Australien recht überschaubar. Nach einem Parlamentsbericht kamen in den zwölf Monaten bis Mitte 2013 insgesamt 25.173 Menschen in Australien an. In den 28 EU-Ländern wurden im vergangenen Jahr 335.000 neue Asylanträge gestellt. Die meisten Asylsuchenden in Australien kommen nach Angaben des Councils aus dem Iran, aus Afghanistan und Sri Lanka.

"Asyl zu suchen, ist nicht illegal"
Morrison und Abbott hatten Behörden angewiesen, Asylsuchende als "illegale Ankömmlinge" zu bezeichnen. Der Verband hat dagegen protestiert. "Sie und ihre Regierung sind sich im Klaren, dass es weder unter australischem noch internationalem Recht illegal ist, Asyl zu suchen", schrieben 138 Organisationen. "Mir geht es nicht um Wortspiele, sondern darum, die Boote zu stoppen", beschied Abbott. "Das ist höchst mitfühlend, um Menschen vor den gefährlichen und illusorischen Versprechen von Menschenschmugglern zu schützen."

Leute, die daheim mit Verfolgung und Tod rechnen müssten, hätten selten eine andere Wahl als sich Menschenschmugglern auszuliefern, meint hingegen der Refugee Council. "Dann sind Leute wie Oskar Schindler auch Schmuggler", erklärte die Organisation. Der Unternehmer Schindler hatte einst 1.200 Juden vor den Nazis gerettet.

Mehrheit mit Asylpolitik zufrieden
Die von der Regierung finanzierte Menschenrechtskommission hält sich bedeckt. In einem Bericht über Asylsuche schrieb sie, Australien nehme nur 2,2 Prozent der weltweit Asylsuchenden auf. "Ich rufe die Regierung auf, Asylsuchende und Flüchtlinge menschlich zu behandeln", mahnte Kommissionspräsidentin Gillian Triggs. Um Wählerstimmen braucht Abbott jedenfalls sich nicht zu sorgen: Zwei Drittel finden seine Asylpolitik nach einer Umfrage gut.

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