Liebe zum Fußball, ja, die spürt man, wenn man ihm zuhört, wie er stolz über seine bereits 400 Liga-Spiele währende Karriere plaudert, aber Verbissenheit oder gar Hader über verpasste Chancen, nein, die gibt es nicht. Was der gelassene Rechtsverteidiger des WAC seinem Klub für heuer noch zutraut, was er zu Didi Kühbauer sagt, wie er seine Rolle beim Turnaround des WAC sieht und wie er den Sprung von einer Skisprungschanze überstehen würde, das erzählt der Steirer im Interview.
krone.at: Joachim, was würdest du jetzt in diesem Moment tun, wenn dich der WAC im Sommer angesichts seiner Abwehrnöte nicht noch in die Bundesliga zurückgeholt hätte?
Joachim Standfest: Was genau, das ist natürlich schwierig zu sagen. Ich hatte mir jedenfalls schon Gedanken gemacht, ob ich ins Trainergeschäft hineinschnuppern soll, den Trainerschein habe ich immerhin. Dass ich mein Sport-Studium wieder aufnehme, war auch ein Thema. Zwei, drei Dinge hätte es auch gegeben, die mit Fußball weniger zu tun hatten. Es war am Ende eh relativ knapp, ob ich noch weiter spielen darf oder nicht.
krone.at: Inwiefern war es knapp?
Standfest: Es war von meiner Seite her immer der Plan, dass ich bis Ende August Klarheit haben sollte. Ich hab' mir dann auch den 31. August als Deadline gesetzt. Wenn es bis dahin nicht mit der Weiterführung der Fußballer-Karriere geklappt hätte, wäre es eben in eine andere Richtung gegangen.
krone.at: Wie ist man beim WAC auf dich gekommen?
Standfest: Konkret hat den Kontakt der Michi Liendl hergestellt, mit dem ich schon bei der Austria und beim GAK zusammengespielt habe. Der hat den Trainer gefragt, ob er mich nicht vielleicht brauchen könnte und ... (hält kurz inne) ... ja, dann hat mich der Trainer angerufen und wenig später war ich schon ein Wolfsberger.
krone.at: Da war ja noch Slobodan Grubor Trainer des WAC, der als Reaktion auf den mäßigen Saisonstart von Didi Kühbauer abgelöst wurde. Was zeichnet Kühbauer deiner Meinung nach aus? Wie ist es möglich, dass der vom Erfolg verfolgt zu werden scheint?
Standfest: Er war als Spieler schon gut, hat sich in Österreich bewährt und hat sich im Ausland durchgesetzt. Er war in Österreich einer der besten Mittelfeldspieler - wenn nicht der beste. Und all das nimmt er jetzt mit. Er weiß genau, worum es geht.
krone.at: Um auf dich zurückzukommen. Wie schwer war die Zeit nach dem Abschied von Kapfenberg mit der Ungewissheit, wie es mit der Fußballer-Karriere weitergehen wird?
Standfest: Für mich persönlich war das nicht so dramatisch, eher für meine Familie. Aber ich hatte ja nach dem Abgang von Sturm und dann in der Winterpause als Kapfenberger schon überlegt, ob ich nicht aufhören sollte. Ich kann auch ganz gut ohne Fußball leben, ich bin da nicht so sehr fixiert. Gott sei Dank ist es gekommen, wie es gekommen ist.
krone.at: Mit 33 Jahren hat man weniger Jahre als Profifußballer vor als hinter sich – im Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte: Gibt's etwas, das du anders machen würdest?
Standfest: Nein, ich bin sehr zufrieden mit dem, was passiert ist. Es waren wunderschöne Zeiten in Graz, in Wien, überall. Auch Kapfenberg hat mir im Nachhinein gesehen sehr viel gebracht. Es gibt eigentlich nichts zu bereuen, es ist alles aufgegangen, wie ich mir das vorgestellt habe. Mir waren von Anfang an Gott sei Dank immer andere Sachen wichtiger, als meine eigene Karriere - und ich glaube, das hat mir auch sehr geholfen, mir auch sehr viel gebracht.
krone.at: Ohne dich hat der WAC zweimal remisiert und fünfmal verloren, mit dir gab es in 19 Spielen acht Siege, sechs Remis und nur fünf Pleiten. Wie groß ist dein Anteil an der Entwicklung?
