TOTO in Hochform

TOTO: “Falling In Between Live”

Musik
21.12.2007 21:16
Die Meilensteine, die TOTO in den letzten dreißig Jahren auf den Pfad der Musikgeschichte pflasterten, ergeben mittlerweile ein ansehnliches Muster. Darunter befinden sich Hits wie „Africa“ oder „Rosanna“, das wegen seines von Jeff Porcaro kreierten Schlagzeugrhythmus‘ besonderen Stellenwert genießt. Mit „Falling In Between Live“ veröffentlicht die Band ein musikalisches Resümee ihrer letzten Tour, die sie mit ihrem besten Studioalbum seit „TOTO IV“ um die ganze Welt führte. krone.at sprach mit Schlagzeuger Simon Philips.
(Bild: kmm)

„Falling In Between Live“ wurde 2006 in Paris aufgenommen und zeigt TOTO zum ersten Mal ohne die beiden Gründungsmitglieder David Paich und Mike Porcaro. Paich war 2005 aus familiären Gründen vom Live-Leben zurückgetreten und wurde durch Greg Phillinganes (vormals bei Clapton, McCartney, Jackson, Jagger) ersetzt, der nun auch als TOTO-Mitglied agiert. Paich ist aber nach wie vor in der Band. Bassist Mike Porcaro laboriert an einer Handverletzung und wird durch Leland Sklar (auch Bassist von Phil Collins) vertreten. 

Die Doppel-CD (eine DVD wird Anfang 2008 folgen) erweist sich als Sammelstück für den Fan. Zum einen, weil sich darauf die Songs der neuen Platte als Live-Version mit einem intimen Akustik-Set befinden und Sänger Bobby Kimball dabei zur Hochform aufläuft. Zum anderen, weil Greg Phillinganes die Rolle von David Paich zu Gänze übernommen hat und der mit Abstand bessere Live-Musiker ist. „Africa“ verleiht er durch einen afrikanischen Akzent eine neuen Touch und auch bei den Solos punktet der von Stevie Wonder entdeckte Keyboarder.  

Die Tracklist des Albums setzt sich aus vielen Songs von „Falling In Between“ und anspruchsvollerem Material aus fast 30 Jahren TOTO zusammen. Neben den obligatorischen Hits wie „Rosanna“, „Africa“, „Hold The Line“, die wie gewohnt in leicht veränderten Arrangements präsentiert werden, zählen auch die Solos von Greg Phillinganes und Simon Philips (bei „Hydra“) zu den Höhepunkten des in anbetracht ihrer langen Karriere erst vierten Live-Albums von TOTO. 

Von Kritikern wurde „Falling In Between“ als das beste Studioalbum von TOTO sei dem legendären „TOTO IV“ gepriesen. Wie haben Sie das auf der Tour erlebt, konnten die neuen Songs gegen alte Klassiker wie „Africa“ oder „Rosanna“ ankommen?

Simon Philips: Uns hat nach den ersten Konzerten sehr beeindruckt, dass die Menschen im Publikum einen Großteil der Lyrics mitsingen konnten. Sie hatten ihre Hausaufgaben überraschend gut gemacht und kannten die neuen Songs fast alle auswendig. 

Mir hat Greg Phillinganes Performance bei „Africa“ am besten gefallen. Der Akzent gibt dem Song einen völlig neuen Touch. War es schwierig, sich auf ein neues Bandmitglied bzw. einen neuen Musiker einzustellen?

Simon Philips: Eigentlich nicht, weil wir ja den richtigen Mann für diesen Job ausgesucht hatte. Es ging uns dabei nicht nur um den musikalischen Background, er musste auch als Person in die Band passen. Immerhin verbringt man Tage und Wochen auf engem Raum im Tourbus - das ist, wie wenn sechs Leute heiraten. (lacht) Du brauchst jemanden mit Erfahrung und einer Geschichte, die deiner ähnlich ist. Und Greg hat das. Von „schwierig“ kann also keine Rede sein.

Sich bei TOTO einzuleben dauert aber schon eine Weile, dafür brauchst du zwei, drei Jahre, das kann ich aus Erfahrung sagen. Dabei geht es nicht darum, die Songs zu lernen - die hast du drauf, sobald sie dich anrufen. Du musst lernen, wie die Band tickt und ihren „Spirit“ begreifen. Es passieren so viele Dinge abseits der Bühne..

Ist es eine Frage der Professionalität?

