Eingefleischten Deep-Purple-Fans treibt es die Tränen in die Augen, wenn Blackmore heute mit seinem Burgfräulein zu Liedern wie „Durch den Wald zum Bachaus“ auf der Bühne tanzt. Früher hatte er noch Wut- und Gelbsuchtanfälle auf der Bühne, bewarf Kameramänner mit vollen Bierbechern oder lieferte sich Infights mit Ian Gillian.
Aber „Blackmore‘s Night“ stellt die künstlerische Erfüllung des ehemaligen Hardrockers dar. Als Kind musste er zuerst klassische Gitarre lernen, bevor ihm sein gestrenger Vater eine Fender Stratocaster kaufte, mit der Blackmore die legendärsten Deep-Purple-Solis spielte und Generationen von Gitarristen beeinflusste. Der junge Ritchie mochte aber die Etüden und übte sie jahrelang, selbst als er schon mit Deep Purple und später Rainbow spielte. Mit „Blackmore‘s Night“ lebt er jetzt alle Facetten seiner musikalischen Vorlieben aus. Die Songs klingen nach Minnesang, irischem Folk, germanischer Musik (ein Teil der Band stammt aus Deutschland) und schließlich Hardrock. Denn auch wenn er geschnürte Raulederstiefel trägt, heißt das noch lange nicht, dass die alte Strat mit den ausgehöhlten Bünden und dem fehlenden Mitteltonabnehmer im Koffer verstaubt.
Die DVD „Paris Moon“ entstand letztes Jahr in Frankreich und zeigt die Band in Topform zur Halbzeit der Tour. Der zweistündigen Konzertaufzeichnung mit Bonusmaterial liegt auch eine CD mit 12 Tracks bei. Blackmore spielt auf der im Stil eines Burghofes gehaltenen Bühne mit Weinfässern, Laternen und Zinnengemäuer teils doppelhalsige Akustikgitarren in Lautenform, die er sich extra bauen ließ, E-Gitarre, Mandola und sogar eine mittelalterliche Drehleier. Das frühere Model Candace Night hat seit der ersten Blackmore‘s-Night-CD ordentlich dazugelernt und sorgt neben den Lead Vocals mittlerweile auch für die Bedienung von Thin Whistle und Shalmei. Der Rest der Band umfasst Bassist, Keyboarder und die zwei Backgroundsängerinnen Lady Madeleine und Lady Nancy. Blackmore treibt seinen Mittelalter-Spleen soweit, dass sich die ganze Band Namen wie „Sir Robert of Normandie“ oder „Squire Malcom of Lumley“ zulegen musste. Ob sie beim Essen Besteck benutzen dürfen, ist nicht sicher.
Spaß beiseite, zurück zu „Paris Moon“: Neben schwungvollen Eigenkompositionen wie „The Village Lantern“, „Home Again“ und „Loreley“ enthält die Setlist auch Traditionals wie „Past Times With Good Company“ von König Heinrich VIII, eine Coverversion von Joan Baez‘ „Diamonds & Rust“ sowie den Deep-Purple-Song „Soldier Of Fortune“. Als Reminiszenz an die gute alte Zeit knallt Blackmore zwischendurch Beethovens „Ode an die Freude“ als brachiales Gitarrensolo mittendrein. Das Konzert dokumentiert einmal mehr den ungewöhnlichen Wandel Ritchie Blackmores vom Hardrock-Hero zum Knappen. Wer auch eine Live-DVD von Deep Purple besitzt, sollte sich „Paris Moon“ einmal zur Gemüte führen und Blackmore der guten alten Zeit wegen die Aufmerksamkeit schenken - musikalisch gibt „Blackmore‘s Night“ einiges her, auch wenn man nicht in einer Ritterburg wohnt oder ein Faible für Robin Hood hat.
7 von 10 ritterlichen Punkten
Christoph Andert
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.