Am kommenden Dienstag soll im Wiener Landesgericht für Strafsachen der Buwog-Prozess gegen Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte starten. Grassers Anwälte Manfred Ainedter und Norbert Wess wollen das verhindern. Sie haben am Mittwoch einen neuerlichen Ablehnungsantrag gegen Richterin Marion Hohenecker eingebracht, weil bei dieser ihrer Ansicht nach von Befangenheit auszugehen ist.
Für Grassers Verteidiger ergibt sich der Anschein der Befangenheit aus Äußerungen von Hoheneckers Ehemann - einem am Landesgericht Korneuburg tätigen Strafrichter - zum Buwog-Verfahren und zur Person Grassers. Im dem 28-seitigen Ablehnungsantrag nehmen Ainedter und Wess vor allem den Twitter-Account des Mannes ins Visier. Er hatte dort mehrere Tweets zur Person Grassers abgesetzt, die mittlerweile nicht mehr einsehbar sind.
"... weil Minister einander besser verstehen"
So soll Hoheneckers Ehemann dem Ablehnungsantrag zufolge im Jänner 2015 getwittert haben: "Sollte #bandion (gemeint: Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, Anm.) der Prozess gg. #grasser zufallen, wenn es denn je einen geben wird, so spricht es sich leichter von Minister zu Minister." Zwei Tage später folgte folgendes Statement: "Grasser-Prozess wartet noch auf Bandion-Ortner, weil Minister einander besser verstehen."
Das seit Oktober 2009 über YouTube abrufbare Musikvideo "Karl-Heinz" der Wiener Liedermacher Christoph und Lollo, das den Ex-Finanzminister aufs Korn nimmt, kommentierte Hoheneckers Ehemann im Februar 2015 mit der Bemerkung "immer noch aktuell!". Zu einer Zeitungsmeldung, Grasser müsse die Nutzung eines Porsche nachversteuern, stellte er im Herbst desselben Jahres "Na dann, jetzt haben sie ihn aber echt dran gekriegt ..." fest, wobei diese Anmerkung mit einem Emoticon versehen war.
Anwälte: "Bedenkliche Nachrichten"
Für Grassers Anwälte ergibt sich aus diesen "bedenklichen Nachrichten" - in ihrem Ablehnungsantrag sind rund ein Dutzend Tweets angeführt - "eine tiefe Abneigung" des Richters gegenüber Karl-Heinz Grasser. Hoheneckers Ehemann habe sich "in massiver Weise an der (medialen) Vorverurteilung" Grassers beteiligt. Zugleich stehe fest, dass dieser sich für prominente Fälle seiner Ehefrau besonders interessiere und sich eine "deutliche Meinung" bilde, die er "unverblümt" äußere. Dies wollen Ainedter und Wess aus Tweets ablesen, die der Ehemann nach dem von Marion Hohenecker geleiteten Prozess gegen den Ex-FPÖ-Politiker Peter Westenthaler verbreitet hatte.
Aus all dem schließen die Rechtsvertreter des Ex-Finanzministers, dass die Buwog-Richterin von ihrem Ehemann beeinflusst und die anstehende Hauptverhandlung parteiisch geführt werden könnte. Durch dessen gegen Grasser gerichtete Wortmeldungen "besteht konkret die Gefahr der Hemmung einer unparteiischen Entscheidungsfindung durch unsachliche Motive", so Ainedter und Wess. Sie halten eine unvoreingenommene Verhandlungsführung durch Marion Hohenecker für ausgeschlossen.
Der Präsident des Wiener Landesgerichts für Strafsachen, Friedrich Forsthuber, hatte Marion Hohenecker in einem anderen Zusammenhang Ende Juli 2017 als zuständige Buwog-Richterin für nicht befangen erklärt. Die Frage einer möglichen Befangenheit hatte sich damals aufgetan, nachdem der Anwalt des Buwog-Angeklagten Ernst Plech, Michael Rohregger, einen Antrag auf Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof eingebracht hatte.
Ablehnungsantrag wird inhaltlich geprüft
Gerichtssprecherin Christina Salzborn bestätigte Mittwochmittag den Ablehnungsantrag. "Dieser wird jetzt inhaltlich geprüft. Es ist davon auszugehen, dass der Präsident noch diese Woche darüber entscheiden wird", sagte Salzborn.
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