Fast 8.000 Meter hoch, eisige Biwaks, kein Platz für ein Zelt – und trotzdem einer der größten alpinen Momente des Jahres: Der britische Ausnahmebergsteiger Tom Livingstone ist gemeinsam mit Aleš Česen mit dem Piolets d’Or ausgezeichnet worden. Der „Goldene Eispickel“ gilt als höchste internationale Auszeichnung im Alpinismus – und ging diesmal für eine extreme Besteigung im Karakorum über die Bühne.
Ausgezeichnet wurde die Besteigung des Gasherbrum III (7.952 m) – ein wilder, selten begangener Berg im Karakorum. Livingstone und Česen eröffneten dort über den Westgrat eine neue Route mit dem poetischen, aber treffenden Namen „Edge of Entropy“. Knapp 3.000 Höhenmeter, alpiner Stil, kein Fixseil, keine Hochträger – dafür Biwaks im Sitzen auf fast 8.000 Metern Höhe.
Die internationale Jury zählte diese Tour zu den drei bedeutendsten alpinistischen Leistungen des Jahres 2024. Begründung: extrem anspruchsvoll, innovativ, kompromisslos – und mit großem Respekt vor dem Berg.
Zweiter Piolets d’Or für Tom Livingstone
Für den La-Sportiva-Athleten ist es bereits der zweite „Goldene Eispickel“. Schon 2019 wurde Livingstone – ebenfalls gemeinsam mit Aleš Česen – für die Erstbegehung des Latok I North Ridge (7.145 m) ausgezeichnet. Zwei Auszeichnungen, zwei Mal Karakorum, zwei Mal alpiner Stil auf höchstem Niveau.
Der Berg liegt zwischen dem Gasherbrum II (8034m) und IV (7932) und ist 7946 m hoch. Er galt bis 1975 als der höchste unbestiegene Berg der Erde. Weil ihn vom benachbarten Gasherbrum II ein 7591 m hoher Sattel trennt, der Gipfel also eine Schartenhöhe von 355 m aufweist, gilt er nicht als eigenständiger Berg. Für die Eigenständigkeit ist im Himalaya eine Schartenhöhe von mindestens 500 m festgelegt. Aufgrund seiner Dominanz, dem zweiten Kriterium für die Eigenständigkeit, gilt der Gasherbrum III als relativ selbständiger Hauptgipfel. Der höchste Gipfel der Gasherbrum-Gruppe ist der Hidden Peak (G1) mit einer Höhe von 8080 Metern.
Drei Akklimatisierungsanstiege, eine Nacht auf 7.000 Metern, dann der entscheidende Push. Zwei Nächte auf 7.500 und 7.800 Metern – ohne Zelt. Am höchsten Punkt war kein Aufbau möglich, das Duo biwakierte im Freien, sitzend, ausgesetzt, erschöpft. Danach eine technisch heikle Querung der Gipfelwand (bis M6), Gipfelerfolg – und der Abstieg über die Gegenseite Richtung Gasherbrum II. Am 6. August 2024 kehrten sie ins Basislager zurück.
Die Jury sprach von einer „langen, ernsten und sehr fordernden Route“ und einem Beweis dafür, dass echte Abenteuer auch heute noch auf den höchsten Bergen der Welt möglich sind.
Was ist der Piolets d’Or?
Der Piolets d’Or – auf Deutsch Goldener Eispickel – wurde 1991 ins Leben gerufen und gilt als Oscar des Alpinismus. Ausgezeichnet werden keine Personen im klassischen Sinn, sondern herausragende Begehungen im alpinen Stil. Entscheidend sind dabei nicht Rekorde, sondern Ethik, Innovation, Stil und Respekt vor dem Berg. Jedes Jahr wählt eine internationale Jury aus Bergsteigern und Fachjournalisten nur wenige Touren aus – oft ist schon die Nominierung eine große Ehre.
Weniger Bühne, mehr Berge
Livingstone selbst bleibt trotz der großen Auszeichnung bodenständig. Ein Händedruck, ein Schulterklopfen – mehr braucht er nicht. Diese Haltung passt zu La Sportiva, seinem langjährigen Partner aus dem Val di Fiemme. Der Piolets d’Or ist für ihn kein Ziel, sondern ein kurzer Moment des Innehaltens.
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