Zarte Schüchternheit

Sophie Zelmani im Interview

Musik
30.03.2007 12:06
Sie wirkt genauso zart und zerbrechlich wie ihre Musik: Wenn man Sophie Zelmani gegenübersitzt, spricht man automatisch leiser, ruhiger, bedachter. „Memory Loves You“ ist das sechste Album der zurückgezogen auf einer kleinen Insel in Schweden lebenden Sängerin. Mit purer, handgemachter Musik und romantisch bis nachdenklichen Songs tritt sie ins Fahrwasser der berühmten Folksänger und Songwriter, die sie selbst so verehrt.
(Bild: kmm)

„Ich fürchte mich vor dem Tag an dem Bob Dylan stirbt“, sagt Sophie Zelmani im Krone.at-Interview. Sie verehrt den Poeten der Folksänger wie keinen anderen. „Er darf nicht von uns gehen! Was sollen wir ohne ihn tun?“ Nicht nur für die 35-jährige Schwedin, die Castingshows genauso wie Promotion nicht mag, würde damit eine Welt zusammenbrechen.

Sophie Zelmani hat vieles mit ihrem Idol gemein. Die minimalistischen Songs, die sparsame Instrumentierung, die vollkommen unkitschige Romantik ihrer Liebeslieder. Nur: Bob Dylan ist aufbrausend und zynisch-rebellisch. Sophie war das in ihrem ganzen Leben noch nicht.

Den Titel ihres nunmehr sechsten Albums hat ein Song vorgegeben, „Memory Loves You“. Sophie: „Manchmal spielen dir deine Erinnerungen Streiche. Es kann sehr schön sein, wenn man sich an gewisse Dinge erinnert. Aber dann willst du lieber vor ihnen davonlaufen“. Sie überlegt kurz, dann seufzt sie: „Ja, manchmal ist es gut, sie zu vergessen.“ Auf dem von genialen Hooks und zierlichen Mandolinensoli geprägten Countrysong trifft ihr Schlagzeuger die sonst tonangebende Hi-Hat nur zwei Mal im ganzen Stück, dafür unbeschreiblich intensiv.Ein gutes Beispiel für die minimalistische Instrumentierung ihres Werkes. „Es muss immer einen Grund geben, warum etwas da ist. Wenn man schöne Dinge zu oft macht, werden sie langweilig. Einen guten Akkord musst du nicht dauernd spielen, damit verdirbst du ihn“, erklärt sie.

Gibt man sich ihren Songs hin, hört man wie die Welt stehen bleibt, denn in ihrem kleinen Musik-Universum steht Sophie Zelmani ganz behutsam auf der Bremse. Während sie bei jeder Antwort zuerst einmal ein paar Sekunden überlegt, kommt diese wie aus der Pistole geschossen und fast schon auf Zimmerlautstärke: Bewegt sich die Welt zu schnell? „Ja, auf jeden Fall! Alles geht zu schnell. So schnell, dass wir kaum mehr mithalten können. Einfach alles.“

Was Sophies Haltung zu Interviews betrifft, ist das eine ganz eigene Sache. „Ich hasse es, über mich selbst reden zu müssen. Wenn ich heute Abend nach Hause komme, werde ich mich zwei Wochen lang schrecklich fühlen“, sagt sie und beim Zuhören rutscht einem das Herz in die Hose. Es sei geradezu schrecklich für sie, Interviews geben zu müssen. Auch wenn sie gleich im Anschluss den verzagten Blick ihres Gegenübers einfängt und beschwichtigend hinzufügt: „Ähem, aber es hat nichts mit Journalisten zu tun. Versprochen.“

Wenn man Sophie Zelmani fragt, wozu Musik eigentlich da ist, offenbart sie ihre stille Verachtung für schlechten Pop und zugleich beginnt das Feuer für ehrliche, handgemachte Musik zu lodern. „Für viele scheint Musik gar keinen Zweck zu erfüllen. Und manche Musik erfüllt tatsächlich keinen Zweck. Für mich ist sie sehr wichtig, ich spüre etwas dabei. Musik lässt mich fühlen. Manchmal lege ich eine Platte nur auf, weil ich mich nach einem bestimmten Gefühl sehne.“

Wie schreibt sie Songs? „Nicht gezielt. Ich fühle es, wenn ich wieder so weit bin, ein Lied zu schreiben. Manchmal kommen zwei in einer Woche. Dann muss ich wieder die Tage zählen, bis dieses Gefühl wiederkehrt.“ Sie lebt auf einer Insel in Schweden, eine Stunde außerhalb der Stadt. Ist sie dorthin gezogen, um besser schreiben zu können? „Ich dachte mir, dass es leichter ist zu schreiben, wenn ich nicht in der Stadt lebe. Aber in Wahrheit ist es egal, du kannst Musik überall komponieren. Am Land ist bloß das Leben ruhiger, die Dinge sind nicht so hektisch.“ Wer schreibt ihre Geschichten, das Leben oder ihre Phantasie? „Ich muss einen Song nicht erlebt haben. Viele Dinge, über die ich schreibe, sind meinen Freunden passiert. Ich versetze mich dann in ihre Lage und erzähle die Geschichte aus ihrer Sicht.“

Das Interview mit Sophie dauert knappe 45 Minuten. Sie nimmt sich viel Zeit, für ein Gespräch, aber auch für sich selbst. Sie wartet mit einem Satz gerne mal eine Minute oder zwei und spricht stets so wie sie singt: unglaublich leise und faszinierend akzentuiert. Wann hat sie zuletzt jemanden angebrüllt? Wird sie überhaupt laut? „Doch. Erst letzte Woche, bei meiner Tochter. Aber ich bereue es schon wieder.“

In ihren Songs benützt sie kaum harte Worte. Damit sind noch gar keine Schimpfwörter gemeint, es scheint, als komme ihr nie ein bestimmendes Nein über die Lippen oder eine kleine Verwünschung, eine Zurechtweisung, eine leichte Korrektur. Sophie stimmt zu, es mag einem wohl so vorkommen, relativiert aber gleich wieder: „Vielleicht hört man es nicht so, aber ich verstecke oft kleine Racheakte in meinen Liedern. Ja, in meinen Songs kann ich mich rächen. Man muss nicht fluchen, um gemein sein zu können.“ Kaum vorstellbar, dass sie überhaupt gemein sein kann...

9 von 10 schüchternen Inselbewohnerinnen

Christoph Andert

Sophie Zelmani gastiert mit ihrer Band und „Memory Loves You“ am 8. April in der Wiener Szene. In der Infobox gibt’s einen akustischen Vorgeschmack auf das neue Songmaterial.

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