Standfest: (schüttelt energisch den Kopf) Mein Anteil ist genauso groß wie bei jedem anderen Spieler auch - es steht ja keiner alleine am Platz. Natürlich hab' ich versucht, mich gleich einmal voll einzubringen - das ist, denke ich, auch von mir erwartet worden, wenn man meine Erfahrung berücksichtigt. Von einem wie mir geht man davon aus, dass er vom ersten Tag an funktioniert. Allerdings ist wahrscheinlich sowieso eine meiner größten Stärken, dass ich kaum Anpassungszeit brauche, das hab ich jetzt wieder bewiesen.
krone.at: Mit Michael Liendl und Mihret Topcagic habt ihr im Winter Spieler verloren, die die Hälfte aller 32 WAC-Treffer im Herbst erzielt hatten. Wie schwer wiegen die Abgänge?
Standfest: Momentan schaut es nicht so schlecht aus, vor drei Wochen war das noch anders. Dass uns der "Liendi" abgehen wird, das war ja klar, er ist einer der besten Mittelfeldspieler in Österreich. Das Spiel war noch dazu ein bisschen auf ihn zugeschnitten, die Mannschaft hat gewusst, dass wenn man für ihn arbeitet, auch etwas dabei rauskommt. In der ersten Zeit ohne die beiden hat es dann auch gar nicht funktioniert, das ist knapp vier Wochen her. Wir haben uns da aber selbst herausgezogen und teilweise bereits wieder gute Leistungen gebracht - ist alles nur eine Frage der Zeit.
krone.at: Als Ersatz für Liendl und Topcagic sind Peter Zulj sowie der Brasilianer Silvio gekommen. Wie schätzt du die beiden ein?
Standfest: Von der Spielanlage wird sich nicht wesentlich viel ändern, weil Peter und Silvio ähnliche Spielertypen wie "Liendi" und "Topo" sind, auch wenn sie noch nicht dort sein können, wo die beiden anderen waren. Der Peter hat im ersten Spiel gegen Innsbruck schon gezeigt, was er kann, und wenn er sein Bestes auspackt, werden wir mit ihm noch sehr glücklich werden.
krone.at: Du hast insgesamt 30.892 Spielminuten in der Bundesliga in deinen Beinen - das sind 34 Prozent der gesamten Bundesliga-Einsatzminuten aller WAC-Kaderspieler bzw. 50 Prozent der WAC-Verteidiger. Wie fühlt man sich als WAC-"Methusalem"?
Standfest: Das bedeutet mir eigentlich nicht viel. Die Erfahrung bringt es mit sich, dass ich einfach versuche, sicher voranzugehen. Wenn es zu irgendeiner brenzligen Situation kommt, übernehme ich Verantwortung und halse sie nicht unbedingt einem jüngeren Mitspieler auf. Mir sind die Auswirkungen eines Missgeschicks eher wurscht, als wenn einem Jungen etwas passiert. (überlegt kurz) Ich denke, ich bin außerdem jemand, der für jeden ein offenes Ohr hat.
krone.at: Was bedeutet das für dein Standing in der Mannschaft?
Standfest: Ich glaube schon, dass meine Stellung eine sehr gute ist. Jeder hört mir zu, wenn ich etwas zu sagen habe, das ist sehr wichtig. Aber das geht halt nur, wenn man seine Leistung bringt - wenn man nur den Mund aufreißt und nichts dahinter ist, wird das nicht funktionieren. Aber derzeit funktioniert das sehr gut (lacht)
krone.at: Wenn man sich anschaut, wie viele Spieler deines Alters und mit viel Erfahrung in den Beinen derzeit arbeitslos sind, könnte man zum Schluss kommen, dass Erfahrung nichts mehr zählt. Was passiert derzeit im österreichischen Fußball?
