Brigitte Bierlein

Erstmals Präsidentin für Verfassungsgerichtshof

Österreich
21.02.2018 12:07

Die Regierung hat sich bei der Neubesetzung des Verfassungsgerichtshofs geeinigt. Vizepräsidentin Brigitte Bierlein soll wie erwartet Nachfolgerin von Präsident Gerhart Holzinger werden, sagte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Mittwoch vor dem Ministerrat. Nachfolger von Bierlein als Vizepräsident wird der Verfassungsrichter Christoph Grabenwarter. Er soll Bierlein 2020 nach ihrer Pensionierung auch als Präsident folgen. Von den drei weiteren Posten, die aufgrund von Pensionierungen nachbesetzt werden, geht einer an Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP). Für die anderen Posten nominiert das Parlament zwei Kandidaten, die allerdings vom National- bzw. Bundesrat per Mehrheitsentscheid zu bestimmen sind. Die FPÖ hat dafür zwei Favoriten.

Die Regierungsverhandlungen über die neuen Postenbesetzungen im VfGH hatten bis Dienstagabend gedauert. Ursprünglich war eine Verschiebung der Entscheidung um eine weitere Woche angekündigt worden, nun wurde das Regierungspaket für den VfGH doch vom Ministerrat beschlossen. Auf Wunsch der ÖVP und mit Zustimmung der FPÖ im Ministerrat wird Ex-Minister Wolfgang Brandstetter ins Höchstgericht einziehen. Brandstetter gilt als fachlich unumstritten, Kritik gibt es aber ob seines direkten Umstiegs aus einem Ministeramt ins Höchstgericht.

Mit Brigitte Bierlein wird eine Paradejuristin die erste Präsidentin des Gerichtshofes. Schon in der Generalprokuratur war sie 1990 die erste weibliche Generalanwältin. Bierlein wurde 2003 von der schwarz-blauen Regierung als Vizepräsidentin nominiert, ihre jetzige Beförderung zur Präsidentin soll auf dringenden Wunsch der FPÖ erfolgt sein. Mit den aktuellen Nachbesetzungen ist künftig die klare Mehrheit der 14 VfGH-Mitglieder eher dem konservativen bzw. rechten Flügel zuzurechnen. Sechs aktuelle und ein neues VfGH-Mitglied (Wolfgang Brandstetter) hat die ÖVP nominiert, die FPÖ hat das Vorschlagsrecht für zwei Nachrücker.

Wunschkandidaten der FPÖ müssen in Hearings
Allerdings werden die zwei weiteren freien Richterposten am Höchstgericht vom Parlament bestellt. Dafür halten Nationalrat und Bundesrat noch Hearings ab. Die FPÖ dürfte für die Hearings neben dem Linzer Universitätsprofessor Andreas Hauer den Wiener Rechtsanwalt Michael Rami vorschlagen, berichtet die "Presse". Rami, der der früheren Kanzlei von Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer entstammt, vertritt die Freiheitlichen seit Langem in Medienverfahren. Hauer war ursprünglich als Regierungskandidat gehandelt worden, da die Regierung ohne Hearing nominiert, und wurde zuletzt wegen seiner Mitgliedschaft bei der schlagenden Burschenschaft Corps Alemannia Wien zu Linz sowie seiner Rolle als Festredner beim Akademikerball im Jahr 2017 kritisiert. Nun müssen die beiden FPÖ-Kandidaten in die Hearings - was nicht unspannend werden dürfte. Neben Rami und Hauer haben sich rund 40 weitere Bewerber für die VfGH-Posten beworden.

Liste Pilz boykottiert Anhörungen: "Verarschung"
Die nicht-öffentlichen Anhörungen finden am 23. und 27. Februar statt, danach werden die Kandidaten nominiert. Just diese Anhörungen sorgten bereits für ersten Unmut, denn der Verfassungssprecher der Liste Pilz, Alfred Noll, kündigte am Mittwoch an, die Hearings zu boykottieren. Dass die Nachbesetzung längst von den Regierungsparteien "akkordiert worden ist", schaffe "ganz schlechte Voraussetzungen" und sei "eine Herabwürdigung aller Bewerber". Die zwei Hearings seien "reine Showveranstaltungen" und "reine Farce", sagte Noll.

"40 Bewerber werden im Viertelstundentakt durchgeschleust", sagte Noll. "Niemand kann in dieser Zeit die Qualifikation der Bewerber in Augenschein nehmen oder gar beurteilen", so der Nationalratsabgeordnete und Rechtsanwalt. Die Zeit reiche dabei zu nicht viel mehr als zur Frage, "welcher Aszendent zur Geburtsstunde des Kandidaten den Himmel beherrscht hat". "Man muss sich nicht verarschen lassen, und diese Veranstaltung ist eine Verarschung, eine Herabwürdigung der einzelnen Kandidaten und des Verfassungsgerichtshofs als zentraler rechtsstaatlicher Institution der Republik Österreich", sagte Noll. Damit würde die Öffentlichkeit "hinters Licht geführt". Die Liste Pilz hat nun beantragt, statt der Hearings eine öffentlich zugängliche Enquete abzuhalten.

Nächste Nachbesetzung schon 2019 nötig
Ernannt werden die neuen Höchstrichter schließlich von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Die nächste Nachbesetzung steht allerdings schon 2019 an: Bierlein muss Ende 2019 mit Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren in Pension gehen. Als ihr Nachfolger hat sich Christoph Grabenwarter - der jetzt zum Vizepräsidenten aufrückt - in Stellung gebracht. Wird er dann tatsächlich bestellt, kommt der aktuell mit 51 Jahren jüngste Verfassungsrichter zum Zug. Er könnte den VfGH 16 Jahre lang führen, bis 2036. Ein SPÖ-Ticket wird Ende 2025 frei, wenn die aktuell zweitälteste Verfassungsrichterin, Claudia Kahr, in Pension geht. Wer dann zum Zug kommt, hängt vom Ausgang der nächsten Nationalratswahl ab, die spätestens im Herbst 2022 zu schlagen ist.

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