Prozess in Paris
Genozid in Ruanda: Ex-Offizier schuldig gesprochen
Die Verteidigung hatte am Donnerstag Freispruch gefordert. Sie sprach von einem "Kartenhaus" von Vorwürfen, die politisch motiviert seien und auf wenig vertrauenswürdigen Zeugenaussagen basierten. Die Anklage hatte dagegen lebenslange Haft für Simbikangwa gefordert, den sie als "Befehlsgeber" und "Völkermord-Leugner" bezeichnete.
Der 54-jährige Simbikangwa, der sich als früheren Hauptmann der ruandischen Armee und des ruandischen Geheimdienstes vorgestellt hatte, soll 1994 laut der Anklage zu dem Völkermord an der Minderheit der Tutsi aufgehetzt und diesen mit organisiert haben, unter anderem indem er Milizen bewaffnete.
Angeklagter bestritt Vorwürfe
Der im Rollstuhl sitzende Angeklagte bestritt alle Vorwürfe in dem Prozess, der dadurch erschwert wurde, dass keine direkten Opfer als Zeugen auftreten konnten. Simbikangwa räumte lediglich ein, dem engsten Führungszirkel des Mehrheitsvolks der Hutu nahegestanden zu haben, aus dem viele Mitglieder später wegen ihrer Rolle beim Völkermord verurteilt wurden.
Die ruandische Regierung, die aus Tutsi-Rebellen hervorging, hatte Frankreich lange Zeit vorgeworfen, die Verantwortlichen des Völkermordes unterstützt zu haben. Nach einem mehrjährigen Bruch der diplomatischen Beziehungen haben sich beide Länder inzwischen wieder angenähert. Zum Prozess gegen Simbikangwa war es aber erst auf Initiative von Dafroza Gauthier und ihrem Mann Alain gekommen.
Zwei Aktivisten brachten Prozess erst ins Rollen
Die beiden Amateurdetektive und Aktivisten aus der Stadt Reims hatten Simbikangwa zur Strecke gebracht. Sie stöberten den unter einem falschen Namen lebenden Mann auf der Insel Mayotte im Indischen Ozean auf und reichten eine Zivilklage ein. Diese brachte den Völkermordprozess gegen Simbikangwa - Frankreichs ersten - ins Rollen.
"Genozid ist das absolut Böse. Von diesem Bösen wird man nie geheilt", sagt Dafroza während der am Freitag zu Ende gegangenen Verhandlung gegen den ehemaligen ruandischen Geheimdienstchef Pascal Simbikangwa im Pariser Palais de Justice. Bei einem Besuch in Ruanda im Februar 1994 hatte Dafroza mit eigenen Augen erlebt, welches Unheil sich anbahnte: Ein Radiosender verbreitete Namen von Mitgliedern der Tutsi-Minderheit.
Sie wurden "inyenzi" genannt, das heißt Kakerlaken in der Landessprache Kinyarwanda. Ihre Mutter drängte sie, Ruanda zu verlassen, solange dies noch möglich war. In Frankreich schrieb Alain an den damaligen Präsidenten François Mitterrand und bat ihn vergebens einzugreifen. Mitterrand hatte enge Verbindungen zu der vom Mehrheitsvolk der Hutu dominierten Regierung.
800.000 Menschen getötet
Der Genozid begann am 6. April, nach dem tödlichen Attentat auf Präsident Juvenal Habyarimana. Hutu-Extremisten begannen eine grausame Rachekampagne gegen Tutsis und moderate Hutus. Hundert Tage später hatten geschätzt 800.000 Menschen ihr Leben verloren. Dafrozas Mutter war eines der ersten Opfer aus ihrer Familie. Am zweiten Tag des Mordens wurde sie vor einer Kirche erschossen. Insgesamt verlor die heute 59-jährige Chemikerin 80 Verwandte, bevor Tutsi-Rebellen das Schlachten im Juli beendeten.
Im Gericht zählt Dafroza die Namen der Opfer auf. Ihre sorgfältig getippte Aussage hält sie in beiden Händen und versucht, nicht zusammenzubrechen, wenn sie von einem besonders grausamen Mord erzählt. Wie etwa von der Cousine, die lebendig unter brennenden Autoreifen begraben wurde. Im Saal herrscht betroffenes Schweigen. Dafroza und ihr Mann, ein pensionierter Lehrer, haben trotzdem gelernt, mit dem Leid umzugehen: Man dürfe nicht untätig bleiben und müsse Gerechtigkeit fordern, sagt Dafroza der Nachrichtenagentur dpa. "Das ist mein Weg um den Horror zu überwinden."
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