Katias Kolumne

Über wichtige Kritik und “Wien-Bashing”

Österreich
27.09.2017 11:57

10.000 begeisterte Besucher versammelten sich letzte Woche beim perfekt durchinszenierten Wahlkampfauftakt von Sebastian Kurz und seiner Neuen Volkspartei. Der Ort des Geschehens war nicht risikolos gewählt, fanden sich doch ÖVP-Granden, Unterstützer, Fans und Zuseher gerade in der Stadthalle der rot-grün-regierten Bundeshauptstadt ein.

Als sich dabei der schwarze - oder nunmehr türkise - Spitzenkandidat dann auch noch anmaßte, kritische Worte in Richtung Wiener Stadtregierung zu üben, war es mit dem kurzen Presseaussendungsfrieden vorbei. So sagte Kurz: "Die Zeit des Wegschauens ist vorbei. Es gibt genug Wiener, die sich überlegen, in einen anderen Bezirk umzuziehen, weil sie sich in ihrer Gasse mittlerweile etwas fremd fühlen. Michael Häupl sollte dieses Problem anerkennen und zugeben."

"Wien-Bashing", das sich die SPÖ "nicht bieten lassen" will
Die glaskinnhafte Antwort ließ nicht besonders lange auf sich warten, und so schoss die Wiener SPÖ in Windeseile retour: "So etwas Dummes habe ich überhaupt noch nie gehört", "Die Bundeshauptstadt leistet im Integrationsbereich nachweislich gute Arbeit" und "Ein Wiener lässt sich nicht beschimpfen und vor allem nicht die Arbeit, die er leistet". Sebastian Kurz betreibe laut der Wiener SPÖ-Landesparteisekretärin Sybille Straubinger "Wien-Bashing", das sich die SPÖ "nicht bieten lassen" will.

Ob es für die Arbeit einer Stadtregierung sinnvoll ist, das Aufzeigen und Ansprechen von Meinungen aus dem Volk, mag man sie selbst nun so empfinden oder nicht, ohne weitere Überlegung als "Wien-Bashing" abzutun und so jegliche Diskussion schon im Aufkeimen zu ersticken, ist fraglich. Kritikfähigkeit scheint offenbar kein Punkt am Stundenplan der SPÖ-Akademie zu sein.

Es gibt genug Druckkochtopfthemen
Dabei mangelt es nicht an Druckkochtopfthemen, die ein tatsächliches "Wien-Bashing" begründen würden: der unüberwindbare Schuldenberg der Stadt, die immer wiederkehrenden Bauskandale (Stichwort Krankenhaus Nord), die hohe Arbeitslosigkeit, der hohe Anteil an vor allem nicht-österreichischen Mindestsicherungsbeziehern, die stetig steigenden Gebühren für Wasser, Kanal und Müll und die daraus folgenden unnötig hohen Mietpreise, die Parkpickerl-Schikanen sowie die 80-prozentige Frühpensionierungsquote bei Wiener Beamten sind nur einige, wenige Highlights aus dem Wiener Problemkatalog.

Wir lernen daraus: Nur das Hinschauen zu möglichen Problemthemen in der Bundeshauptstadt reicht, um sich den geballten Zorn der Stadtregierung einzuhandeln. Offenbar wird jegliche Anmerkung, die nicht voll des überschwänglichen Lobgesangs ist, im Wiener Rathaus nach monarchistischem Prinzip als Majestätsbeleidung gewertet und auch dementsprechend dünnhäutig gehandhabt. Ein Unterschied zur Monarchie: In der Demokratie können Regierungen auch abgewählt werden. Spätestens bei der nächsten Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien 2020.

Katia Wagner

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