Simon Philips: Ja, auch. Wobei man das nur in Bezug auf die Musik verstehen darf. Du gehst mit ihnen auf die Bühne, du spielst deine Songs und weißt vor allem, wie man die Songs zu spielen hat. Abseits der Bühne, musst du aber auch kreativ sein und wirst gefordert. Bei TOTO zu spielen, bedeutet eine große Verantwortung - den Musikern und den Songs gegenüber. Das Schwierigste ist, sich dieser Verantwortung bewusst zu werden. Greg ist jetzt schon eine Weile dabei und hat auf dieser Tour gemerkt, dass man bei TOTO auch abseits der Bühne in die Band involviert ist. 

Steve Lukather beschwerte sich über die Lustlosigkeit vieler Amerikaner, zu TOTO-Konzerten zu kommen, obwohl Ihre CD-Verkäufe in den USA zufriedenstellend sind. Er sagte, TOTO werde in den nächsten Jahren nicht mehr so viele Konzerte in den Staaten geben. Sie sind als gebürtiger Brite der einzige Europäer in der Band. Leben auf unserem Kontinent die größeren „Konzertgeher“?

Simon Philips: Ja, absolut! Wir haben dazu sogar einen bandinternen Running Gag, der immer wieder kommt: „Wenn sie nicht englisch sprechen, lieben sie uns.“ (lacht) Fragen Sie mich nicht, warum das so ist - ich hab keine Ahnung! Ich kann es mir nur dadurch erklären, dass man dem Jazz gegenüber in Europa sehr freundlich gestimmt ist und damit auch etwas für Jazzrock oder jazzigen Rock übrig hat. In den USA erinnern sie sich eher an die großen Songs, als an die Band. Das heißt nicht, dass wir hier nicht auch großartige Konzerte erlebt hätten, wir bekommen auch viel Feedback vom Publikum. Aber es ist trotzdem nicht dasselbe, wie in Europa oder in Asien.

Ist nicht auch mit ein Grund, das TOTOs Musik sehr vielschichtig und bisweilen auch kompliziert ist - auch im Vergleich zu dem, was heute so an „Hits“ erscheint...

Simon Philips: Sagen wir es so: Es ist viel einfacher, TOTO-Songs zu hören, als sie zu spielen. (lacht) Du denkst dir zwar, dass es ein relativ simpler Song ist, aber versuch‘ ihn mal zu spielen! Der Shuffle in „Hold The Line“ klingt wie ein unkomplizierter Popsong. Diesen Rhythmus bei dem (langsamen, Anmk.) Tempo flüssig zu spielen, ist so ziemlich das Härteste, was TOTO zu bieten hat. 

Ich höre oft von Schlagzeugern, dass sie Jahre damit verbracht haben, die Ghostnotes auf der Snaredrum bei „Rosanna“ zu lernen...

Simon Philips: Eben. Dann wissen Sie ja ungefähr, was ich meine. (lacht) „Rosanna“ klingt in den Ohren aber trotzdem sehr einfach. Und ich glaube, das ist es, was TOTO berühmt gemacht hat. Wir könnten ziemlich verrückten Fusion spielen, wenn wir wollten, oder den Leuten den vertracktesten Freejazz um die Ohren knallen. Das ist zum Beispiel, was ich auf meinen Soloalben mache. Aber bei TOTO stellen wir die Musik, den Song in den Vordergrund. Es kann ruhig wie ein simpler Popsong mit einer Ohrwurmmelodie klingen, die Komplexität liegt aber stets im Verborgenen. Und jeder Musiker wird dir sagen können, das es bei Weitem nicht so einfach ist, wie es klingt. 

Es hat mich überrascht, Sie auf der „Falling In Between“-Tour mit einem verhältnismäßig kleinen Drumset während der kurzen Akustik-Session (siehe Bild oben, Anmk.) in der Mitte des Konzerts zu sehen. Mussten die Kollegen Gewalt anwenden und Sie von ihrer Trommelburg herunter „treten“?

Simon Philips: (lacht) Nein, das Set war sogar verhältnismäßig groß. Ich wollte bei dem Unplugged-Teil nicht mit einem Shaker oder Congas da sitzen und hatte die Idee zu diesem kleinen Clubset, das wir in die Mitte der Bühne stellten, ganz nah zum Publikum. Das war auch der Sinn der Sache. Beim akustische Teil sollte jeder die Gelegenheit zu einer kurzen Pause haben, was den angenehmen Nebeneffekt hatte, dass wir die Songs sehr nahe an den Zuhörer bringen konnten. Die Atmosphäre war sehr intim.

