Türkis-Blau einig:

12-h-Arbeitstag wird jetzt – freiwillig – möglich

Österreich
06.12.2017 18:09

Die Chefverhandler von ÖVP und FPÖ haben sich am Mittwoch auf eine Reihe von Maßnahmen geeinigt, die den Wirtschaftsstandort Österreich stärken sollen. Unter anderem soll die lange zwischen SPÖ und ÖVP sowie unter den Sozialpartnern höchst umstrittene Arbeitszeitflexibilisierung kommen. Dabei soll es künftig auch die freiwillige Möglichkeit eines Zwölf-Stunden-Arbeitstags geben, wie ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nach der Mittwochsrunde vor versammelter Presse verkündeten.

Die "Neuregelung zur Flexibilisierung und Entbürokratisierung der Arbeitszeitgesetze (Arbeitszeitgesetz, Arbeitsruhegesetz)" sieht die Beibehaltung der gesetzlichen wöchentlichen Normalarbeitszeit vor. Kollektivvertragliche Regelungen der wöchentlichen Normalarbeitszeit bleiben unberührt, heißt es. Die Betriebsebene soll zugleich gestärkt werden.

Betriebe sollen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat bzw., wenn es einen solchen nicht gibt, direkt mit dem Arbeitnehmer über eine Einzelvereinbarung mehr Möglichkeiten zur Gestaltung flexibler Arbeitszeiten erhalten. Weiters ist - bei gleichbleibendem Regelungsregime der Zuschläge - die Anhebung der Höchstgrenze der Arbeitszeit auf zwölf Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich vorgesehen. Im Tourismus, in der Hotellerie oder Gastronomie soll die Ruhezeit für Betriebe mit geteilten Diensten von elf auf maximal acht Stunden verkürzt werden. Bei den Gewerkschaften dürften all diese Pläne auf Widerstand stoßen.

"Bürokratie-Check" bei neuen Gesetzen
Weitere Maßnahmen, die den Wirtschaftsstandort stärken sollen: Bürokratieabbau und Reduktion von Vorschriften für Unternehmen, Sicherung des Fachkräftebedarfs, praxisgerechte Gestaltung von Arbeitszeitregelungen für Betriebe und Beschäftigte, Sicherung der Unternehmensfinanzierung und Stärkung des Kapitalmarkts sowie Forcieren der Internationalisierung. Die Rahmenbedingungen sollen an die veränderten Arbeitswelten angepasst, der Fachkräftemangel behoben werden.

Alle neuen Gesetze sollen laut den türkis-blauen Plänen künftig einem "Bürokratie-Check" unterzogen und bestehende Vorschriften mit dem Ziel einer Reduktion durchforstet werden. "Rücknahme von gold plating für Unternehmer", heißt es dazu im ÖVP-FPÖ-Papier. Die Meldung von Schadstoff- und Abfallmengen soll vereinfacht und Unternehmen von statistischen Meldepflichten entlastet werden. Auch die langen Behördenwege bei Bauprojekten von Unternehmern sollen verkürzt werden.

SPÖ: "Politik gegen Arbeitnehmer und für Konzerne"
Kritik an den am Mittwoch vorgestellten türkis-blauen Wirtschaftsplänen kam erwartungsgemäß von der SPÖ: "ÖVP und FPÖ haben überhaupt keine Vision für Österreich", befand der geschäftsführende rote Klubobmann Andreas Schieder. "Der gemeinsame Nenner der beiden ist eine Politik gegen die Arbeitnehmer und für die Konzerne." Maßnahmen wie die Anhebung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden pro Tag oder eine Verringerung der Ruhezeiten in bestimmten Branchen kritisierte Schieder als arbeitnehmerfeindlich. "Kurz und Strache haben hier nur die Profite der Konzerne und nicht die Gesundheit und die Familien der Beschäftigten im Blick."

Datenschützer protestieren gegen Überwachungspaket
Vor dem Verhandlungsort im Wiener Palais Epstein fand sich eine kleine Gruppe von rund 15 Demonstranten der Datenschutzinitiative epicenter.works ein. Sie protestierten gegen die von ÖVP und FPÖ geplante Neuauflage des Überwachungspakets mit Bundestrojaner, Vorratsdatenspeicherung von erfassten Auto-Kennzeichen, Videoüberwachung im öffentlichen Raum sowie möglichen Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte.

Die Koalitionsverhandlungen befinden sich nun offenbar auf der Zielgeraden. Am Dienstag fanden "bilaterale Gespräche" innerhalb der "Steuerungsgruppe" statt, zugleich sollen Kurz und Strache auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen über die Entwicklung der Koalitionsgespräche informiert haben.

ÖVP und FPÖ versichern: Homo-Ehe wird Gesprächsklima nicht trüben
Das jüngste Urteil des Verfassungsgerichtshofs, der gesetzliche Regelungen aufgehoben hat, die homosexuellen Paaren bisher den Zugang zur Ehe verwehrt hatten, werde das Klima der Koalitionsgespräche nicht negativ beeinflussen, hieß es seitens der beiden Parteien - auch wenn FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl der ÖVP "doppeltes Spiel" vorwarf, hatte doch die Partei von Kurz 2009 die eingetragene Partnerschaft mitbeschlossen.

FPÖ-Verhandler Norbert Hofer meinte am Mittwoch, dass die Entscheidung von 2009 erst zur aktuellen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs geführt habe. "Das war keine kluge Entscheidung. Ich möchte Sebastian Kurz nicht den Schwarzen Peter zuschieben, aber die ÖVP hat eine Mitverantwortung." Laut Hofer werde es deshalb aber zu keinen Brüchen oder Verzögerungen bei den Verhandlungen kommen.

ÖVP-Verhandler Gernot Blümel wiederholte die ÖVP-Linie, wonach die VfGH-Entscheidung zu akzeptieren und die weitere Vorgangsweise in Sachen Ehe und Verpartnerung zu besprechen sei. Auch in der FPÖ nehme man die Entscheidung des Höchstgerichts zur Kenntnis. Eine Zweidrittelmehrheit zur Rücknahme sei laut Hofer "nicht in Sicht".

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