Schock in Norwegen

Mehr als 150 Sex-Opfer in “Dorf des Grauens”

Ausland
29.11.2017 09:59

Viele haben es gewusst, Dutzende waren davon betroffen, alle haben geschwiegen: In einer kleinen Gemeinde im Norden Norwegens sind Dutzende Menschen über Jahre hinweg Opfer sexueller Übergriffe geworden, ohne dass jemand einschritt. Bei ihren Ermittlungen zu den Vorgängen in der Gemeinde Tysfjord seien sie auf 151 Fälle sexueller Gewalt gestoßen, darunter 43 Vergewaltigungen, teilte die Polizei mit. Unter den Opfern sind auch Kleinkinder.

Bisher seien 82 Opfer im Alter von vier bis 75 Jahren sowie 92 Verdächtige identifiziert, sagte Kommissarin Tone Vangen am Dienstag. Die meisten Fälle in dem nicht einmal 2000 Einwohner zählenden "Dorf des Grauens" sind bereits verjährt, die ältesten gehen auf das Jahr 1953 zurück.

Beichte statt Justiz
Viele Verdächtige seien Ureinwohner Lapplands oder Laestadianer, Anhänger einer konservativen protestantischen Strömung mit besonders strengen moralischen Maßstäben, sagte Vangen weiter. Das bedeute aber nicht, dass "die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk oder einer Glaubensrichtung" derartiges Verhalten erklären könne. Allerdings könnte sie eine Erklärung dafür bieten, warum die Übergriffe so lange totgeschwiegen worden seien: So zählten Laestadianer eher auf die Beichte als die Justiz, in anderen Fällen begünstige Abschottung das Schweigen.

Männliche und weibliche Opfer
Die Affäre ins Rollen gebracht hatte die Zeitung "Verdens Gang" im Juni des Vorjahres mit Berichten von elf männlichen und weiblichen Opfern sexueller Übergriffe. Erst danach nahm die Polizei Ermittlungen auf. Kommissarin Vangen bat auch im Namen der Polizei um Entschuldigung, dass diese trotz einer Reihe von Anzeigen nicht früher tätig geworden sei.

"Enorme Ausmaße" der Übergriffe
Bürgermeister Tor Asgeir Johansen sprach von einem "enormen Ausmaß" der Übergriffe. "Das ist eine kleine Gemeinde, und es ist klar, dass dies Spuren hinterlässt", sagte er der Nachrichtenagentur NTB.

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