Standfest: Da gibt's mehrere Faktoren. Wirtschaftlich gesehen sind Leute wie etwa ein Stefan Maierhofer anderes gewohnt - und wenn man dann nicht zurückstecken will, dann wird es schwierig. Außerdem ist ein gewisser Jugendwahn ausgebrochen, ich glaub', dieser grassiert in Österreich noch stärker als irgendwo anders.
krone.at: Um zum Begriff "Methusalem" zurückzukommen: Du hast am Wochenende dein 400. Bundesliga-Spiel absolviert. Was für einen Stellenwert nimmt der 400er für dich ein?
Standfest: Auf so eine Zahl zu kommen, ist natürlich schön für mich. Das war auch einer der Gründe im Sommer, warum ich unbedingt noch weiterspielen wollte. Immerhin war ich mit dem Sturm-Abschied bei knapp 380 Spielen stehen geblieben. Natürlich denkt man an so etwas, das gehört dazu. Geniner Karriere mehr als 20 Trainer, da muss man etwas draufhaben, dass man immer zum Spielen kommt.
krone.at: Du bist der BL-Dauerbrenner unter den Aktiven, wie weit nach vorne in dieser Bilanz werden dich deine Beine noch tragen?
Standfest: Erstmal schau' ich auf die kommenden Monate, mein Vertrag läuft ja im Sommer aus. Wie es dann weitergeht, das ist noch offen. Wenn es nach mir geht, geht es noch weiter. Körperlich habe ich jedenfalls keine Probleme, von den Werten her bin ich immer noch bei den besten dabei. Ich fahr' jeden Tag gerne zum Training, auch wenn es immer und immer wieder über die Pack geht.
krone.at: Ich bin ehrlich gesagt etwas überrascht, wie gelassen du das Problem der Ungewissheit deiner nahen Zukunft siehst...
Standfest: Was soll ich mich noch groß aufregen? Ich kenn' das ganze Geschäft, ich habe viel mitgemacht in den letzten Jahren. Wenn es vorbei ist, dann ist es einfach so. Ich würde aber natürlich gern noch weitermachen, weil ich einfach gern Fußball spiele.
krone.at: Ein bisschen zynisch könnte man jetzt sagen, dass der Youngster-Druck auf der Rechtsverteidiger-Position in Österreich derzeit nicht so groß ist, dass du dir Sorgen um deinen Platz machen müsstest. Wie siehst du die Lage der heimischen Rechtsverteidiger?
Standfest: Generell ist die Außenverteidigerposition in den letzten Jahren immer wichtiger geworden: Man darf sich kaum Fehler erlauben, es läuft alles über sie, man ist der erste, der angepresst wird. Es wird alles auf diese Position zugespitzt und dafür musst du zunächst einmal konsequent sein, was vielen abgeht. Man darf sich auch nicht zu schade sein, dass man den Ball einfach mal übers Stadiondach rausschießt. Das gehört einfach dazu.
krone.at: Mit dem Sieg im ersten Frühjahrsspiel gegen Innsbruck habt ihr die Abstiegsgefahr relativ früh gebannt. Wo kann die Reise des WAC noch hinführen?
Standfest: Es geht überall hin dicht zu, nach hinten sind es zwölf Punkte und nach vorne auch gerade mal sechs oder sieben. Also allein von daher sind wir näher am Europacup, als an den Abstiegsrängen. Dazu kommt, dass jeder jeden schlagen kann – ausgenommen die Salzburger, die wirklich zwei, drei Stufen stärker sind als die anderen. Warum sollten also nicht wir auch alle schlagen können? Ich bin überzeugt: Wir können das auch!
krone.at: Zum Abschluss noch ein Themensprung: Die Olympischen Winterspiele sind gerade erst zu Ende gegangen – mit zwei Silbermedaillen für die ÖSV-Adler. Wie würde es ausgehen, wenn man dich, immerhin in der Jugend noch Skispringer, jetzt eine Schanze runterschicken würde? Hast du die Abläufe noch in dir?
Standfest: (lacht) Nein, nicht wirklich! Das wäre eher gefährlich. Mit normalen Skiern würde ich schon noch über eine normale Schanze drüber fahren, eine Nachwuchsschanze halt. Das trau' ich mir schon noch zu, aber sonst sind da nicht mehr viele Automatismen. Nein, das wär', glaub' ich, keine gute Idee.
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