Betroffene erzählt

Kosten plötzlich zu hoch – Land stoppt Integrationsprojekt

Kärnten
26.11.2009 17:22
"Fürs Foto habe ich extra nicht gelacht", sagt Rita Koder. "Weil nach Lachen ist mir jetzt nicht zumute." Die 19-Jährige aus St. Kanzian ist eine von acht betroffenen Behinderten, die ab Dienstag überraschend aus einem Arbeitsprojekt fliegen, weil dem Land die Kosten für Integration und Bildung plötzlich zu hoch sind.

"Krone": Rita, dieses Projekt soll Schwerstbehinderten helfen, sich in der Arbeitswelt zurechtzufinden. Darf ich fragen, was Ihnen fehlt?
Rita Koder: Ich bin ein Sieben-Monatskind. Bei der Geburt wurden Hirnzellen geschädigt, die für die Motorik zuständig sind. Ich bin Spastikerin und habe auch Schwierigkeiten beim Lernen.

"Krone": Sie drücken sich trotzdem gewählter aus als viele andere in Ihrem Alter.
Rita Koder: Ja? Ich bemühe mich. Dabei habe ich nur neun Jahre Sonderschule hinter mir.

"Krone": Sonderschule?
Rita Koder: Für das Gymnasium hätte es nicht gereicht. Die Hauptschule hätte ich mit einem Stützlehrer wohl geschafft, aber da hat es leider kein Geld dafür gegeben. Einige haben wohl gemeint, bei dem Mädl zahlt sich so viel Aufwand gar nicht aus.

"Krone": So wie das Projekt, bei dem Sie arbeiten. Auch da reicht das Geld nicht.
Rita Koder: Ich sitze zwar im Rollstuhl, aber da reißt es einem schon den Boden unter den Füßen weg. Wissen Sie, warum uns "NUEVA" so viel bedeutet und warum wir darum kämpfen und nicht irgendwo irgendwie unterkommen möchten? Weil es hier den Behindertenbonus nicht gibt. Keiner sagt: Du armes Tschapperl, du. Hier sind wir alle gleich und natürlich brauchen wir oft Hilfe. Die bekommen wir, aber mehr nicht. Deswegen habe ich mich schon so darauf gefreut, dass ich endlich arbeiten kann und ernst genommen werde. Und jetzt ist alles umsonst.

"Krone": Sie sind erst 19. Was wäre denn Ihr Traumberuf?
Rita Koder: Krankenschwester! Ich weiß nicht, ob Sie das schreiben sollen – schließlich ist klar, dass ich das niemals sein kann. Aber ich möchte wenigstens mit Menschen arbeiten, reden und helfen. Wenn ich mit anderen Behinderten spreche, ihre Bedürfnisse erfasse und diese Daten zusammentrage, dann kommt das meinem Traumjob schon sehr nahe.

"Krone": Vielleicht kommt auch ungelegen, dass behinderte Menschen andere Betroffene fragen, was in Heimen und bei der Betreuung besser gemacht werden könnte.
Rita Koder: Das fragen wir uns auch, ob das Land gar nicht hören will, was wir brauchen! Und was wir geben können. So viel wurde uns versprochen und nichts gehalten.

"Krone": Wie geht's für Sie weiter?
Rita Koder: Keine Ahnung. Offiziell gilt jemand wie ich als arbeitsunfähig. Ich könnte eine Beschäftigungstherapie machen, in einer Werkstätte malen, häkeln, schleifen – nie wieder will ich das tun! Da bin ich komplett unterfordert. Manchmal denk ich, man will Menschen wie mich irgendwohin wegsperren und sich nicht groß drum scheren müssen. Schön ist das wirklich nicht.

von Kerstin Wassermann ("Kärntner Krone")

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