OECD-Studie regt auf

Große Diskussion um kleinere Schulklassen

Österreich
10.06.2016 17:00

Für Riesenaufregung hat die jüngste Studie der OECD gesorgt. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind die Schulen in Österreich im internationalen Vergleich viel zu kleinstrukturiert. Unsere Reporter hörten sich bei Direktoren, Lehrern, Eltern und Schülern um. Einhelliger Tenor der Befragten: "Die Anzahl der Mädchen und Burschen pro Klasse sollte auf keinen Fall erhöht werden."

In der OECD-Studie wird zudem die Einführung einer gemeinsamen Bildungsanstalt für alle Zehn- bis 14-Jährigen dringend empfohlen. Auch die Ganztagsbetreuung sollte ausgebaut werden.

Weiters werden in dem umstrittenen Bericht größere Schulklassen empfohlen, diese seien nämlich effizienter. Speziell diese Forderung ließ bei uns im Land die Wogen hochgehen, die Lehrergewerkschaft protestierte. Für Bildungsministerin Sonja Hammerschmid liegt die Priorität nun auf der Bildung sogenannter Schulcluster. "Das heißt, kleine Schulen schließen sich zusammen, um durch gemeinsame Verwaltung die einzelnen Standorte zu entlasten und die Lehrer miteinander zu vernetzen", so Hammerschmid.

Das sagen Direktoren, Lehrer, Eltern und Schüler:


Eva Ponsold (Direktorin am WIKU BRG in Graz):
"In der AHS-Oberstufe darf die Klassenschülerhöchstzahl von 30 sogar überschritten werden. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass der Unterricht schwieriger wird, je mehr Schüler in der Klasse sitzen."

Monika Hölzl (Lehrerin an der Volksschule 2, Kirchdorf/Krems in OÖ):
"Kleinere Klassen mit 20 Schülern wären meiner Meinung nach optimal. Mit mehr Schülern ist mehr Arbeit verbunden, wir müssen aber individuell betreuen."

Christine Zellhofer (Mutter dreier Kinder aus Patsch in Tirol): "Es wäre Blödsinn, die Höchstzahl anzuheben. Je weniger Schüler in einer Klasse sind, desto besser. Vor allem mittelmäßige Schüler würden sich bei einer Aufstockung zu schlechteren Schülern entwickeln."

Nico Wagenthaller (HTL-Schüler aus Friesach in Kärnten):
"Noch mehr Schüler in einer Klasse? Dann haben die Lehrer wahrscheinlich überhaupt keine Chance mehr, auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen. Ich glaube, so wie es ist, sollte es auch bleiben. Warum muss immer an einem System gefeilt werden, das eigentlich funktioniert?"

Janina Laback (Gymnasiastin aus Klagenfurt):
"Es ist oft viel zu laut in unseren Klassen. Mit noch mehr Schülern wird es für die Lehrer noch schwieriger, alle unter Kontrolle zu halten. Manche Pädagogen kommen ja jetzt in kleineren Klassen schon nicht zurecht."

Top-Mathematiker: "Spezifische Lösung für jedes Fach"
Etwas differenzierter sieht der heimische Top-Mathematiker Rudolf Taschner die Angelegenheit, wie er im "Krone"-Interview schildert.



"Krone": Herr Professor Taschner, die OECD empfiehlt in ihrem jüngsten Bericht größere Schulklassen. Ist das nicht zum Nachteil von Lehrern und Schülern?
Rudolf Taschner: Ich bin ein alter Freund des Frontalunterrichts. Die Frage nach der Klassengröße ist fachspezifisch zu klären. Man kann nicht generell sagen, dass kleinere Klassen von Vorteil sind. In Gegenständen wie in Geschichte macht es nichts, wenn Sie z.B. über die Römer erzählen und es hören Ihnen 30 Kinder oder noch mehr zu. Auch in Musik oder Turnen spielt die Klassenhöchstzahl keine besondere Rolle.

"Krone": Wie sieht es bei den Sprachen aus?
Taschner: In Englisch oder Französisch etwa geht mehr weiter, wenn man Gruppen von 15 Schülern hat. Da sind 20 Jugendliche schon zu viel. Hier macht die kleine Klasse durchaus Sinn.

"Krone": Und in Mathematik?
Taschner: Wenn ich Stoff vortrage, ist es nicht so tragisch, wenn ich das vor einer großen Klasse mache. Beim Vortrag kann ich durchaus viele Menschen ansprechen. Das sieht man etwa bei den Vorlesungen an der Uni. Beim Üben sieht die Situation aber völlig anders aus. Da ist eine kleinere Gruppe von Vorteil.

"Krone": Wie stellt sich die Situation aus der Sicht der Pädagogen dar?
Taschner: Eine große Klasse ist natürlich eine größere Herausforderung für die Lehrer und schwerer in den Griff zu bekommen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Mehr Schüler sind außerdem mit einem höheren Lärmpegel verbunden.

"Krone": Die Diskussion über die Schülerhöchstzahl entflammt jedes Jahr neu. Woran scheitert die Forderung von Lehrern, Eltern und Schülern nach kleineren Gruppen? Geld wird ja für vieles rausgeschmissen.
Taschner: Natürlich wäre es ideal, wenn nur zehn bis 15 Kinder in einer Klasse sitzen. Doch das kostet viel Geld, das sich der Staat nicht leisten kann oder will.

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