Ist es korrekt, Ihnen zu unterstellen, dass sich TOTO in den letzten paar Jahren viel weiter entwickelt hat, als das in den gesamten fünfzehn Jahren zuvor der Fall war?

Simon Philips: Ich hoffe, dass das zutrifft! (lacht) „Falling In Between“ ist wohl das beste Argument dafür. Wir taten bei diesem Album keinen Blick zurück und hielten uns beim Songwriting frei von äußeren Einflüssen. Das heißt, die Plattenfirma hatte kein Wort zu melden! (lacht) Wir schrieben einfach, was wir wollten und es war uns egal, ob dabei eine Hitsingle mit Chartpotenzial herauskommen würde. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum die Platte bei den Kritikern so gut ankam. Wir haben noch viel vor!

Sie haben im Laufe ihrer Karriere mit unglaublich vielen namhaften Künstlern gespielt und auf einigen Hit-Alben getrommelt. Was hält sie bei TOTO?

Simon Philips: Gute Frage! Als ich 1992 zum ersten Mal mit TOTO als Ersatz für Jeff Porcaro spielte, hatte ich ein absolutes „WOW-Erlebnis“. Jeder in dieser Band spielt großartig, sie haben ein umwerfendes Timing und ich fühlte mich rren sich, wie keine andere. Ich hatte davor schon mit - in finanziellen Gesichtspunkten - viel größeren Bands wie The Who oder Mick Jagger gespielt und erst bei TOTO sah ich, wie bei den anderen das Geld zum Fenster rausgeschmissen wurde und man sich um viele wichtige Dinge einfach nicht genug gekümmert hatte. Sie wären überrascht, wieviel da unter den Tisch fiel, trotz der ungleich größeren Anzahl von Leuten, die für diese Bands arbeiteten. TOTO definiere ich als mittelgroße Unternehmung und es überrascht mich immer wieder aufs Neue, wie sehr man sich hier um alles kümmert. 

Naja, und dann ging ein Jahr vorbei, zwei Jahre und jetzt sind es fünfzehn Jahre. Was soll ich sagen? (lacht) Für mich ist es daneben noch eine Herausforderung, nicht nur der Drummer von TOTO sein zu können. Wenn sie mich nur deswegen in der Band hätten, wäre ich schon vor langer Zeit gegangen. Aber nein, ich habe das letzte Album aufgenommen und die letzte DVD-Produktion gemischt - sie haben mir viel Vertrauen geschenkt und mich über ihren Sound bestimmen lassen. Ich schreibe auch alle Setlists und lege sie dem Rest der Band vor. Das ist weit mehr als nur die Rolle des Drummers. Wenn du so viel Vertrauen genießt, dann bleibst du auch dabei.

Es hieß, TOTO würden nach den letzten anstehenden Konzerten, die sie Anfang 2008 nach Südamerika führen, eine Weile Pause machen und vorerst nicht touren oder ins Studio gehen. Was werden Sie in dieser Zeit unternehmen?

Simon Philips: Mmh, das trifft sich außerordentlich gut, dass sie das fragen. (lacht) Ich bin gerade in New York und nehme die ersten Songs für ein neues Soloalbum auf. Ich habe während der Tour viel Material geschrieben und wurde vor ein paar Monaten auch noch krank. Während ich mich zuhause erholte, hatte ich viel Zeit um meine Songs auszuarbeiten und es sind ein paar Vollendete zusammengekommen. Nächste Woche werden wir mit den Aufnahmen beginnen. 

Wird es wieder Jazz pur?

Simon Philips: Jein. Es wird eine Mischung und definitiv Fusion-lastiger. Ich möchte noch nicht zu viel verraten, aber es wird auch World-Music-Elemente geben und ich werde viele Gastmusiker für das Projekt einladen. 

Was passiert eigentlich mit der 30-Jahre-Jubiläums-Tour von Toto, bei der viele Ex-Mitglieder dabei sein sollen, die aber in etwa dann beginnen müsste, wenn die letzten Termine der Falling-In-Between-Tour in ein paar Monaten gespielt sind? Können Sie zum Abschluss eine Prognose erstellen?

Simon Philips: Wann wir mit der Tour beginnen? Selbstverständlich! Die Zeit der Prognosenerstellung ist vor kurzem beendet worden. (lacht) Es wird ziemlich sicher Ende 2009 so weit sein, was dann in etwa die „31st Anniversary Tour“ wäre... 


Von Christoph Andert

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