Schlepper in Ungarn

71-facher Mörder grinst breit zum Prozessauftakt

Österreich
21.06.2017 10:48

Turbulent hat der Schlepperprozess gegen zehn der elf Angeklagten im Gericht in Kecskemet in Ungarn begonnen. Zunächst grinste der Hauptangeklagte, ein 30-jähriger Afghane, beim Eintritt in den Gerichtssaal breit. Nach diesem respektlosen Auftritt forderte er auch noch einen neuen Dolmetscher. Mitten während der Anklageverlesung wollte der mutmaßliche Bandenboss dann plötzlich doch eine Aussage machen. Der Richter unterbrach ihn jedoch bestimmt: "Sie werden jetzt kein Geständnis ablegen."

Insgesamt gehören elf Männer der Bande an, ein Mitglied ist noch auf der Flucht. Wo sich der 44-Jährige aufhält, ist unklar. Gegen ihn wird in Abwesenheit verhandelt. Ein weiterer Komplize ist in Bulgarien in Haft, sein Verfahren soll im Ausland abgehalten werden, beantragte die Staatsanwaltschaft.

Unter schwerer Bewachung und in Handschellen wurden die Angeklagten Mittwochfrüh in den Gerichtssaal geführt. Teils vermummte Justizwachebeamte begleiteten die Männer, die für den grausamen Erstickungstod von 71 Flüchtlingen im August 2015 verantwortlich sein sollen. Deren Leichen wurden in einem Kühl-Lkw bei Parndorf im Burgenland gefunden.

Der mutmaßliche Bandenboss und Hauptangeklagte hielt zum Auftakt des Verfahrens ein Transparent in arabischer Sprache in der Hand.

Außerdem lehnte der 30-Jährige den vom Gericht zur Verfügung gestellten Dolmetscher ab. Er würde nicht alles verstehen, was dieser übersetze. "In Afghanistan gibt es 30 Dialekte. Ich kann nicht alles verstehen", so der Angeklagte. Und weiter: "Ich bin bereit, vor Gericht auszusagen. Aber ich bestehe darauf, meinen Dolmetscher zu bekommen."

Während der Anklageverlesung überlegte es sich der Afghane dann aber anders. Er wollte eine Aussage machen, der Richter untersagte ihm dies: "Es ist noch nicht an der Zeit."

Über 1200 Menschen nach Europa geschleppt
Den elf Beschuldigten werden unter anderem qualifizierter Mord und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Die Bande soll laut Anklage mehr als 1200 Menschen illegal nach Westeuropa gebracht haben. Seit Juni 2015 schmuggelte sie verstärkt Flüchtlinge von Serbien über Ungarn nach Österreich bzw. Deutschland. 31 solcher Fahrten konnte die Staatsanwaltschaft in Ungarn nachweisen.

Wie es in der Anklage heißt, sollen die Schlepper bei einer Fahrt sogar 95 Menschen transportiert haben. Die Fahrzeuge wurden für diese Schleppungen zwar immer größer, aber nicht sicherer. Immer wieder wurden Menschen in den Laderäumen ohnmächtig. Sie versuchten alles, um irgendwie an Sauerstoff zu gelangen: Die Geschleppten rissen dafür die Gummidichtungen an den Türen auf und schlitzten Planen auf. Laut Anklage wählten die Schlepper genau aus diesen Gründen den Kühllaster - der gut verschlossene Lkw wurde schließlich 71 Menschen zum Verhängnis.

Lenker durch Gewaltandrohung unter Druck gesetzt
Die Lenker der Transporter sollen für eine Fahrt zwischen 200 und 5000 Euro erhalten haben. Brisant dabei: Weigerte sich ein Fahrer, für die gebotene Summe eine Schleppung durchzuführen, sei er laut Anklage von den Drahtziehern mit körperlicher Gewalt bedroht worden. Im Falle eines Bulgaren willigte dieser unter diesen Umständen ein, eine gefährliche Fahrt gegen die Bezahlung von nur 200 Euro durchzuführen.

Dem 30-jährigen Hauptangeklagten wird vorgeworfen, das meiste Geld in seine Heimat überwiesen zu haben. In Afghanistan werden zudem weitere Bandenchefs vermutet, deren Identität bislang aber unbekannt ist.

Ins Gericht von Kecskemet kamen vor allem internationale Medien. Rund 100 Journalisten kämpften um die 80 Sitzplätze im historischen Gerichtssaal. krone.at ist vor Ort.

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