Heime, Reha-Zentren

Das teure “Spielzeug” der Sozialversicherungen

Wirtschaft
08.04.2017 09:34

Die 21 heimischen Sozialversicherungsträger verwalten nicht nur Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung, sie sind auch als Unternehmer tätig. 154 eigene "Einrichtungen" werden betrieben, Kurheime, Reha-Zentren, Ambulanzen und sogar Spitäler. Doch mehrere Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass in diesem System enorm viel Geld "verbrannt" wird.

Schon 2007 (!) hat das Sozialministerium errechnet, dass "Aufenthalte in den eigenen Einrichtungen mehr als das Doppelte kosten" als bei Privaten, mit denen die Träger Verträge abgeschlossen haben. Einige Jahre später listete eine Consulting-Firma, die im Auftrag einiger Sozialversicherungen (SV) tätig war, die Gründe für die hohen Ausgaben explizit auf.

  • Zu hohe Personalkosten: Denn der Kollektivvertrag privater Krankenanstalten ist im Schnitt um 17 Prozent niedriger als jener der SV-Bediensteten. In den Einrichtungen werden alle Mitarbeiter nach dem SV-Gehaltsschema entlohnt. Die Dienstordnung ist unflexibel, es gibt Sonderrechte z. B. bei den Pensionen.
  • Fehlender Wettbewerb: Die Leistungen der eigenen Einrichtung werden zu hoch entschädigt. Es gibt keine Konkurrenz unter den Kurheimen oder Ambulanzen.
  • Defizitabdeckung: Der Großteil der Leistungen wird von der Pensionsversicherung getragen, wo es eine Ausfallshaftung des Bundes, also des Steuerzahlers, gibt.
  • Mangels Zusammenarbeit gibt es keine Synergien bei EDV, Controlling, Einkauf, Planung usw.

So schwankten z. B. in 26 Reha-Zentren bzw. Kuranstalten die Kosten pro Belegstag je nach Einrichtung zwischen 218 und rund 400 Euro. Das Einsparpotenzial gegenüber vergleichbaren privat geführten Anstalten wurde mit 166 Millionen Euro angegeben.

"Das Ganze ist überhaupt nicht sehr transparent"
"Das Ganze ist überhaupt nicht sehr transparent", weiß Martin Gleitsmann, der als Vertreter der WKÖ im "Verbandsvorstand" sitzt, eine Art Aufsichtsgremium der Sozialversicherungen. Doch die Träger sind alle selbstständig und stehen unter der Selbstverwaltung der Sozialpartner. Der Reformwille war bis jetzt nicht gerade stark ausgeprägt. Gleitsmann: "Da gibt es ein ziemliches Potenzial für Verbesserungen."

Manche Experten empfehlen einen Verkauf der Einrichtungen, anderen würde eine Ausgliederung genügen. "Wenn man einen privaten Betreiber holt, orientieren sich die Preise am Markt", so Gleitsmann. Die SV der Gewerblichen Wirtschaft (SVA) hat das mit Erfolg praktiziert und ihre Reha-Zentren an Private wie die Vamed oder die Vinzenz-Gruppe verpachtet, die Immobilien jedoch behalten ("Public-Private-Partnership"). Die Bauernkasse (SVB) hat ihre Häuser sogar mehrheitlich verkauft.

Ähnliche Modelle könnte sich Gleitsmann auch für die Ambulanzen oder sogar für die von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt betriebenen Unfallspitäler vorstellen, obwohl das dort aufgrund der Spezialisierung schwieriger ist.

Generell zeigt das Beispiel der Einrichtungen, wie hoch der Reformbedarf in der Sozialversicherung ist. "Das Geld, das man einsparen kann, sollte den Versicherten in anderer Form zugutekommen", schlägt Gleitsmann vor. Dazu bedarf es wohl eines Anstoßes des Gesetzgebers, denn die "Selbstverwaltung" erwies sich bisher als äußerst reformresistent.

Manfred Schumi, Kronen Zeitung

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