Wien-Wahl 2010

Wirbel um “Marek-SMS”, Vorwürfe auch gegen SPÖ

Österreich
11.10.2010 16:33
Nach der Wahl ist vor der Wahl - so auch bei den Manipulationsvorwürfen. Die Wiener ÖVP hat in der Montagsausgabe einer heimischen Tageszeitung ein "SMS von Marek" als Inserat geschaltet, in dem indirekt dazu aufgefordert wird, eine Gesetzeslücke bei der Briefwahl zum Wahlbetrug auszunützen. "wien hat gewählt. aber wahlkarten können sie auch heute noch abschicken. ihre christine marek", lautet der Text, der am Montag großes Aufsehen erregte. Um Wahlkarten geht es auch bei Vorwürfen, mit denen sich die SPÖ konfrontiert sieht.

In der Wiener ÖVP sprach man am Montag in Bezug auf das Inserat von einem Fehler. "Das war nicht geplant, dass das einen Tag nach der Wahl erscheint", meinte ein Sprecher, freilich ohne damit den Satz "wien HAT gewählt" zu erklären. Es handle sich um einen Fehler bei den Druckunterlagen. Rein formal sei das allerdings nicht verwerflich, denn bereits vor Wahlschluss ausgefüllte Wahlkarten dürfe man natürlich auch am Montag noch abschicken.

Verfassungsexperte Theo Öhlinger sieht das im Marek-SMS propagierte Vorgehen hingegen "in hohem Maße problematisch". Aufgrund der momentanen Gesetzeslage sei bei der Briefwahl Betrug schwer bekämpfbar. Das Wahlrecht besagt, dass die Wahlkarten bis Wahlschluss (also Sonntag 17.00 Uhr) ausgefüllt werden müssen. Damit soll verhindert werden, dass Briefwähler das Endergebnis abwarten und erst danach eine (taktisch motivierte) Wahlentscheidung treffen. Kontrolliert wird die Einhaltung dieser Bestimmungen freilich nicht. Abgeschickt werden können die Wahlkarten auch offiziell später, sie müssen lediglich am achten Tag nach der Wahl bei den Wahlbehörden eingelangt sein.

Mehrere Vorwürfe gegen SPÖ
Auch bei den Vorwürfen gegen die Bürgermeister-Partei geht es häufig um Wahlkarten. Erste Beschwerden gegen die SPÖ waren schon vor dem Wahlsonntag aufgetaucht. So hatten die Wiener Grünen behauptet, dass von der SPÖ für demente Menschen in Pflegeheimen Wahlkarten im Paket geordert worden seien - und zwar ohne Wissen der Betroffenen. Außerdem habe man wiederholt SPÖ-Wahlhelfer und -kandidaten dabei beobachtet, wie Migranten in der Öffentlichkeit dazu gebracht wurden, eine Vollmacht zur Beantragung einer Wahlkarte auszustellen, so die Vorwürfe. Die Wahlbehörde hatte dies bereits als "völlig unhaltbar" zurückgewiesen. Derartig behauptete Pauschalbeantragungen seien "nicht möglich".

Am Wahltag selbst kam es erneut zu Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten. So sollen Wähler in zwei Fällen bereits ausgefüllte Stimmzettel erhalten haben. In der Leopoldstadt wurde einer Wählerin ein teilweise ausgefüllter Stimmzettel ausgehändigt: Bei den Vorzugsstimmen stand bereits ein Name. Der Stimmzettel stammte von einem Wähler, der mit Wahlkarte im eigenen Sprengel wählen wollte. Er erhielt einen neuen Stimmzettel aus dem Stapel. Der in seiner Wahlkarte enthaltene Stimmzettel - diese werden mitgeschickt, um Wählen per Brief zu ermöglichen - wurde seinerseits auf den Stapel im Wahllokal gelegt und offenbar an die nächste Wählerin ausgehändigt. Erst sie stellte dann fest, dass der Mann vor ihr das Vorzugsstimmenfeld bereits ausgefüllt hatte. Der Wahlleiter entschuldigte sich für das Versehen.

Die FPÖ ortete in Meidling Fälle von "Wahlbetrug". Dort habe es "mindestens drei dokumentierte Fälle" gegeben, in denen Wahlkarten bereits ausgefüllt gewesen seien. In Favoriten sei einem Wähler der Stimmzettel verweigert worden, da er eine Wahlkarte beantragt habe. Nach weiteren Nachforschungen sei festgestellt worden, dass die Unterschrift des Wählers gefälscht worden sei. Die FPÖ verlangte noch am Wahltag eine Sonderprüfung durch die Stadtwahlbehörde.

Verfassungsrechtler einig über Briefwahl-Problem
Wie wahrscheinlich eine Wahlanfechtung (diese muss durch eine der wahlwerbenden Parteien geschehen) sein könnte, wollten Verfassungsexperte Öhlinger und seine Kollegen am Montag nicht einschätzen. Auch die Frage, ob eine solche Anfechtung wegen der genannten Vorwürfe Erfolg haben könnte, sei schwierig. Erfolgt eine Wahlanfechtung, so müssten die Wahlbehörden, gegebenenfalls der Verfassungsgerichtshof prüfen, meint Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Sollte Rechtswidrigkeit festgestellt werden, ist das alleine noch kein Grund zur Aufhebung der Wahl. Nur wenn allfällige Rechtswidrigkeiten auch Einfluss auf die Wahl gehabt haben könnten, wird das Wahlergebnis aufgehoben, so Funk.

Für Öhlinger zeige die Debatte jedenfalls das, "was viele vorhergesagt haben", nämlich, dass die Briefwahl "sehr manipulationsanfällig" sei. Nicht nur die Nachfrist für das Einlangen der Wahlkarten-Stimmen, sondern die "Tatsache der Briefwahl an sich" sei ein Problem. Auch Verfassungsrechtler Heinz Mayer verwies darauf, dass nur ein Fehler, "dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können", zu einer Wahlaufhebung führen könnte. Das alleinige Anfordern von Wahlkarten ohne das Wissen der Betroffenen würde dafür etwa noch nicht reichen, so der Experte.

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