Weihnachts-Gedudel

Hilfe, die Xmas-CDs kommen!

Musik
14.11.2006 17:06
Alle Jahre wieder kommen sie - und nichts kann sie aufhalten: die Weihnachts-CDs! So fix wie das Amen im Gebet stürmen sie ab Anfang November aus dem nirgendwo in die CD-Regale und in die Werbung. „Stars“, von denen wir dachten, dass man sie nie wieder ein Album aufnehmen lässt, Sampler, deren Zusammenstellung man in seinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten hätte; Weihnachten ist definitiv ein lukratives Geschäft für die Plattenindustrie. Und wenn die CD-Pressen wieder heller glühen als der Morgenstern, die drei Könige statt Weihrauch und Myrrhe nur mehr Gold anschleppen und der Esel den Dukaten-Durchfall kriegt, dann ist es wieder soweit - da muss man zwischendurch schon mal die Spreu vom Weizen trennen...
kmm

Beim Online-Seller sucht man sich mit dem Begriff „Christmas“ dumm und dämlich. Über 17.000 Suchergebnisse allein in der Kategorie Pop und Klassik. Im Veröffentlichungsjahr 2006 kommen über hundert Sampler wie eine große Lawine angerollt. Zählen? Unmöglich! Selbst bei den Plattenfirmen kann sich kaum jemand Überblick verschaffen, sobald der Interpret „Various Artists“ sein soll. 

Ein kleiner Auszug gefällig? „Songs for Christmas“, „100 Meisterwerke Christmas“, „A Christmas Celebration“, „I love Christmas”, „Christmas Party“, „A Sacred Christmas“ und gut zehn CDs gibt’s mit dem Titel „Die schönsten Weihnachtshits“. Wer meint, das „Ultimate Christmas“ den Gipfel markiert, der irrt. Es gibt auch noch den „X-Mas Megamix“...

Besonders „in“ sind heuer weltmusikalische Kompilationen zum Schleuderpreis. Keltische, spanische, jamaikanische, irische, englische, italienische, konzertante, kubanische, klassische, jazzige, rockige und bluesige Weihnachten versprechen die Sampler, bei denen das Cover meist aussieht, als hätte es Herr Mustermann zuhause am PC gebastelt, mit seinem Tintenstrahldrucker ausgedruckt und das Booklet mit einer stumpfen Haushaltsschere zurechtgeschnipselt. Ach ja, Durchschnittspreis: fünf Euro. 

Zuhause vorm CD-Player kommt dann jäh die Ernüchterung. „Oh Tannenbaum“ klingt mit computergeneriertem Dudelsack und zwei unterbezahlten Kirchenchorsängern dann halt doch nicht so toll, „Last Christmas“ mit Panflöte könnte selbst den blutrünstigsten Wolf schon vor dem zweiten Refrain sedieren und für den alten Bing Crosby hätte man nicht weiter, als zum Supermarkt um die Ecke gehen brauchen.

Kaufberatung? Bitte: Wenn ein Plastikbaum und funkelnde Sternchen drauf sind – Hände weg. Selbiges gilt für Rentiere, Santa Claus, kichernde Elfen und andere Konsum-Götzenbilder. Befindet sich im Titel ein Superlativ wie „Mega“, „Ultimate“ oder gar „Geil“ (nicht lachen, alles schon da gewesen) so steht das in der Regel für „Fad“, „Langweilig“ bis „Anödend“. Fazit: Wer wirklich einen guten Sampler haben will – dass es viele gibt, heißt ja noch lange nicht, dass sie alle mies sind – geht mit einer Portion Selbstvertrauen zum Plattenhändler seines Vertrauens und fragt mit einem Lächeln im Gesicht nach den Geheimtipps. 

Interessanter – und auch amüsanter – wird’s bei den Weihnachts-CDs der Künstler. Aus der Schmuseecke warten heuer Papermoon mit „Christmas unplugged“ auf. Das Austria-Duo bevorzugt dabei eher traditionelleres Liedgut wie „Mary’s Boy Child“ oder „Amazing Grace“ und Xmas-Hadern wie „Last Christmas“ und „Little Drummer Boy“. Mystisch und vielversprechend wird’s bei Enya, deren Album „Amarantine“ fast ausschließlich aus Eigenkompositionen besteht und 2006 als Christmas-Edition recycelt wird. Kirchlich angehauchtes bieten die Chorknaben von Gregorian mit „Christmas Chants“. Zu den Tipps zählt auch Billy Idols Weihnachtsalbum „Happy Holidays“, für die, die’s gern mit etwas Lippeneinsatz haben. In Ischgl zeichnete Sarah Connor letztes Jahr ihr Konzert „Christmas In My Heart“ auf. 2006 gibt es diese kitschige Weihnachts-Sternstunde des Pop auf DVD, für alle die’s nochmal brauchen. Besinnlich wird’s mit Sicherheit bei Ex-Bee-Gee Robin Gibb, der seine „Favourite Christmas Carols“ auf CD gebannt hat.

Von da an geht’s irgendwie abwärts. Diana Krall und Amee Mann hätten ihre Weihnachtsalben zusammen aufnehmen können, denn beide singen „I’ll Be Home For Christmas“, „Have Yourself A Merry Little Christmas“ und noch acht bis zehn andere Lieder, die mehr oder weniger dasselbe aussagen. An „I’ll Be Home For Christmas“ versuchen sich heuer übrigens auch Country-Fee Rhonda Vincent und Samtstimme Sarah MacLachlan. „Have Yourself A Merry Little Christmas“ findet man auch auf dem 2006er-Weihnachtsalbum von Folklegende James Taylor, der damit allerdings Vertrauen einbüßt. Beide Songs plus „Let It Snow“ singen auch Die Jungen Tenöre und Bette Midler, die halt auch irgendwie an Geld kommen muss. 

Den Vogel schießt allerdings Elvis Presley aus dem Grabe ab: Am 3. Oktober 2006 ist (s)ein Weihnachts-Album erschienen, auf dem es der King gar nicht erwarten kann, am Weihnachtsfeiertag zuhause anzukommen. „I’ll Be Home For Christmas“, „I’ll Be Home On Christmas Day“ und „If I Get Home For Christmas Day“ - alles auf einer CD! Abwechslungsreich, nicht? Zwei österreichische Highlights gäbe es da noch zu erwähnen. Zum einen ist es „Weihnachten auf Gut Aiderbichl“ präsentiert von Francine Jordi und Marc Pircher und zum anderen Touren Alkbottle unter dem Motto „Fett wia a Christkindl“ Ende Dezember durch die Lande. Da hilft am Ende nur eins: selber singen!

Christoph Andert

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