"Bystander-Effekt"

Phänomen Gaffer: Warum man trotzdem hinschaut

Österreich
27.11.2017 15:00

Gaffer und Schaulustige sind immer mehr ein Problem bei Einsätzen der Rettung oder Feuerwehr. Wie beim tödlichen Straßenbahnunfall in Wien im Sommer. Ob Sichtschutzwände wirklich die Lösung sind?

Der Einsturz der Reichsbrücke. Der tödliche Straßenbahnunfall in Simmering im Sommer. Die Flugzeuge, die ins World Trade Center krachten. Niki Laudas Feuerunfall. Die Todesfahrten von Ulli Maier oder Gernot Reinstadler, dessen fast abgerissenes Bein eine Blutspur durch den Schnee zog. Man sieht es. Immer wieder. Und dann noch einmal in Zeitlupe.

Nur wenig konnte den - leider schon verstorbenen - klugen "Krone"-Sportchef Christoph Wikus aus der Ruhe bringen. Als er erfuhr, dass vor den Lauberhorn-Rennen auf YouTube besonders häufig der Todessturz von Reinstadler gesucht worden war, war es aber so weit. Dieser Voyeurismus ekelte ihn an, und er schrieb zu dem Thema auch eine Kolumne. "Will man das wirklich sehen?", fragte er.

"Schlachtenbummler", also Menschen, die an die Kriegsfront reisen, gab es schon im 18. Jahrhundert. Alice Cooper - der am Montagabend in der Wiener Stadthalle gastiert - lebt seit den 1960ern von der Provokation mit Horrorelementen auf der Bühne. Die Dimension ist nur eine andere.

"Bystander-Effekt": Zusehen statt helfen
Die Psychologie nennt es "Bystander-Effekt", wenn Schaulustige zusehen, statt zu helfen. 300 Gaffer filmten den Straßenbahnunfall in Simmering diesen Sommer, bei dem eine Hochschwangere starb. Auch weil diese Gaffer den Rettungseinsatz blockierten. "Je mehr Menschen, desto höher die Anonymität, desto geringer die Verantwortung", meinte die Psychologin Brigitte Lueger-Schuster im ORF. Schaulustigen fehle es an Empathie.

Sichtschutzwände gegen "depperte Gaffer"
Die Polizei will nun die Strafen fürs Gaffen erhöhen, Rettungskräfte behelfen sich indes mit aufblasbaren Sichtschutzwänden. Diese sind bis zu 20 Meter lang und 2,10 Meter hoch.

Ein Facebook-User kommentierte: "Es ist schlimm, dass man zuerst wertvolle Minuten damit vergeuden muss, die depperten Gaffer abzuwehren, bevor man den Unfallopfern helfen kann." Und trotzdem schaut man wieder hin. Und dann noch mal in Zeitlupe.

Clemens Zavarsky, Kronen Zeitung

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